Das Bild zeigt die Ausstellung "Hölle im Moor" im Archiv der Gedenkstätte in Esterwegen. © NDR Foto: Hedwig Ahrens

Grafschaft Bentheim will NS-Vergangenheit stärker aufarbeiten

Stand: 09.05.2022 17:34 Uhr

77 Jahre nach Kriegsende will die Graftschaft Bentheim jetzt die eigene NS-Vergangenheit stärker aufarbeiten. Dazu will sie mit der Gedenkstätte Esterwegen kooperieren.

Während der NS-Zeit lagen in der heutigen Grafschaft Bentheim drei der insgesamt 15 Konzentrations-, Straf- und Kriegsgefangenenlager der Region Emsland - die anderen im heutigen Landkreis Emsland. Hier wurden Tausende Menschen gefangen gehalten. Darunter waren auch zahlreiche "politische Gefangene" wie der Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky. Die Schicksale der Menschen stehen im Mittelpunkt der Aufarbeitung: "Wir haben derzeit 19.000 Biografien erfasst, die tatsächlich hier im Emsland und in der Grafschaft Bentheim verstorben sind", sagt der Co-Leiter der Gedenkstätte Esterwegen Martin Koers.

Zum Arbeiten in den Bergbau, zum Sterben ins Emsland

Ein Beispiel: Der Kriegsgefangene Piotre Bojko aus der Ukraine: Er kam als 22-Jähriger ins Lager Dalum. Nach Zwangsarbeit in den Bergwerken im Ruhrgebiet starb der Ukrainer im Lager Wietmarschen. Das sei ein typischer Weg gewesen, sagt Koers: "Viele Kriegsgefangene kamen geschwächt in den Lagern hier an, verstarben hier sehr schnell." Die Überlebenden seien ins Ruhrgebiet gekommen, dort im Bergbau ausgebeutet worden. "Solange, bis nichts mehr ging", sagt Koers. Dann ging es wieder ins Emsland. Allein in Wietmarschen starben mehr als 3.000 sowjetische Kriegsgefangene, ebenso im Lager Alexisdorf.

Das Konzentrationslager Esterwegen



1933 richteten die Nationalsozialisten in Esterwegen ein Konzentrationslager ein und inhaftierten dort politische Gegner, darunter bekannte Persönlichkeiten wie den Pazifisten Carl von Ossietzky und den SPD-Politiker Julius Leber. Bis 1936 unterstand das KZ direkt Reichsführer-SS Heinrich Himmler, danach wurde es nach Sachsenhausen verlegt. Im Januar 1937 übernahm die Preußische Justizverwaltung das Lager und inhaftierte dort unter anderem deutsche Soldaten und Widerstandskämpfer aus ganz Europa. Im April 1945 befreiten alliierte Truppen die Gefangenen. Nach dem Krieg nutzten die Briten die Anlage als Internierungslager, später wurden dort Flüchtlinge aus Ostdeutschland untergebracht. Bis 2001 unterhielt die Bundeswehr in Esterwegen ein Depot.

Online-Datenbank zu Opfer-Schicksalen

Der Kooperationsvertrag zwischen der Grafschaft Bentheim und der Gedenkstätte Esterwegen soll nun die Basis für gemeinsame Projekte sein. Dicht an der Grafschaft Bentheim in Dalum soll ein weiterer Erinnerungsort eingerichtet werden. Dazu ist eine Online-Datenbank zu den vielen Opfer-Schicksalen geplant.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Regional Osnabrück | 09.05.2022 | 15:00 Uhr

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NS-Zeit

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