Auf der Suche nach dem Witz: Wo ist das Komische in der Kunst?
Der 11.11. ist Beginn des Karnevals - gute Laune also? Im Museum jedenfalls gibt es selten etwas zu lachen. Zwischen Corona, Krieg und Klimakrise: Ist der aktuellen Kunst die Komik abhandengekommen?
Wer heute ins Museum geht oder Großausstellungen wie die documenta besucht, hat selten Gelegenheit zu lachen: Künstler und Künstlerinnen beschäftigen sich mit den Auswirkungen unserer digitalisierten Gesellschaft, es geht um Genderfragen und die Klimakrise. Ernste und wichtige Themen. Aber wo ist eigentlich das Komische, das Absurde, der Witz in der Kunst geblieben?
80er- bis 90er-Jahre: Hochkonjunktur der Komik in der Kunst
"Ich lache sehr gern. Und ich hab eine ausgefallene Lache", lacht Oliver Zybok, Direktor der Lübecker Overbeck-Gesellschaft. Er ist im Rheinland groß geworden. Kein Wunder, dass eines seiner Schwerpunktthemen die Komik in der Kunst ist: "Kommt ein Mann zum Arzt. Sagt der Arzt: Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie: Die schlechte Nachricht ist, Sie haben nur noch ein Jahr zu leben. Die gute ist: Ich habe eine Affäre mit meiner Sekretärin", deklamiert Zybok.
Der amerikanische Künstler Richard Prince hat Ende der 1980er-Jahre eine ganze Serie solcher Witze auf monochrome Leinwände gedruckt. "Ihm ging's ja nicht nur darum, einen blöden Witz zu erzählen, sondern um diese Abstrusitäten, die sich in der Alltagskommunikation zeigen und im Witz widerspiegeln", erklärt Zybok.
Auch in der deutschen Kunst hatte in den 80er- und frühen 90er-Jahren die Komik Hochkonjunktur. Heute dagegen muss man lange suchen, um eine Ausstellung zu finden, in der man herzhaft lachen kann. "Das ist abgeflaut. Definitiv", sagt Zybok. "Es gibt vielleicht noch eine subtile Ironie als Form des Humors in dem einen oder anderen Werk, aber auch das hat nachgelassen."
Oliver Zybok: "Humor ist eine gute Waffe"
Haben Corona, Klimakrise und Putins Angriffskrieg dafür gesorgt, dass Kunstschaffenden das Herumalbern vergangen ist? "Ich glaube, das liegt nicht daran, dass die Künstlerinnen und Künstler in schlechteren Zeiten leben. Gerade, wenn die Zeiten nicht so gut sind, ist Humor eine gute Waffe", findet Zybok. Selbst gegen Hitler haben Künstler wie John Heartfield oder George Grosz mit Spott und Sarkasmus angezeichnet.
Die Ursache für den schwindenden Humor in der Gegenwartskunst sieht Oliver Zybok weniger in der ernsten Weltlage als in den Kommunikationsformen des 21. Jahrhunderts: Wer heute einen Witz macht, wer sich zweideutig oder missverständlich ausdrückt, muss immer und zu jeder Zeit mit einem Shitstorm in den Sozialen Medien rechnen: "Die Festlegung auf eine Aussage, eine Person mit einer Aussage auch regelrecht zu stigmatisieren, verhindert eine Doppeldeutigkeit, also sprich: den Umgang mit Ironie", sagt Zybok.
Welche Reaktionen bekäme der Künstler Werner Büttner auf Facebook, Tiktok oder Instagram, würde er heute seine legendäre Collage aus dem Jahr 1993 veröffentlichen? Das Bild zeigt eine Frau mit einem Buch. Davor die Aufschrift: "Meine Frau liest! Und deine?" "Da würden heute, glaub ich, alle Leute durchdrehen!", ist sich Zybok sicher.
Ironisch kontern: Eine Alternative zur allgemeinen Empörung
Ein frauenfeindliches Werk? Oder einfach nur eine Parodie auf die Dummheit männlicher Sprüche? Wie effektvoll und hintersinnig man auf plumpen Chauvinismus reagieren kann, hat die Künstlerin Rosemarie Trockel gezeigt, berichtet Zybok: "Und zwar hat Martin Kippenberger mal zu Rosemarie Trockel gesagt, sie haben über Kunst gesprochen: 'Ach Rosi, geh doch stricken!' Und daraufhin hat sie angefangen, diese Strickbilder zu machen." Diese "Strickbilder" reihen Symbole wie das Playboy-Häschen maschinell aneinander und brachten Rosemarie Trockel den internationalen Durchbruch. Das sei die Umkehrung eines Humors gewesen, "der sie, glaube ich, schon verletzt hat, den sie aber positiv umgewandelt hat", sagt Zybok.
Ironisch kontern: In Zukunft vielleicht eine Alternative zur allgemeinen Empörung im Netz. Vorerst bleiben die Gelegenheiten, über Kunst so richtig hemmungslos zu lachen, rar gesät. Aber es gibt sie. Oliver Zybok empfiehlt das Wilhelm-Busch Museum in Hannover: "Da gibt es fantastische historische Arbeiten - auch aus der Gegenwart - aber da sieht man einen wunderbaren Rückblick, wie auch das Bild als Waffe eingesetzt wurde. Man wird dann feststellen, dass der Humor sich so gar nicht geändert hat."