Gefährliche Fakes: Wenn Schnäppchen zur Gesundheitsgefahr werden
Ob gefälschte Medikamente, Marken-Klamotten oder Luxus-Handtaschen: Produktfälschungen sind längst kein Randphänomen mehr, sondern ein weltweites Milliardengeschäft mit kriminellen Strukturen.
Deutschland zählt europaweit zu den Hauptzielmärkten für illegale und gefälschte Waren. NDR Recherchen in der Dokumentation "Billig bis tödlich - Fälschern auf der Spur" und offizielle Daten von Europol, dem Zoll und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zeigen: Hinter vielen vermeintlichen Schnäppchen stecken kriminelle Netzwerke und erhebliche Risiken für Verbraucherinnen und Verbraucher.
Gefälschte Medikamente: Lebensgefährlich statt heilend
Lifestyle-Pharmaprodukte wie die Abnehmspritze Ozempic und das Anti-Falten-Mittel Botox, aber auch lebenswichtige Medikamente gegen Krebs: Sie alle geraten immer mehr in den Fokus von Fälschern. Laut Dr. Arndt Sinn, Direktor des Zentrums für europäische und internationale Strafrechtsstudien an der Universität in Osnabrück, ist der illegale Handel mit Arzneimitteln mittlerweile so lukrativ wie der Drogenhandel, aber mit deutlich geringerem Strafrisiko.
Kriminelle verkaufen die gefälschte Ware unter anderem im Internet, zum Beispiel auf Fake-Seiten von Online-Apotheken oder über soziale Netzwerke, oft zu einem Bruchteil des regulären Preises. Das Problem: Viele dieser Mittel enthalten gar keinen Wirkstoff oder - noch gefährlicher - den falschen. In mehreren Fällen wurde statt des Wirkstoffs Semaglutid (Ozempic) Insulin nachgewiesen, mit teils lebensbedrohlichen Folgen wie Unterzuckerung oder Nierenversagen.
Europol warnt Verbraucher eindringlich vor diesen Fälschungen im Internet. Die Herstellung erfolgt oft unter hygienisch unhaltbaren Bedingungen in improvisierten Laboren. 2023 beschlagnahmte Europol im Rahmen der Operation SHIELD IV gefälschte Arzneimittel im Wert von über 64 Millionen Euro. 2024 war es ein Wert von über elf Millionen Euro, der vom Markt genommen wurde.
Gefälschte Mode: Gift auf der Haut
Auch im Bereich Textilien, Schuhe und Accessoires nimmt Produktpiraterie drastisch zu. Laut einer Analyse des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) aus 2023 zählen Kleidung, Kosmetik und Spielzeug zu den am häufigsten gefälschten Konsumgütern in Europa. Rund ein Viertel der 15- bis 24-Jährigen hat bereits bewusst eine Fälschung über das Internet gekauft.
Eine vom NDR beauftragte Laboranalyse ergab: Gefälschte Kleidung kann krebserregende Chemikalien, hormonell wirksame Stoffe und Allergene enthalten - teilweise in Konzentrationen weit über den gesetzlichen Grenzwerten. Da für Import-Plagiate keinerlei EU-Sicherheitsvorgaben gelten, gelangen diese Produkte häufig unkontrolliert auf den deutschen Markt.
Gleichzeitig werden viele dieser Produkte unter ausbeuterischen Bedingungen hergestellt, etwa in Fälscherwerkstätten in der Türkei, wo laut Recherchen Kinderarbeit dokumentiert wurde. Die Arbeitsbedingungen sind oft miserabel, die Löhne weit unter dem gesetzlichen Minimum.
Kriminelle Netzwerke und wirtschaftlicher Schaden
Der Handel mit gefälschten Produkten ist kein harmloser Kleinkriminalitätsbereich. Laut Europol wird er zunehmend von organisierten Banden gesteuert, die die Einnahmen zur Finanzierung von Geldwäsche, Betrug oder sogar Terrorismus nutzen.
Auch wirtschaftlich ist der Schaden enorm. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) beziffert den Verlust durch Produktpiraterie auf rund 50 Milliarden Euro jährlich allein für Deutschland. Dies betrifft nicht nur Umsätze, sondern auch Arbeitsplätze, Innovationskraft und Steuereinnahmen.
So schützen sich Verbraucher beim Online-Kauf
Beim Kauf von Medikamenten:
- Nur bei behördlich registrierten Online-Apotheken mit EU-Sicherheitslogo bestellen
- Vorsicht bei Shops ohne Rezeptpflicht, mit fragwürdigem Impressum oder auffällig niedrigen Preisen
- Bei Unsicherheit immer Rücksprache mit Arzt oder Apotheker halten
Beim Kauf von Mode und Luxuswaren:
- Skepsis bei extrem günstigen Preisen oder Markenware auf Social Media
- Keine Bestellung über Kanäle ohne Impressum, Rückgaberecht oder sichere Bezahlmethoden
- Vorsicht beim Import aus Nicht-EU-Ländern: Es können Einfuhrabgaben und Zollkosten anfallen.
