Franzobel: "Die Eroberung Amerikas"
Mit "Die Eroberung Amerikas" hat der Schriftsteller Franzobel wieder einmal ein Buch mit historischem Kern geschrieben. Sein neuestes Werk dreht sich um den spanischen Eroberer Hernando de Soto.
Franzobel ist ein Vielschreiber. Seit er Mitte der 1990er-Jahre den Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb gewann, ist fast jedes Jahr ein Buch von ihm erschienen. Der Österreicher, Jahrgang 1967, hat Krimis, Theaterstücke, künstlerisch-verschraubte Prosa und Geschichten mit historischem Kern geschrieben. Sein Roman "Das Floß der Medusa", erschienen 2017, hat einen solchen historischen Kern und wurde von der Kritik - wie auch der Leserschaft - sehr positiv aufgenommen.
Hernando de Soto: Ein Held geprägt von Erfolg und Misserfolg
In seinem neuen Buch geht es um die "Eroberung Amerikas", genauer: um den erfolglosesten Eroberungsversuch, der je auf diesem Kontinent unternommen wurde. Angeführt wurde diese sich über Jahre hinziehende Expedition durch das heutige Florida von Hernando de Soto. Überlebt hat de Soto seine persönliche Odyssee nicht, dafür aber den Mississippi entdeckt.
Er ist Held und Antiheld: der spanische Eroberer Hernando oder Ferdinand de Soto. Ungefähr um 1500 herum geboren - ebenso ungefähr am Mississippi gestorben, das war 1542. Dazwischen ein Leben, das gleichermaßen von Erfolg und Misserfolg erzählt und das Franzobel gerade wegen dieser Widersprüchlichkeit fasziniert hat:
Der Autor erklärt: "An ihm kulminiert die ganze Geschichte der spanischen "Konquista". Zuerst war er in Panama, dann hat er mit Pizarro Peru erobert und hat dann dem Inka-König Atahualpa Schach und Spanisch beigebracht, hat mit Atahualpas Schwester ein Kind gezeugt, hat eigentlich sehr viele Reichtümer angehäuft, vor allem dadurch, dass er Sklaven verkauft hat. Mit diesem Reichtum ist er zurückgegangen nach Spanien, hat sich einen Palast gebaut, war eigentlich ein berühmter Mann - und ist dann trotzdem noch einmal versucht gewesen, in die neue Welt zu gehen.
"Die Eroberung Amerikas": Odyssee voller Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten
Kaiser Karl V. schickt Hernando de Soto fort, um Florida zu erobern. Die Expedition wird ein Desaster. Kein Gold, keine Schätze, dafür indigene Volksstämme, die sich mehr als abweisend zeigen, eine überbordend wuchernde Natur, Insekten, Fieber, Kämpfe, Krämpfe. Fast vier Jahre lang irren die Eroberer durch die Wildnis.
Um diese Odyssee voller Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten dem Leser und wohl auch dem Schreiber erträglich zu machen, versammelt Franzobel ein schillerndes Personal. Darunter den Schwaben Wilhelm Friedrich Erasmus Müggenpflug, genannt Gunkel, den eine vom Baum fallende Kokosnuss erwischt und der fortan faselnd im Tross mitmarschiert:
Inzwischen hatte sich Gunkel wieder aufgerappelt, klopfte auf die Kokosnuss und begann deutsche Zungenbrecher von sich zu geben.
Eine schwäbische Schwalbe schwebt beschwingt verschwenderisch ins schwulstige Schweden… Jetzt fühl ich mich ein wenig stärrig.
Dann brabbelte er etwas von lustigen Indianerstämmen, die sich ihre Gesichter rot bemalten "wie zu Fastnacht", und dass er jetzt wohl aussähe wie ein Schluck Wasser in der Kurve.
Schaffe, Schaffe Häusle baue…Beddbronzr. Kein Zweifel, der Deutsche mit der Gehirnerschütterung hatte den Verstand verloren, hinter seiner Stirn war alles im Bodensee versunken, alles Schwarzwald. Dann schüttelte er den Kopf und verlangte Falz.
Falz?
Na, das weiße Zeug, das man aufs Essen heult.
Salz?
Un poco sol por verwirr. Hanoi.
Und eine Treffermühle, sagte der Schwabe. Ich bin ein Buttermensch.
Leseprobe
Franzobel entwickelt in diesem Roman eine neue Erzählform
Bereits bei seinem Roman "das Floß der Medusa", der auch auf historischen Tatsachen beruht, hatte Franzobel eine neue Erzählform entwickelt, die er in diesem Buch verfeinert. "Normalerweise wird bei historischen Romanen der Erzähler immer in die jeweilige Zeit hineinversetzt und tut so, als ob der in dieser Zeit leben würde, das ist für mich nicht ganz schlüssig, weil dann müsste ich irgendwie auch die Sprache imitieren der jeweiligen Zeit", sagt der Autor. "Das wäre beim 16. Jahrhundert doch sehr umständlich, sehr dröge, und da finde ich es einfach für mich stimmiger, wenn der Erzähler im 21. Jahrhundert sitzt, und kann auch all diese Vergleiche machen - und sieht die Welt ein bisschen anders. Ich habe dann diese Innenperspektive, wo ich in diese Menschen hineinkriechen kann."
Zusätzlich zu dieser Franzobel'schen Besonderheit der Erzählperspektive gibt es eine kleine, aber feine Rahmenhandlung, die in der Gegenwart spielt: Ein amerikanischer Anwalt verklagt die Vereinigten Staaten auf Rückgabe des gesamten Landes, inklusive Alaska und Hawaii, an die indigene Bevölkerung.
Ein originelles Buch, das einen mit vielen Fragen über das Selbstverständnis und die Verantwortung Europas und Amerikas zurücklässt.
Die Eroberung Amerikas
- Seitenzahl:
- 544 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Zsolnay
- Bestellnummer:
- 978-3-552-07227-5
- Preis:
- 26,00 €
