"West Side Story": Spielbergs Neuverfilmung des Musicals
Mit "West Side Story" hat Steven Spielberg erstmals einen Musicalfilm gemacht. Ariana DeBose hat dafür den Oscar als beste Nebendarstellerin erhalten - und damit eine von Nominierungen für den Film eingelöst.
Es ist die stärkste, die schönste Szene dieser Neuverfilmung. Eine Clique junger Frauen und Männer aus Puerto Rico legt eine New Yorker Kreuzung lahm. Sie tanzen auf der Straße, lassen die Beine und die Röcke fliegen, bringen den Verkehr zum Stillstand. "America" ist eine musikalische Abrechnung mit dem Land der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten, die lateinamerikanischen Einwanderern nicht zur Verfügung stehen. Die ethnischen Konflikte zwischen Puerto Ricanern und aus Europa stammenden US-Amerikanern sind das Herzstück dieses Musicals, das 1957 uraufgeführt und bereits 1961 einmal von Robert Wise verfilmt wurde.
"West Side Story": Prägendes Erlebnis für den jungen Spielberg

Immer und immer wieder hörte der damals 15-Jährige Steven Spielberg den Soundtrack der ersten Verfilmung. Die "West Side Story" wurde für den Regisseur zum prägenden Erlebnis, zum Ausdruck eines amerikanischen Lebensgefühls. Nun ist Spielberg in seine Kindheit zurückgekehrt. Seine Musical-Verfilmung ist eine nostalgische und ein wenig zu saubere Rekonstruktion der 50er-Jahre. Hier rascheln die Petticoats, sind die Haare der Jungs gegelt, gleiten breite Limousinen durch die New Yorker Straßen.
Das Amerika der Gegenwart bleibt ausgesperrt, obwohl zeitlose Themen verhandelt werden: Studiobauten fügen sich zu einer Stadt im Umbruch. Im Bildhintergrund sind Bagger und Baukräne zu sehen, die Upper West Side wird platt gemacht. Wohnraum für die unteren Schichten verschwindet.
Ethnische Konflikte am sozialen Rand
Junge weiße Amerikaner, die sich zu einer Gang namens Jets zusammengefunden haben, fühlen sich von der Gesellschaft ausgestoßen. Die Schuld suchen sie bei den Immigranten aus Puerto Rico. Auch Tony, der junge aus Polen stammende Held der "West Side Story", lebt am unteren Rand der Gesellschaft. Wegen einer Schlägerei saß er im Gefängnis. Jetzt versucht er, sich ein Leben jenseits der Gangs aufzubauen.
Noch weiß er nicht, dass er sich in Maria verlieben wird: Die junge Puerto-Ricanerin lebt in der Wohnung ihres Bruders. Ihre Sehnsüchte formuliert sie selbstbewusst. In Spielbergs Film sind die Farben satt und strahlend. Die Teints der jungen Menschen leuchten wie auf Filmplakaten der 50er-Jahre. Dabei ist das Leben hier durchaus trist und hart. Es gibt rassistische Vorurteile und Machismo. In dieser Upper West Side kann man sich - ohne es zu wissen - auf fatale Weise in den oder die Falsche verlieben.
"West Side Story": Keine Brücke zur Gegenwart
Gerade weil Steven Spielberg die 50er-Jahre so perfekt wiederauferstehen lässt, fragt man sich, weshalb er das Musical nicht ins amerikanische Hier und Jetzt übertragen hat. Denn seine Verfilmung schlägt keine Brücke zur Gegenwart. Sie hat keine neue Idee oder Vision zu dieser "Romeo-und-Julia"-Geschichte. Vielmehr tritt sie im aseptischen Raum des Kostümfilms auf sehr dekorative Weise auf der Stelle. Vielleicht sollte man einfach die Augen schließen und sich der Neueinspielung der New Yorker Philharmoniker hingeben. Und der wirklich phänomenal singenden 20-jährigen Rachel Zegler in der Rolle der Maria.
West Side Story
- Genre:
- Drama
- Produktionsjahr:
- 2021
- Produktionsland:
- USA
- Regie:
- Steven Spielberg
- Länge:
- 157 Minuten
- FSK:
- ab 12 Jahre
- Kinostart:
- 8. Dezember
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