Organist Manuel Gera verlässt Hamburger Michel
Fast 20 Jahre lang war Manuel Gera Organist und Chorleiter an der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis. Er wechselt nach Jüterbog südlich von Berlin, um dort die Stelle des Kreiskantors anzutreten. Für die Hamburger Musikszene ist das ein Verlust.

Neben Johann Sebastian Bach und Dietrich Buxtehude war Manuel Geras Stärke am Michel immer sein Spielbein: Manuel, der Libero. In der Hamburger Kirchenmusik ist er das Sondereinsatzkommando für besondere Fälle. Bei der Trauerfeier für Jan Fedder begleitete er selbstverständlich den Song "Knocking On Heaven's Door" auf der Orgel. In der Elbphilharmonie entlockte er dem großen Instrument immer wieder beim "Tag der Orgel" gemeinsam mit Thomas Dahl und Thomas Cornelius witzig und spontan unerwartete Klänge, erfüllte Musikwünsche und improvisierte.
Gera spielte gegen das Orgel-Klischee
Als im Gedenkjahr zum 300. Todestag des Orgelbauers Arp Schnitger ein Orgel-LKW mit einem Instrument durch Hamburg kurvte, spielte er Open Air ohne Dünkel die Ohrwürmer der Orgelgeschichte und erklärte Interessierten, die wirklich keine Taste richtig trafen, mit Engelsgeduld und Leidenschaft sein Instrument. Manuela Gera spielte gegen das Orgel-Klischee.
Er ist in Hamburg einer der wenigen Kirchenmusiker, die die Orgel immer wieder aus der eher traditionellen Nische mit Witz und auch Selbstironie befreit haben - so etwas wie das Gegenteil von Lehrer Lempel. Wer einmal erlebt hat, wie er gemeinsam mit seiner Frau Anne-Katrin, die ebenfalls Kirchenmusikerin ist, Kindern mit Hilfe der Handpuppe "Willibald, der Orgelwurm" die Orgel erklärt, hat keine Zweifel mehr daran, dass sich auch junge Menschen für das Instrument begeistern lassen. Mit aufgerissenen Augen und offenen Mündern sitzen dann 100 Kinder auf der Konzertempore im Michel, wenn Gera die große Orgel wie eine Bohrmaschine röhren lässt oder das Prinzip des Instruments erklärt, indem er die Lehrer wie Orgelpfeifen aufstellt.
Neue Aufgabe, neue Impulse
Orgelnachtwanderungen? Kein Problem! Wer eine Orgel-Idee hatte und etwas wagen wollte, fragte Gera. Mit seinem Weggang hinterlässt er eine spürbare, hörbare Lücke im Hamburger Musikleben. Für die letzten zehn Jahre seines aktiven Arbeitslebens erhofft er sich vom Wechsel nach in Jüterbog neue Impulse.
Fast 20 Jahre lang hat Gera die Kirchenmusik am Michel mit Christoph Schoener gestaltet, zuletzt mit dessen Nachfolger Jörg Endebrock. 2006 erhielt er den Ehrentitel Kirchenmusikdirektor. Mit großer Leidenschaft hat Gera das Orgelparadies im Hamburger Michel mit seinen sechs Instrumenten bespielt. Wenn man das Glück hatte, einmal mit ihm zwischen den Orgelpfeifen, herumkrabbeln zu dürfen, spürte man seine ungebrochene Begeisterung für diesen Ausnahmeort.
Verabschiedung von Gera im kleinen Kreis
Seit 40 Jahren sitzt Gera auf der Orgelbank. "Man kann als Organist seinem Instrument zuhören", schwärmt er. "Und man kann in den Dialog mit dem Raum treten, und das ist das eigentlich Faszinierende. Das lässt auch nach vier Jahrzehnten nicht nach." Eigentlich sollte am Ostermontag ein großer Konzertgottesdienst zum Abschied stattfinden. Wegen der Pandemie findet das nun doch erst einmal im kleinen Kreis statt, soll aber später nachgeholt werden.
