In einem Kinosaal stehen rote Kinosessel und der Saal ist hell erleuchtet. © NDR Foto: Hauke Bülow

Filmverleiher in Not: Schlechte Aussichten für deutsche Filme

Stand: 09.03.2022 07:18 Uhr

Die Schließungen der Kinos durch Corona haben vor allem Filmverleiher gespürt. Sie kritisieren, dass das Filmfördersystem in Deutschland zu kompliziert und unflexibel sei. Das bedeutet: weniger deutsche Filme in den Kinos.

von Danny Marques-Marcalo

Björn Koll macht harte Zeiten durch. Er ist Geschäftsführer des kleinen Verleihers Salzgeber. Das Unternehmen gibt es noch, aber die vergangenen beiden Jahre waren schwierig. 2020 habe man noch Glück gehabt, da die Konkurrenz ihre Filme größtenteils verschoben habe, sagt er: "Man muss aber auch feststellen, dass das Jahr 2021 bei uns eine Vollkatastrophe war. Es hat überhaupt nichts funktioniert. Alles ist schief gegangen. Wir haben Filme, auf die wir gesetzt haben, versenkt - mit katastrophalen Ergebnissen. Schlimm."

Zwischen 150.000 und 200.000 Euro habe er im vergangenen Jahr verloren. Und mit den schlechten Zahlen steht er in der Branche nicht alleine da. Was viele Fachfremde nicht verstehen würden, sei, dass es viel Geld kostet, einen Film überhaupt ins Kino zu bringen, sagt Björn Hoffmann vom Verleiher Pandora, der auch im Vorstand des Interessenverbands AG Verleih ist: "An einem Filmstart arbeiten wir zwischen sechs bis acht Monate, je nachdem wie aufwendig das ist. Da fließen 500.000 bis 700.000 Euro fürs Marketing und technische Kosten rein. Wenn dann ein Start abgesagt wird, weil Lockdown ist oder in verschiedenen Regionen verschiedene Regeln gelten, ist das eine krasse Situation."

Verleiher üben Kritik an regionalen Filmförderungen

Staatliche Hilfe gab es in vielfältiger Form auch für die Verleiher. Eine wichtige Geldquelle sind seit jeher regionale Filmförderungen, zum Beispiel die MOIN Filmförderung für Hamburg Schleswig-Holstein. Deren Unterstützung kritisiert Björn Koll von Salzgeber als mangelhaft. Er hat sogar einen öffentlichen Brandbrief verfasst, in dem er die MOIN kritisiert. Er habe zwar in der Corona-Zeit Förderungen erhalten, aber deutlich geringer, als beantragt. Überhaupt würde bei den Verleihern gespart: "Es ist richtig - da wurde gestützt. Aber im gleichen Zeitraum wurde die Verleihförderung, von der wir abhängig sind, geschrumpft. 2019 waren das 1,1 Millionen Euro, 2021 gerade einmal 600.000 Euro", sagt Koll.

Das gilt für alle antragsstellenden Verleiher. Auf NDR-Nachfrage sagt die MOIN Filmförderung, dass die entscheidenden Gremien in den Corona-Jahren wohlwollender entschieden hätten. Grundsätzlich suche man immer nach Wegen, um zu helfen. So soll es statt Darlehen für Kinotouren von Filmschaffenden in Zukunft Zuschüsse geben, die nicht zurückgezahlt werden müssen. "Allerdings ist das Problem in der Verleihbranche größer, als dass wir das in der regionalen Förderung alleine lösen könnten. Entsprechend brauchen wir größere, breiter angelegte Ideen", sagt Claudia Hartmann von der MOIN.

Konsequenz der Filmverleiher: Weniger deutsche Filme in den Kinos

Zunächst sollen nun in ganz Deutschland Antragsverfahren vereinheitlicht werden. Verleiher wie Björn Koll und Björn Hoffmann fordern aber auch weniger Bürokratie. Deutsche Filme sind an bestimmte Sperrzeiten gebunden, bevor sie online oder auf DVD ausgewertet werden können. Bei internationalen Filmen ist das anders. Björn Koll will deshalb nun weniger auf deutsche Filme setzen: "Es muss auf Gesetzesebene etwas passieren. Es kann nicht sein, dass man bestraft wird, wenn man sich für deutsche Dokumentationen oder den Nachwuchs einsetzt und es dann schlechter hat, als wenn man es mit einem Film aus Chile zu tun hat."

Auch bei anderen Verleihern will man angesichts der schwierigen Corona-Jahre und der komplizierten Antragsverfahren wählerischer werden. Keine guten Aussichten für das deutsche Kino.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 09.03.2022 | 06:20 Uhr

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