Wie gefährlich ist die Produktion von Brennelementen in Lingen?

Stand: 16.04.2023 00:01 Uhr

Das Risiko für einen GAU ist mit der Stilllegung des AKW Emsland in Lingen gesunken. Und damit auch die Gefahr einer radioaktiven Verseuchung ganzer Landstriche - oder?

von Marc Wichert

Lingen ist Kernkraftstandort, seit Langem. Zwei Atomkraftwerke wurden hier betrieben. Das ältere AKW Lingen befindet sich bereits im Rückbau, das jüngere AKW Emsland wurde am Samstag stillgelegt und wird ebenfalls zurückgebaut. In einer Fabrik gleich nebenan werden aber seit 1979 und auch weiterhin Brennelemente gefertigt, also zentrale Komponenten eines AKW. Welche Gefahr geht davon aus?

Uran ist radioaktiv - aber vor allem sehr giftig

Wer wissen will, wie risikoreich es ist, aus Uranhexafluorid Brennelemente für den Einsatz in Atomkraftwerken herzustellen, findet auf der entsprechenden Seite des niedersächsischen Umweltministeriums unter dem Punkt "Sicherheit und Umweltschutz" zunächst Begriffe wie Kritikalitätssicherheit, Störfallvorsorge und Kontaminationskontrollen - und denkt dann unweigerlich doch an Tschernobyl und Fukushima. Von angereichertem Uranhexafluorid ist die Rede, das in komplizierten Prozessen chemisch weiterverarbeitet wird und als Uranoxid am Ende in Brennelementen landet. Uran aber ist radioaktiv und damit potenziell gefährlich für Mensch und Umwelt. Vor allem aber ist es auch sehr giftig.

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Brennelementefabrik unterscheidet sich grundlegend von einem AKW

Doch das niedersächsische Umweltministerium betont: Es gebe flächendeckende Überwachung und regelmäßige Kontrollen. Auch das Bundesministerium für nukleare Sicherheit schreibt, dass sich die Anlage in Lingen grundlegend von Kernkraftwerken unterscheide. Hier werde lediglich mit schwach radioaktivem, abgereichertem und schwach angereichertem Uran umgegangen. Kernspaltungen laufen in diesen Anlagen - im Unterschied zu Atomkraftwerken - nicht ab. Und zumindest im Vergleich mit dem Risiko, das vom Betrieb eines Atomkraftwerks ausgeht, ist die Gefahr sehr viel niedriger, sagt auch Armin Simon von der Anti-Atom-Organisation "ausgestrahlt" dem NDR Niedersachsen. Ereignisse wie eine Kernschmelze seien nicht möglich, damit besteht auch keine Gefahr einer überregionalen radioaktiven Verseuchung großer Gebiete. Aber natürlich sei der Umgang mit Uran und vor allem mit dem gasförmigen Uranhexafluorid mit - wenn auch geringen - Risiken verbunden.

ANF: Störungen können nie ausgeschlossen werden

Auch der Betreiber, die Advanced Nuclear Fuels GmbH (ANF), verweist auf die hohen Sicherheitsanforderungen an die Fabrik. Der Rohstoff Uranhexafluorid etwa werde in speziellen Behältern in einer separaten Lagerhalle aufbewahrt. Und radioaktive Abfälle können nicht einfach entsorgt werden, sondern müssen bis zur Endlagerung speziell gelagert werden. Doch: "Störungen, Unfälle oder Transportschäden, die zu Belästigungen oder Gefährdungen außerhalb unserer Werke führen", heißt es in einem Informationsblatt des Unternehmens für die Öffentlichkeit in Lingen, "lassen sich nie völlig ausschließen."

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Hallo Niedersachsen | 15.04.2023 | 19:30 Uhr

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