Claudia Roth wird von Olexandr Tkatschenko umarmt © picture alliance/dpa | Kay Nietfeld Foto: Kay Nietfeld

Ukrainischer Kulturminister betont Identität: "Sie weinen vor Glück"

Stand: 29.08.2022 16:20 Uhr

Auf Suche nach Unterstützung für die von Kriegsfolgen betroffene Kulturszene seines Landes ist der ukrainische Kulturminister Olexandr Tkatschenko in Berlin mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth zusammengetroffen.

von Maria Ossowski

Acht junge Musikerinnen und Musiker aus der Ukraine studieren seit März an der Barenboim Said Akademie, sie sind dort Residencies. Gleichzeitig sind sie online mit ihren Konservatorien verbunden. Sie empfangen den ukrainischen Kulturminister mit Werken von Komponisten aus ihrer Heimat. Olexander Tkatschenko hat das erste Mal seit Kriegsbeginn das Land verlassen. Eine Reise aus einem anderen Land in eine andere Welt, so erzählt er.

Die Kulturstaatsministerin und er haben sich bei deren Besuch in Odessa kennengelernt. Claudia Roth: "Ich konnte dort spüren, erleben, begreifen, dass der brutale Angriffskrieg Putins auch ein Krieg gegen die Kultur ist, in dem systematisch Kultureinrichtungen wie Theater, Konzertsäle, Kinos, Bibliotheken und Archive angegriffen werden. Ziel ist, ganz offensichtlich, die kulturelle Identität der Ukraine zu zerstören." Oleksander Tkatschenko sucht sie zu bewahren.

"Kultur ist ein Zeichen der Hoffnung"

Seine Kulturdenkmäler brauchen Schutz vor dem Winter und den Angriffen der russischen Armee. Deutsche finanzielle Hilfe sei dringend vonnöten, so sagt er. Der ehemalige TV-Manager, in dessen Programmen auch Wolodymir Selenskij aufgetreten ist, kämpft für die ukrainische kulturelle Identität. Abseits der russischen, denn eine Zusammenarbeit mit russischen Oppositionellen ist für ihn momentan nicht denkbar. Selbst Tschaikowskis Musik ist verboten.

Die Menschen in der Ukraine bräuchten ihre eigenständige Kultur, vor allem jetzt im Krieg, sagt er: "Kultur ist eine Erholung und ein Zeichen der Hoffnung. Die Menschen strömen in die Theater. Nicht alle können Karten erhalten, denn es dürfen nur so viele Plätze im Theater besetzt werden, wie es auch Plätze darunter im Bunker gibt. Ich habe in ihre Augen gesehen: Sie weinen vor Glück. Kurz den Krieg vergessen zu können, in die Normalität zurückzukehren. Das sind Parallelwelten. Für die Künstler, die Maler, die Regisseure, die Autoren, ist es wichtig, ihre Arbeit mit der Welt zu teilen."

Kampf gegen die russische Propaganda

80 Prozent der Künstlerinnen und Künstler sind in der Ukraine geblieben, um dort zu arbeiten und ihr Land zu unterstützen. Aus Deutschland kommt aber nicht nur finanzielle Hilfe für die Kunst, sondern auch für den Kampf gegen die russische Propaganda, so Tkatschenko: "Das bedeutet Hilfe für ukrainische Medien in der Ukraine. Wir haben einen neuen Kanal eingerichtet, 'Freiheit' heißt er - nur für russisches Publikum."

Mit der deutschen Politik bespricht Tkatschenko jetzt weitere Hilfsmaßnahmen. Seine Reise hat das Ziel, "die Welt aufmerksam zu machen auf die ukrainische Identität, die ukrainische Kultur, dass sie weiter existieren kann und weiter für die Ukraine kämpft."

Weitere Informationen
Die Luxusjacht "Aviva" des britischen Milliardärs Joe Lewis hat an der Überseebrücke im Hamburger Hafen angelegt. © picture alliance / rtn - radio tele nord Foto: rtn, frank bründel

Hingucker im Hafen: Luxusjacht "Aviva" liegt in Hamburg

Mit Tennisplatz und Kunstsammlung an Bord: Gegenüber der "Cap San Diego" hat eine besonders spektakuläre Jacht festgemacht. mehr

Dmitrij Kapitelman © picture alliance/dpa Foto: Gerald Matzka

Ukraine-Krieg: "Niemand rechnet damit, dass der Beschuss bald aufhört"

Ein Gespräch mit dem ukrainisch-stämmigen Schriftsteller Dmitrij Kapitelman über seine Sicht auf den Ukraine-Krieg. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch unterwegs | 29.08.2022 | 15:30 Uhr

Eine Frau sitzt auf einem Stuhl und lächelt in die Kamera. Neben ihr stehen die Worte "Die Hauda & die Kunst" © NDR/ Flow

Kunstwissen to go - serviert von Bianca Hauda

Bianca Hauda serviert Kunstwissen in kleinen Happen: Porträts von Künstler*innen, deren Bilder und Werke in deutschen Museen zu sehen sind. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Lars Eidinger im Gespräch mit dem NDR © Screenshot

Eidinger: "Es gibt kein Stück, in dem ich nicht am Ende sterbe"

Zwischen Trauer, Komik und Tragik spielt Eidinger den Dirigenten Tom Lunies - das Alter Ego von Regisseur Matthias Glasner. Für den Schauspieler ist der Tod eine große Unbekannte. mehr