Tobias-Gemeinschaft: Den letzten Weg in Würde gehen
Sie haben keine Familie, und sie lebten unter ärmlichen Umständen. "Wenn vereinsamte und verarmte Menschen sterben, dann verschwinden sie häufig sang- und klanglos", sagt Matthias Schmeling von der Johanniter-Hilfsgemeinschaft Lüneburg im Gespräch mit NDR 1 Niedersachsen. Mittellose Menschen ohne Angehörige werden meistens in Urnen anonym auf einem Grabfeld beigesetzt. "Wir wollen diese Menschen würdevoll bestatten und ihnen einen christlichen Abschied ermöglichen", sagt Pastorin Kerstin Herrschaft vom evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Lüneburg. Zusammen mit der katholischen Kirche, den Freikirchen, der Johanniter-Hilfsgemeinschaft und dem Lebensraum Diakonie hat der Kirchenkreis in Lüneburg die Tobias-Gemeinschaft gegründet. Der Verein finanziert sich durch Spenden, die Mitgliedschaft ist kostenlos. Der Namensgeber Tobias gilt als Patron der Totengräber.
Trauerfeier für Menschen ohne Angehörige
Eine würdevolle Bestattung für alle - diesem Ziel hat sich die Lüneburger Tobias-Gemeinschaft verschrieben. Die Mitglieder beerdigen Menschen, die keine Angehörigen mehr haben.
Der Name steht für die Lebensgeschichte
Am Sonnabend fand auf dem Waldfriedhof in Lüneburg die erste Beisetzung dieser Art statt. Viermal im Jahr wird die Tobias-Gemeinschaft künftig mittellose Menschen bestatten. Zu der würdevollen Beisetzung gehöre auch, die Namen der Toten in einer Todesanzeige in der lokalen Zeitung zu veröffentlichen, sagt Pastorin Kerstin Herrschaft: "Der Name gehört zur Person und hinter jedem Namen steht eine Lebensgeschichte mit Höhen und Tiefen." Dabei sei es völlig egal, ob die Menschen eine gute oder schlechte Biografie hatten, welchem Glauben sie angehörten und ob sie überhaupt an einen Gott glaubten.
Die letzte Ehre für Vereinsamte und Verarmte
Zur ersten Trauerfeier der Tobias-Gemeinschaft sind viele Gäste gekommen. Einige von ihnen kannten die Verstorbenen gar nicht. Andere wiederum waren mit ihnen befreundet und erfuhren erst durch die Todesanzeige von dem Tod. Zwei Frauen - 71 und 82 Jahre alt - und drei Männer, 41, 46 und 70 Jahre alt, wurden an diesem Wochenende in Lüneburg von der Tobias-Gemeinschaft beigesetzt. Über ihre Lebensgeschichte weiß Pastorin Herrschaft, die den Trauergottesdienst leitet, nicht viel oder sogar gar nichts. Die Urnen der Toten stehen nebeneinander in der Kapelle. Vor jeder Urne eine Kerze, es ist feierlich geschmückt. Die Namen der Toten werden verlesen, es wird gebetet und gesungen. Anschließend werden die Toten in einem Urnengrab gemeinsam bestattet und bekommen die letzte Ehre.
35 anonyme Bestattungen allein in Lüneburg
Menschen, die arm und einsam sind - das sei eine steigende Tendenz, sagt Matthias Schmeling. Allein in der Stadt Lüneburg gab es im vergangenen Jahr 35 Menschen, die völlig mittellos und einsam waren und anonym bestattet wurden. Und: "Es werden immer mehr", bestätigt die Leitende Superintendentin des Kirchenkreises, Christine Schmidt. Auch wenn bei der Beisetzung viele der Trauergäste die Toten gar nicht kannten, so rollte doch die ein oder andere Träne - Tränen, die vielleicht zum ersten Mal für den ein oder anderen Toten geweint wurden, sagt Superintendentin Christine Schmid: "Auch das ist ein Stück Würde, dass Menschen um einen weinen."
