Der angeklagte Windkraftunternehmer Hendrik Holt steht in Handschellen im Amtsgericht Meppen. © dpa-Bildfunk Foto: Friso Gentsch

Windpark-Prozess: Verteidiger werfen Konzernen Mitschuld vor

Stand: 28.04.2022 14:56 Uhr

Im Prozess um erfundene Windkraftprojekte wirft die Staatsanwaltschaft vier der fünf Angeklagten vor, keine Reue zu zeigen. Die Verteidigung sieht das anders.

Präzise und sachlich habe der Hauptangeklagte Hendrik Holt seine Taten vor dem Landgericht Osnabrück geschildert und sich allen Fragen gestellt, sagten seine Anwälte am Donnerstag. Damit habe er Verantwortung übernommen und auch Reue gezeigt. Eine Entschuldigung an die drei internationalen Energiekonzerne hätte gekünstelt und wenig glaubhaft gewirkt. Und diese tragen aus Sicht der Verteidiger auch einen Teil der Schuld: Denn die von den Konzernen beauftragten Großkanzleien hätten die teils schlecht gemachten Täuschungen erkennen können, sie hätten aber nicht gewissenhaft geprüft. Das habe den Betrug sehr leicht gemacht. Maximal sieben Jahre Haft seien daher angemessen - ein Jahr und fünf Monate weniger als von der Staatsanwaltschaft gefordert.

U-Haft laut Anwalt unverhältnismäßig

Ausführlich schilderte der Anwalt von Holt auch die Untersuchungshaft seines Mandanten, die dieser in Isolation verbringen musste. Das sei unverhältnismäßig und psychisch sehr belastend gewesen, was sich auch auf das Urteil auswirken müsse, so der Anwalt.

Staatsanwaltschaft fordert Haftstrafen für Mitangeklagte

Neben Holt auf der Anklagebank sitzt dessen ehemaliger Geschäftspartner. Auch dessen Verteidiger halten maximal sieben Jahre Haft für angemessen. Der Staatsanwalt hatte für den Geschäftspartner acht Jahre Haft gefordert. Mitangeklagt sind auch der Bruder, die Schwester und die Mutter des Hauptangeklagten Holt. Auch für sie wurden Haftstrafen beantragt - von mehr als drei beziehungsweise fast vier Jahren. Der Vorwurf lautet auf banden- und gewerbsmäßigen Betrug.

Staatsanwaltschaft: "Berufskriminelle"

Staatsanwalt Nils Leimbrock bezeichnete die Angeklagten in seinem mehrstündigen Schlussvortrag am Dienstag als "Berufskriminelle", die einen ausschweifenden Lebensstil gepflegt hätten. Der Betrugsfall sei außergewöhnlich, weil im Unterschied zu anderen Verfahren die Angeklagten nur "Luft" verkauft hätten. Das Ganze habe Potenzial, verfilmt zu werden, so Leimbrock. Zugute gehalten werde den Angeklagten, dass sie gestanden hätten. Allerdings hätten sie bis auf den Bruder des Hauptangeklagten keine Reue gezeigt, so der Staatsanwalt.

Urkundenfälschungen von "grauenhafter Qualität"

Die Angeklagten sollen mit ihren Windkraft-Planungsunternehmen internationale Energieunternehmen mit erfundenen Projekten um rund zehn Millionen Euro betrogen haben. Alle Dokumente seien von den Tätern gefälscht worden - teils in "grauenhafter Qualität", was den betrogenen Unternehmen hätte auffallen können, so der Staatsanwalt. "Die wahre Heldin des Verfahrens" sei eine Sachbearbeiterin der Gemeinde Barßel im Landkreis Cloppenburg gewesen, so Leimbrock. Die Frau hatte Verdacht geschöpft und Strafanzeige wegen Urkundenfälschung gestellt. Dadurch waren die Ermittlungen 2019 ins Rollen gekommen.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Regional Osnabrück | 28.04.2022 | 15:00 Uhr

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