Ukrainischer Kulturminister betont Identität: "Sie weinen vor Glück"
Auf Suche nach Unterstützung für die von Kriegsfolgen betroffene Kulturszene seines Landes ist der ukrainische Kulturminister Olexandr Tkatschenko in Berlin mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth zusammengetroffen.
Acht junge Musikerinnen und Musiker aus der Ukraine studieren seit März an der Barenboim Said Akademie, sie sind dort Residencies. Gleichzeitig sind sie online mit ihren Konservatorien verbunden. Sie empfangen den ukrainischen Kulturminister mit Werken von Komponisten aus ihrer Heimat. Olexander Tkatschenko hat das erste Mal seit Kriegsbeginn das Land verlassen. Eine Reise aus einem anderen Land in eine andere Welt, so erzählt er.
Die Kulturstaatsministerin und er haben sich bei deren Besuch in Odessa kennengelernt. Claudia Roth: "Ich konnte dort spüren, erleben, begreifen, dass der brutale Angriffskrieg Putins auch ein Krieg gegen die Kultur ist, in dem systematisch Kultureinrichtungen wie Theater, Konzertsäle, Kinos, Bibliotheken und Archive angegriffen werden. Ziel ist, ganz offensichtlich, die kulturelle Identität der Ukraine zu zerstören." Oleksander Tkatschenko sucht sie zu bewahren.
"Kultur ist ein Zeichen der Hoffnung"
Seine Kulturdenkmäler brauchen Schutz vor dem Winter und den Angriffen der russischen Armee. Deutsche finanzielle Hilfe sei dringend vonnöten, so sagt er. Der ehemalige TV-Manager, in dessen Programmen auch Wolodymir Selenskij aufgetreten ist, kämpft für die ukrainische kulturelle Identität. Abseits der russischen, denn eine Zusammenarbeit mit russischen Oppositionellen ist für ihn momentan nicht denkbar. Selbst Tschaikowskis Musik ist verboten.
Die Menschen in der Ukraine bräuchten ihre eigenständige Kultur, vor allem jetzt im Krieg, sagt er: "Kultur ist eine Erholung und ein Zeichen der Hoffnung. Die Menschen strömen in die Theater. Nicht alle können Karten erhalten, denn es dürfen nur so viele Plätze im Theater besetzt werden, wie es auch Plätze darunter im Bunker gibt. Ich habe in ihre Augen gesehen: Sie weinen vor Glück. Kurz den Krieg vergessen zu können, in die Normalität zurückzukehren. Das sind Parallelwelten. Für die Künstler, die Maler, die Regisseure, die Autoren, ist es wichtig, ihre Arbeit mit der Welt zu teilen."
Kampf gegen die russische Propaganda
80 Prozent der Künstlerinnen und Künstler sind in der Ukraine geblieben, um dort zu arbeiten und ihr Land zu unterstützen. Aus Deutschland kommt aber nicht nur finanzielle Hilfe für die Kunst, sondern auch für den Kampf gegen die russische Propaganda, so Tkatschenko: "Das bedeutet Hilfe für ukrainische Medien in der Ukraine. Wir haben einen neuen Kanal eingerichtet, 'Freiheit' heißt er - nur für russisches Publikum."
Mit der deutschen Politik bespricht Tkatschenko jetzt weitere Hilfsmaßnahmen. Seine Reise hat das Ziel, "die Welt aufmerksam zu machen auf die ukrainische Identität, die ukrainische Kultur, dass sie weiter existieren kann und weiter für die Ukraine kämpft."
