Stand: 10.05.2022 04:00 Uhr

"Nico": Film bricht ganz bewusst mit Stereotypen

von Anna Wollner

Ein rassistischer Angriff verändert das Leben der Deutsch-Perserin Nico radikal. Eline Gehrings starker und wichtiger Film steht für Diversität in allen Belangen und bricht bewusst mit Stereotypen.

Seit einem Jahr tingelt der Film von Festival zu Festival und räumt Preise ab - auf dem Max Ophüls in Saarbrücken, beim First Step Award in Berlin, in Braunschweig, Dortmund, Cambridge, Biberach und gerade erst in Zürich. Jetzt kommt das Langfilmdebüt der Regisseurin Eline Gehring "Nico" in die Kinos.

"Sag mal hast du mich gerade geschubst? - Hast du ein Aggressionsproblem oder was? - Du hast gleich ein Aggressionsproblem. Mann, halt's Maul." Szene aus "Nico"

Es ist eine kurze Begegnung, für Nico, die sie nicht mehr loslässt. Ein rassistischer Angriff unter einer S-Bahnbrücke in Berlin. Hilflosigkeit, Schläge, die junge Frau landet im Krankenhaus.

Nicos Leben verändert sich schlagartig. Die junge Deutsch-Perserin, die ihren Beruf als Altenpflegerin geliebt hat, die das Leben in vollen Zügen genossen und umarmt hat, merkt, dass sie doch nicht so dazugehört hat, wie sie immer dachte und fängt mit Karatetraining an, um ihre Wut zu kanalisieren.

Achtjähriger Entstehungsprozess von "Nico"

Regisseurin Eline Gehring, Hauptdarstellerin Sara Fazilat und Kamerafrau Francy Fabritz haben zu dritt das Drehbuch geschrieben und eigene Erlebnisse als Person of Colour und queere Person mit eingebaut. "Die Ausgangssituation war, dass wir einfach selbstverständlich Diverses erzählen, dass uns das am Herzen lag und wie Frauen einfach abgebildet werden. Frauen sind einfach immer halb nackt oder halb tot. Das klingt so witzig und viele lachen auch, aber eigentlich ist es Tatsache. Das sieht man halt die ganze Zeit wieder im Fernsehen", sagt Sara Fazilat.

"Nico" bricht ganz bewusst mit Stereotypen

"Nico" ist anders, der Film spielt und bricht ganz bewusst mit Stereotypen. Frauen können hier alles sein. Männer auch. In einer Szene putzt ein weißer Mann im Hintergrund während sich zwei Bi-Poc-Frauen im Vordergrund unterhalten. Oft ist es in Filmen genau andersrum. Um dahin zu kommen, mussten Gehring und ihre Mitautorinnen bei sich anfangen.

"Ich als Filmemacherin habe mich während dieser ganzen Auseinandersetzung auch wieder mit meinen eigenen Schubladen konfrontiert", so Eline Gerling. "Das war nicht von vornherein, dass ich da saß und sagte: So, Leute, wir rollen jetzt mal alles von hinten auf und verändern alles. Sondern auf dem Weg dahin gab es viele Gespräche und um dann die Szenen anders zu entwickeln und andere Figuren dafür zu finden, musste ich mich auch erst mal mit meinen eigenen Klischees und Schubladen konfrontieren. Und das finde ich irre, wenn man sich erst mal eingesteht, dass da ganz viel Sozialisierung, die vorgeschrieben ist, in den eigenen Köpfen stattfindet und sich dann dafür öffnet."

Starker und wichtiger Film einer neuen Generation Filmemacher*innen.

Dabei steht "Nico" für Diversität in allen Belangen. Die Namen der Figuren sind bewusst genderneutral. Alter, Körperform, vermeintliche Herkunft, Religion und sexuelle Orientierung sind absolut vielfältig und divers besetzt. "Nico" ist nicht nur mutig, das Langfilmdebüt von Eline Gehring ist vor allem auch wütend. Eine Wut, die überspringt in diesem starken, wichtigen Film einer neuen Generation Filmemacher*innen.

 

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"Nico"

Genre:
Drama
Produktionsjahr:
2021
Produktionsland:
Deutschland
Zusatzinfo:
Mit Sara Fazilat, Sara Klimoska, Andreas Marquardt u.a.
Regie:
Eline Gehring
Länge:
79 Minuten
FSK:
ab 12 Jahre
Kinostart:
ab 12. Mai

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 11.05.2022 | 07:55 Uhr

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