Totempfahl vor einem Museum in Hamburg © NDR Foto: Alexander Heinz

Das war 2021: Rückblick auf das Kunstjahr

Stand: 28.12.2021 14:41 Uhr

Das neue Jahr begann, wie das alte geendet hatte: im Lockdown. Es gab also Grund genug, sich frustriert im Depot zu verkriechen. Das Thema koloniale Raubkunst wird in deutschen Museen ganz unterschiedlich gehandhabt.

von Anette Schneider

Frankreich gibt das Tempo vor. 2018 hatte Präsident Macron erklärt, alle koloniale Raubkunst zurückgeben zu wollen. 2020 folgte ein entsprechendes Gesetz. Und kürzlich trafen in einem Staatsakt erste wichtige Benin-Bronzen in ihrer Heimat ein! Für die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, die seit Jahren für die Rückgabe kolonialen Raubgutes kämpft, ein Weltereignis: "Weil zum ersten Mal eine Kolonialmacht etwas zurückgibt. Wir werden sehen, wie die nächsten Schritte sind", sagt Savoy. "Klar ist, dass dieses Ereignis vergleichbar ist mit dem Mauerfall in Berlin: Es wird ein Vorher und ein Nachher geben."

Geraubte koloniale Kunst - ausgestellt in Deutschland

Und Deutschland? Hier wird seit Jahren diskutiert. Ein Restitutionsgesetz gibt es nicht. Dafür eine neue Plattform, auf der Raubkunst eingestellt werden kann. Mitte Oktober erklärte die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters: "Dann verhandeln wir über Formen möglicher Rückgaben, und wir möchten zu substanziellen Rückgaben schon ab 2022 kommen." Im Zuge der gesamtdeutschen Verhandlungen mit Nigeria zur Restitution der Benin-Sammlungen in Deutschland wird auch Hamburg geraubte Benin-Bronzen zurückgeben. In der Ausstellung "Geraubte Geschichte" zeigt das MARKK erstmals seine vor rund 130 Jahren geraubten 179 Benin-Bronzen.

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Ausstellungsansicht "Benin. Geraubte Kunst" im MARKK © MARKK Foto: Paul Schimweg

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Humboldt Forum: Keine Provenienzforschung vor Eröffnung

Totale koloniale Amnesie herrscht noch immer am skandalumwitterten Humboldt Forum: Als es im Sommer mit zwei Jahren Verspätung stückweise seine ethnologische Sammlung eröffnete, hatte man nicht einmal die Herkunft der wichtigsten ausgestellten Objekte geprüft! Ein riesiges Prachtboot aus der Südsee wurde als "erworben" präsentiert. Der Historiker Götz Aly entdeckte: es war geraubt. "Die Quellenstudien sind ganz einfach", erklärt Aly. "Es hat sich keiner die Mühe gemacht. Und es war bequem für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das einfach zu behaupten."

Museen widmen sich gesellschaftlich diskutierten Problemen

Neben publikumswirksamen Ausstellungen zu Expressionismus, Impressionismus oder Raffael greifen Museen immer häufiger auch gesellschaftlich diskutierte Probleme auf: In Hamburg wurde gefragt, was "Heimat" in Zeiten von Krieg und Flucht bedeutet. Die Kunsthalle Rostock zeigte eine berührende Fotoausstellung über jüdische Identität in Deutschland. Und im Kunstmuseum Wolfsburg dreht sich alles um Erdöl, um dessentwillen Kriege geführt werden. "Im Grunde ist das für uns ein Aufklärungsprojekt", berichtet Kurator Alexander Klose. "Wir müssen uns noch einmal im ganzen Umfang darüber bewusst werden, wie stark unsere Gesellschaft und wir selbst eigentlich mit dieser Substanz verbunden sind."

Hohe Summen für van Gogh und Beeple auf dem Kunstmarkt

Der Eingangsbereich des Sprengel Museums in Hannover. © NDR Foto: Julius Matuschik
Das Sprengel Museum in Hannover zeigte 2021 Fotografien der queeren, südafrikanischen Künstlerin Zanele Muholi.

Wie geölt lief auch der Kunstmarkt: Gerade wurde bei Christie's in New York ein Bild van Goghs für 71,4 Millionen Dollar versteigert, ein Investor aus Singapur zahlte 69 Millionen Dollar für ein virtuelles Kunstwerk des Digitalkünstlers Beeple. Wie geschmiert lief auch das Abfeiern von Joseph Beuys 100. Geburtstag: Landauf, landab gab es Ausstellungen - nicht eine kratzte an seinem Mythos. Dafür rückten andere lang Ignorierte in den Blick: In Kiel werden erstmals wilde, unbequeme Künstlerinnen der Pop Art vorgestellt, das Sprengel Museum Hannover zeigte die queere, südafrikanische Fotografin Zanele Muholi.

Mehr Diversität in der Kultur

Die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth erklärte in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Buchenwald, Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung künftig mit aller Kraft zu bekämpfen. Und mit Blick auf die fast alles dominierende bürgerliche Hochkultur fragte sie: "Wo sind die Menschen mit Migrationsgeschichte? Wo sind die LGBTQIA? Wo sind schwarze Menschen? Da gibt es noch ziemlich viel Nachholbedarf."

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Das MARKK in Hamburg frontal gesehen © Paul Schimweg/MARKK

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Das MARKK fördert die Wertschätzung für Kulturen und Künste der Welt. Im Zentrum des Programms stehen seine globalen Kunst- und Kulturbestände. extern

Die Kunsthalle in Rostock - eine Außenansicht © Kunsthalle Rostock Foto: Bernd Borchard 2014

Kulturpartner: Kunsthalle Rostock

Die Kunsthalle Rostock zeigt regelmäßig wichtige Positionen der zeitgenössischen Kunst - und begibt sich dabei ständig auf Neuland. extern

Kunstmuseum Wolfsburg © Wolfsburg Marketing Foto: Wolfsburg Marketing

Kulturpartner: Kunstmuseum Wolfsburg

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Eine Skulptur vor dem Eingangsbereich des Sprengel Museums in Hannover. © NDR Foto: Axel Franz

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Kieler Kunsthalle von außen © NDR Foto: Andreas Kluge

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Die Kunsthalle zu Kiel ist Kulturpartner von NDR Kultur. Aktuelle Ausstellungen und Aktionen finden Sie hier. extern

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch unterwegs | 28.12.2021 | 17:40 Uhr

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