Bremen leuchtet und klingt: Das Musikfest ist gestartet
Dieser Abend ist immer etwas ganz Besonderes im norddeutschen Kulturjahr: Mit der "Großen Nachtmusik" - 18 kurze Konzerte in neun Sälen und Kirchen in der Bremer Innenstadt - begann am Sonnabend das Musikfest Bremen.
Da reißt es sogar die Konzertmeisterin beim Spielen vom Stuhl. Wie ein Karussell außer Kontrolle lässt das Bergen Philharmonic Orchestra Ravels eskalierenden Walzer "La Valse" durch die Glocke rauschen. Nebenan setzt die Niederländische Bachgesellschaft den Bremer Dom mit dem "Magnifikat" von Carl Philipp Emanuel Bach unter Strom. Shunske Sato dirigiert die Alte Musik mit so viel Energie, dass es auch noch für die Außenbeleuchtung des Domes reichen würde. Und die Camerata RCO, das Kammerensemble des weltberühmten Concertgebouw Orchestras aus Amsterdam, zelebriert in der historischen Oberen Halle im Rathaus unter zentnerschweren Schiffsmodellen mit Kanonen und einem XXL-Ölbild von einem Wal eine Brahms-Serenade.
Musikfest Bremen: Große Bedeutung für die Region
Es ist ein Auftakt wie aus dem Bremer Bilderbuch: ein aufregender Musikmix quer durch die Jahrhunderte, spannende Künstlerinnen und Künstler aus ganz Europa und stimmungsvolle Konzertorte. Die Orchester und Ensembles sind dabei oft Geheimtipps. Die "Große Nachtmusik" in Bremen ist auch in diesem Jahr ein Ereignis. "Das Musikfest hat für die Region eine große Bedeutung und strahlt in den ganzen Nordwesten herüber", sagt Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte nicht ganz ohne Stolz. "Nach den Corona-Einschränkungen im vergangenen Jahr merkt man heute eine grandiose Stimmung."
Nach dem Konzert ist vor dem Friseur
Aus 18 Konzerten kann sich das Publikum an diesem Abend drei aussuchen und wandert dann von Musik zu Musik. Jedes Konzert dauert nicht mal eine Stunde. Schockverliebt sind die Bremer in den isländischen Pianisten Víkingur Ólafsson. Mit Hornbrille und Abiturientencharme spielt er in der Glocke Griegs Klavierkonzert, als gäbe es kein Morgen. Immer wieder schaut er während der klavierfreien Passagen, was sich im Orchester so tut, und alle 30 Takte - ungefähr - fährt er sich durch seinen offenbar etwas zu langen Justin-Bieber-Pony. Auf Deutsch kündigt er eine Zugabe an: "Etwas aus Frankreich. Nur was?", grübelt er laut. Es wird dann am Ende eine eigene Rameau-Bearbeitung. Über diesen grundsympathischen, manchmal etwas unbeholfen wirkenden Ólafsson wird noch lange nach dem Konzert draußen vor der Tür gesprochen. Festival-Intendant Thomas Albert hat einfach ein Händchen für besondere, interessante, charismatische Musikerinnen und Musiker und ein Näschen für Stars von morgen.
Ein Abend als Gesamtkunstwerk
Der größte Star dieses Abends ist allerdings eine andere: Die erleuchtete Bremer Innenstadt. Zwischen den Konzerten stehen die Menschen mit einem Glas Wein auf dem Marktplatz, bestaunen die illuminierten historischen Gebäude, tauschen sich über die Konzerte aus, machen Handyfotos und sind einfach glücklich. Aus dem Innenhof des Landgerichts wummern jazzige Blechbläser-Klänge des "Hypnotic Brass Ensemble" herüber. Der Abend ist ein Gesamtkunstwerk, ein echter Höhepunkt im norddeutschen Kulturleben. Man spürt: Diesem Musikfest gelingt es, eine Innenstadt zum Leuchten und zum Klingen zu bringen.
