Bürgergeld statt Hartz IV - was das für Betroffene bedeutet
Das Bundeskabinett hat das Bürgergeld auf den Weg gebracht. Was sich für Empfänger von Sozialleistungen jetzt ändert und welche vorgesehenen Sanktionen strittig sind:
Im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition heißt es: "Das Bürgergeld soll die Würde des und der Einzelnen achten, zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen sowie digital und unkompliziert zugänglich sein." Aber was bedeutet das in der Praxis?
Wie wird die Höhe des Bürgergeldes bestimmt?
Bisher war der Betrag abhängig vom Vermögen der Bezieher. Nun soll die Prüfung und Anrechnung des Vermögens erst nach den ersten zwei Jahren des Bezuges stattfinden. Auch soll erst nach diesem Zeitraum kontrolliert werden, ob zum Beispiel die Wohnung des Empfängers zu groß beziehungsweise "nicht angemessen" ist.
Sanktionen erst nach "Vertrauenszeit"
Der Fokus des Bürgergeldes liegt laut Regierung auf dem Wiedereinstieg in die Arbeitswelt. Deshalb soll es auch hier gewisse Mitwirkungspflichten geben und damit auch entsprechende Sanktionen. Wer zum Beispiel Termine beim Jobcenter nicht wahrnimmt, muss mit Kürzungen des Geldes rechnen. Dennoch soll ab Bezug des Bürgergelds eine sechsmonatige Vertrauenszeit gelten, in der verringerte Leistungen ausgeschlossen sind. Nur wer gar nicht mit dem Jobcenter kooperiert, muss negative Konsequenzen fürchten. Bei Bedarf sollen Menschen mehr Zeit für den Erwerb eines Berufsabschlusses bekommen: drei statt bisher zwei Jahre.
Zuverdienstgrenze soll steigen
Ein befristeter Bonus soll Bezieher des Bürgergeldes ermuntern, sich zum Beispiel weiterzubilden und wieder in eine Beschäftigung zu kommen. Auch die Zuverdienstmöglichkeiten sollen verbessert werden. Hartz-IV-Empfänger durften bisher nur 100 Euro im Monat dazu verdienen. Jetzt sollen vor allem Schülerinnen, Schüler und Auszubildende mehr für sich behalten dürfen - aber auch Erwachsene.
Wie hoch soll das Bürgergeld ausfallen?
502 Euro soll das Bürgergeld betragen. Es liegt damit über dem derzeitigen Hartz-IV-Regelsatz von 449 Euro für Alleinstehende. Eine Erhöhung soll sich an der aktuellen Inflation orientieren und nicht mehr wie bisher nachträglich angepasst werden.
Wer ist berechtigt?
- Erwerbsfähige Personen ab 15 Jahren
- Hilfebedürftige unter 15 und über 65 Jahren
- Personen, die ihren Lebensunterhalt nicht alleine decken können
- Personen, deren Leistung nach ALG I auslaufen
Wie die Regierung das neue Bürgergeld ab Januar 2023 finanzieren will, ist noch nicht bekannt.
Armutsforscher Christoph Butterwegge: "Hartz IV, aber etwas fairer"
"Es ist meiner Ansicht nach kein Nachfolger von Hartz IV, aber etwas fairer", sagte Sozialwissenschaftler Christoph Butterwege im Interview mit dem NDR Nordmagazin. Der als Kritiker des Hartz-IV-Systems bekannte Armutsforscher ist der Ansicht, dass es sich beim Bürgergeld nicht um ein neues Grundsicherungssystem handelt. "Man hat dafür gesorgt, dass manche Ungerechtigkeiten aus dem System verschwinden, aber es ist kein neues Grundsicherungssystem, sondern aus meiner Sicht nach wie vor Hartz IV." Auch die Erhöhung um rund 50 Euro für eine alleinstehende Person reicht für echte Teilhabe "am gesellschaftlichen, am kulturellen, am politischen Leben" nach Ansicht von Butterwegge nicht aus. Für einen Alleinstehenden würde er etwa 650 Euro im Monat veranschlagen, damit dieser "in Würde" leben und sich beispielsweise auch gesund ernähren kann.
Unternehmerverbände warnen vor Fehlanreizen
Die Reaktionen aus Mecklenburg-Vorpommern waren verhalten. Sven Müller von der Vereinigung der Unternehmensverbände für Mecklenburg-Vorpommern e.V. (VU) warnte davor, den bewährten Grundsatz "Fordern und Fördern" aufzuweichen. Mitwirkungspflichten und Sanktionsmöglichkeiten müssten weiterhin im Mittelpunkt stehen. Er begrüßte dagegen die Zahlung einer Weiterbildungsprämie in Zeiten des Fachkräftemangels.