Ein LNG-Schiff liegt an einer Kaimauer © NDR

LNG-Terminal in Brunsbüttel: Land und Bund wollen Tempo machen

Stand: 20.04.2022 15:28 Uhr

Mit schwimmenden Flüssigerdgas-Terminals will Deutschland unter anderem in Brunsbüttel schnell unabhängiger von russischem Erdgas werden. Bund und Land wollen die Genehmigungsverfahren nun stark beschleunigen.

von Oliver Kring

Insgesamt braucht Deutschland nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums rund 90 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Rund die Hälfte davon kommt aus Russland. Ein Terminal an Land kann bis zu 12 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus dem Flüssiggas (LNG - steht für "Liquified Natural Gas") umwandeln. Ein schwimmendes Terminal schafft gut fünf Milliarden Kubikmeter. Alle geplanten Terminals zusammen - also insgesamt zwei feste und drei schwimmende Terminals in Brunsbüttel, Stade und Wilhelmshaven - könnten nach Angaben von Frank Schnabel, dem Geschäftsführer der Brunsbüttel Ports, in etwa die Menge verarbeiten, die derzeit aus Russland an Erdgas importiert wird.

LNG-Terminal in Brunsbüttel Ende 2024 startklar

"Dafür muss aber vieles ganz schnell, ganz unbürokratisch funktionieren", sagt Schnabel. Unter anderem in Brunsbüttel soll so schnell wie möglich ein LNG-Terminal entstehen. Dort kann per Schiff flüssiges Erdgas angeliefert und von dort entweder im flüssigen Zustand per Tank-Lkw, Tank-Waggon oder nach entsprechender Aufwärmung in gasförmigem Zustand per Pipeline weitertransportiert werden. LNG ist Erdgas, das auf minus 161 bis minus 164 Grad Celsius heruntergekühlt wird. Dann ist es flüssig - so lassen sich große Mengen vor allem per Schiff transportieren. Erwärmt man es, wird es wieder gasförmig. Wenn sich wirklich alle Beteiligten in ihren Zuständigkeiten verständigen, dann könnte Deutschland zum Teil im kommenden Winter und später komplett unabhängig von russischem Gas werden, rechnet Arndt Heilmann, der Projektleiter bei Gasunie Deutschland, einem der nach eigenen Angaben größten Transportnetzbetreiber in Europa, vor. In Brunsbüttel könnte das Terminal laut Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) in zweieinhalb Jahren in Betrieb gehen - also Ende 2024.

Mehrere Genehmigungsbehörden beteiligt

Der schleswig-holsteinische Umweltstaatssekretär Tobias Goldschmidt (Grüne) ist überzeugt: "Dann könnte unter anderem mit dem Standort Brunsbüttel ein wesentlicher Beitrag zur Gas-Unabhängigkeit geleistet werden." Dazu seien Bund, Land und Genehmigungsbehörden, Investoren und Antragsteller gleichermaßen gefordert, sagte Wirtschaftsminister Buchholz NDR Schleswig-Holstein. Und Umweltstaatssekretär Goldschmidt bestätigt das. In seinem Haus befindet sich eine von mehreren Genehmigungsbehörden: "Es müssen der Hafen, die technische Anlage sowie die Anbindungsleitung genehmigt werden", so Goldschmidt. Mit der Anbindungsleitung ist eine Pipeline vom Hafen ans Erdgasnetz gemeint.

Alles schneller durch Vorfahrt bei der Gesetzgebung?

Außerdem plant die Landesregierung Gesetzesänderungen, um ein LNG-Terminal so schnell wie möglich Wirklichkeit werden zu lassen. So soll das Wassergesetz geändert werden und der Bund müsste das Emissionsrecht erneuern. Außerdem müsste gesetzlich festgelegt werden, dass die Gasversorgung von überwiegend öffentlichem Interesse ist. Dann könnte das Gesetzesverfahren gestrafft werden. Klagen gegen die Vorhaben können dann nur in einer Instanz - vor einem Verfassungsgericht eingereicht werden. Umwelt-, Natur- und Klimaschützer sind empört: Der Ukraine-Krieg dürfe nicht als Argument gegen Klimaschutz benutzt werden, sagte etwa Norbert Pralow vom BUND Schleswig-Holstein. Der Trick, solche Vorhaben per Gesetz abzusichern, könne in Deutschland funktionieren, sagt Verfassungsrechtler Professor Florian Becker von der Uni Kiel. "Ob das allerdings auch dem europäischen Recht entspricht, muss wohl noch geklärt werden."

Das sehen Umweltverbände wie der BUND extrem kritisch: Der Bund habe sich nicht hinreichend mit dem Thema Energieeffizienz befasst. "Würde die Bundesregierung die 2,5 Milliarden Euro als Fördermittel für Sanierungen alter Gebäude oder Solaranlagen für Privathaushalte einsetzen, bräuchte man solche Terminals vielleicht gar nicht!" Das bemängelt Norbert Pralow vom BUND Schleswig-Holstein. So schwimme das viele Geld einfach weg - ohne dass man Einsparpotentiale überhaupt sehen wolle.

60 Kilometer Pipeline ab Brunsbüttel nötig

Neben den 2,5 Milliarden Euro für schwimmende LNG-Terminals beteiligt sich der Bund auch an einem Projekt für die LNG-Terminals an Land: mit 500 Millionen Euro. An dem Projekt sind Gasunie Niederlande und Gasunie Deutschland, die Betreiber von Erdgastransportnetzen, beteiligt, außerdem die RWE AG. Denn neben den Terminals selbst muss auch noch weitere Infrastruktur geschaffen werden: Über 60 Kilometer muss zum Beispiel eine Pipeline verlegt werden, um das Gas vom Terminal in Brunsbüttel in das deutsche Erdgasnetz einzuspeisen. "Das könne 150 bis 200 Millionen Euro kosten", sagt Arndt Heilmann, Projektleiter bei Gasunie. Wie teuer das Ganze tatsächlich wird, hänge stark von den Materialkosten ab, insbesondere vom Stahlpreis, der sich binnen Jahresfrist um 400 Prozent erhöht habe. Und auch das: Die Bahn muss das Gleisnetz in Brunsbüttel ausbauen. Die Forderung: Eine Elektrifizierung der Strecke ans Netz nach Itzehoe.

Weitere Informationen
Schiffe werden be- und entladen am Hafen von Brunsbüttel. Die unmittelbare Nachbarschaft ist als Standort für ein neues LNG-Terminal. © picture alliance | dpa Foto: Frank Molter

Brunsbüttel: Bund gibt zweieinhalb Milliarden Euro für LNG-Terminals

Unter anderem über Brunsbüttel soll Flüssiggas direkt nach Deutschland geliefert werden - teilweise schon ab kommendem Winter. mehr

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 20.04.2022 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Gas

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Ausgestopfte Pfuhlschnepfe stehen auf einem inszenierten Strand im Multimar Wattforum in Tönning. © NDR Foto: Pauline Reinhardt

Klimawandel im Wattenmeer: Folgen für Dorsch und Pfuhlschnepfe

Die Nordsee wird immer wärmer, dadurch verändert sich die Entwicklung der Tiere. Auch die Flächen im Wattenmeer sind in Gefahr. mehr

Videos