Hans Ulrich Obrist: Den Schweizer Kurator lockt das Experiment
Den Schweizer Kurator Hans Ulrich Obrist lockt immer wieder das Experiment. Einfach ausprobieren, das ist sein Motto. Bei NDR Kultur à la carte erzählt er über seinen Zugang zur Kunst.
Große Namen aus der internationalen Kunstwelt wie Dan Graham, Katharina Grosse, Pippilotti Rist oder Gerhard Richter hat er zu einer Runde "Cadavre Exquis" überredet: Eine Zeichnung wird gefaltet und an die nächste Person weitergegeben. Ein lustvolles Spiel, das an Kinderzeiten erinnert, bei dem spontan Überraschendes und nicht Absehbares entsteht. Herausgekommen bei Obrists kreativen Spielrunden sind rund 200 Scribbles wie etwa ein denkender Blumentopf, eine Casio-Echse oder eine Augapfel-Hängematte.
Hans Ulrich Obrist kuratiert Mode, Kunst, Wissenschaft, Literatur und Musik
Der Kurator ist sehr belesen. Zu Gast bei NDR Kultur à la carte erzählt Obrist, wie er das schafft. Wie er es bewältigt, sich täglich mit allen diesen Disziplinen auseinanderzusetzen, so dass es für ihn stimmt. "Ich habe angefangen, autodidaktisch mit Kunst zu arbeiten. Ursprünglich habe ich Ökonomie und Ökologie bei Professor Binswanger studiert, der hatte einen sehr starken Fokus auf Goethe. Es ist interessant, dass Goethe mal Wirtschaftsminister war - zu seinen Lebzeiten war das weniger bekannt." Binswanger sei einer der ersten Ökonomen gewesen, der schon seit den 1960er-, 1970er-Jahren betont habe, wie wichtig es sei, "dass wir die ökologische Dimension mitdenken, mit in unseren ökonomischen Systemen und auch über Grenzen des Wachstums nachdenken. Alles Dinge, die heute im Zusammenhang mit der Klimakrise sehr wichtig sind."
Hans Ulrich Obrist hat als Autodidakt mit Kunst gearbeitet
Hans Ulrich Obrist ist mit 16, 17 oder 18 Jahren mit dem Nachtzug durch Europa gefahren, war jeden Tag in einer anderen Stadt und saß in der Nacht wieder im Zug. Er hat Museen und Ateliers besucht und sich dabei ein sehr enzyklopädisches Wissen angeeignet. "Vor allem habe ich Dialoge mit Künstlern und Künstlerinnen geschaffen, die bis heute anhalten." Dann sei ihm irgendwann klar geworden, dass es wichtig wäre, dasselbe auch für andere Felder zu tun. "Als erstes habe ich begonnen die Architektur aufzuarbeiten. Das hängt damit zusammen, dass ich mit Kaspar König gearbeitet hatte. Er war mein Mentor und von dem habe ich wirklich sehr viel gelernt: 'Wie gestalte ich eine Ausstellung und wie schreibe ich ein Buch?'"
Der Kurator begeistert sich auch für die Literatur
Hans Ulrich Obrist hat dann begonnen, Schriftsteller und Schriftstellerinnen zu besuchen. Kurz darauf wurde die Wissenschaft wichtig für ihn, er hat wissenschaftliche Labore besucht und später kam das Themenfeld Musik dazu. "Ich habe begonnen Komponisten zu treffen und irgendwann kamen auch das Design und die Mode dazu. So hat sich das bei mir immer weiterentwickelt."
Das Gespräch führte Andrea Schwyzer.