Mount Kimbie: Neues Album bedient TikTok-Trend-Musik Shoegaze

Stand: 05.04.2024 14:58 Uhr

Diese Band ist mit einem Sound in die Wüste gegangen und mit einem ganz anderen wieder herausgekommen: Mount Kimbie aus London. Jetzt erscheint ihr neues Album "The Sunset Violent".

von Christoph Möller

Die Ideen für ihr neues, fünftes Album "The Sunset Violent" haben die vier Musikerinnen und Musiker in der Stadt Yucca Valley in der Mojave-Wüste in Kalifornien entwickelt. Vor dem sonnigen und trockenen Wüsten-Retreat war ihre Musik geprägt von elektronischen Beats, danach hörte man plötzlich überall verträumte Gitarren. Der Sound auf dem Album, das dort entstanden ist, passt zum Hype um das Genre Shoegaze auf TikTok. Hat die Band diesen TikTok-Sound bewusst gewählt?

Welchen Einfluss haben die sozialen Medien?

"Wir leben ja alle in derselben Welt. Niemand von uns hatte TikTok auf dem Handy. Es spielte keine Rolle. Aber natürlich nehmen wir die gleichen Trends wahr, die relevant scheinen, die aber häufig auch schnell wieder wenig aufregend sind", sagt Bandmitglied Kai Campos. Der Musiker ist jetzt über 15 Jahre lang im Musikgeschäft. Ein kurzer Trend auf TikTok beeinflusse nicht, wie er Songs schreibt. Andererseits: "TikTok - wie wichtig das ist, dämmert uns langsam auf dieser Interview-Reise. Also, falls jemand zuhört: Wir sind bereit für den viralen Erfolg!", lacht er.

Auf TikTok ist Shoegaze zur Trend-Musik geworden. Das Genre aus den 80er-Jahren heißt so, weil die Musiker*innen angeblich die ganze Zeit auf ihre Schuhe starren, auf die vielen Effektgeräte auf dem Boden, mit denen sie verträumte Gitarrenflächen erzeugen. Junge Shoegaze-Musiker wie Wisp werden auf TikTok millionenfach geklickt.

"The Sunset Violent": surrealistische Traumwelten

Die Songs auf "The Sunset Violent" von Mount Kimbie klingen ähnlich. Auf schnelle Verwertbarkeit in sozialen Medien sind sie aber nicht ausgelegt. Im Gegenteil: Die Songs wirken wie surrealistische Traumwelten. Und der Song "Fishbrain" ist sogar eine Kritik an den sozialen Medien. Mount Kimbie meinen: Selbst, wenn im Hintergrund die Küche abbrennt, glotzen wir lieber weiter aufs Smartphone, als das Feuer zu löschen.

Der Technikpessimismus wirkt ein bisschen altmodisch. Die Geschichte ist aber anschlussfähig. Auch andere Songs erzeugen diese emotionale Nähe: Im Song "Dumb Guitar" vertonen verzerrte Gitarren das Ende einer Beziehung: "Noch so ein Date / und ich sterbe", singen Mount Kimbie.

Der Zauber der zurückhaltenden Geste

Dominic Maker hat sich bei den Texten inspirieren lassen von der Idee des kreativen Schreibens: "Als ich jünger war, habe ich viel kreativ geschrieben. Ich habe aber diese Art zu schreiben immer von der Musik getrennt. Bei diesem Album hat es Sinn ergeben, beides zu verbinden. Ich liebe Kurzgeschichten und liebe es, beim Schreiben kleine Situationen und Welten zu erschaffen."

Kleine Welten, kleine Situationen. Die vier Musiker*innen wirken, als seien sie ein persönliches Gespräch vertieft, bei dem man zuhören darf. Sie halten keine Brandreden, sie verkünden keine großen Botschaften. Auf "The Sunset Violent" wird der Zauber der zurückhaltenden Geste hochgehalten. Das ist eine willkommene Abwechslung zu den hitzigen Debatten über die Krisen der Gegenwart.