Ein Porträtbild zeigt Altkanzler Gerhard Schröder. © picture alliance/dpa Foto: Kay Nietfeld

Weil: "Schröder ist mit seiner Haltung komplett isoliert"

Stand: 25.04.2022 18:02 Uhr

Nach einem "New York Times"-Interview erntet Altkanzler Schröder erneut viel Kritik für seine Haltung zum Ukraine-Krieg - die bezeichnete Niedersachsens Ministerpräsident Weil als "sehr enttäuschend".

Er hätte sich gewünscht, dass nach zwei Monaten Krieg in der Ukraine auch Gerhard Schröder "die richtigen Konsequenzen zieht und seine Mandate aus dem russischen Energieunternehmen zurückgibt", sagte Stephan Weil (SPD) dem NDR in Niedersachsen. In dem Interview mit der "New York Times" hatte Schröder den Krieg in der Ukraine als "Fehler" bezeichnet. Dies nannte Weil eine unzulässige Bagatellisierung. "In Wahrheit ist das ein Angriffskrieg und Tag für Tag ein neues Verbrechen, das stattfindet", so Weil. Mit seiner Haltung sei Schröder in der deutschen Öffentlichkeit - und auch in der SPD - "komplett isoliert".

14 Anträge auf Parteiausschlussverfahren eingegangen

Derzeit werde ein Parteiausschluss des Altkanzlers ordnungsgemäß geprüft, sagte Weil. Bis Sonntag sind bereits 14 Anträge regionaler SPD-Vereine für ein Parteiausschlussverfahren gegen Schröder beim zuständigen SPD-Bezirk Hannover eingegangen. Darunter waren SPD-Ortsvereine und Kreisverbände aus mehreren Bundesländern, neben Niedersachsen auch Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Für die Verfahren ist den Angaben zufolge eine Schiedskommission zuständig, in der Region, in der das entsprechende Parteimitglied gemeldet ist. Wann mit einer Entscheidung zu einem möglichen Parteiausschluss gerechnet werden kann, teilte der SPD-Bezirk Hannover nicht mit.

Ahmetovic rät Schröder zu freiwilligem Rückzug

Der Bundestagsabgeordnete Adis Ahmetovic legte Schröder am Montag einen freiwilligen Parteiaustritt nahe. "Sollte Gerhard Schröder sich entscheiden, selbständig aus der Partei auszutreten, weil er sich für die russischen Staatskonzerne und deren Funktionen entscheidet, würde ich ihn nicht davon abhalten", sagte Ahmetovic gegenüber dem NDR in Niedersachsen. Der 28 Jahre alte Vorsitzende der SPD Hannover sagte, Schröders Aktivitäten seien nicht zu vereinbaren mit der Haltung der Partei. Wenn Schröder spreche, spreche er für sich selbst. "Seine Meinung repräsentiert nicht die Meinung der Mehrheit der Parteimitglieder - ich bin mir auch ziemlich sicher, nicht die Meinung der Bundesregierung und der Bundesrepublik." Jörg Purschke, Sprecher des SPD-Ortsvereins Hannover Oststadt-Zoo, ist ebenfalls für einen freiwilligen Austritt des Altkanzlers. Purschke sagte gegenüber dem NDR über Schröder: "Er steht für völlig falsche Werte." Die Sozialdemokratie stehe für Freiheit. Er frage sich, ob Schröder sich "restlos an Putin verkauft" hat.

Stimmen von der SPD-Basis in Niedersachsen

Auch an der Basis rumort es. "Gerhard Schröder sollte aus der Partei austreten, er vertritt nicht mehr die Ideale der SPD", sagte etwa Joachim Atzert, SPD-Fraktionsvorsitzender in Hann. Münden und Göttinger Kreistagsabgeordneter dem NDR in Niedersachsen. Der Emder Alt-Oberbürgermeister Alwin Brinkmann (SPD) erkennt Schröder eigenen Angaben zufolge nicht wieder. "Es ist eine Schande, weil es auch der Sozialdemokratie nicht entspricht", sagte Brinkmann, der 25 Jahre im Amt war. Der ehemalige Oldenburger Oberbürgermeister und langjährige Landtagspräsident Horst Milde hält dagegen nichts von einem Parteiaustritt Schröders aus der SPD. Milde hofft, dass Schröder im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine noch etwas für eine friedliche Lösung bewirken könne.

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Gerhard Schröder (SPD), ehemaliger Bundeskanzler. © dpa Foto: Kay Nietfeld

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In einem Interview mit der "New York Times" sagt der Altkanzler jedoch, dass er nicht mit einem solchen Szenario rechne. (23.04.2022) mehr

Klitschko fordert Sanktionen gegen Schröder

Der CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, bezeichnete das Schröder-Interview in der "New York Times" bei "Bild TV" als "ziemlich verstörend". Er forderte die SPD dazu auf, ein Parteiausschlussverfahren gegen Schröder einzuleiten. Vitali Klitschko, Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kiew, forderte Sanktionen des Westens gegen Schröder - zum Beispiel, dass dessen Konten eingefroren und er etwa für die USA auf eine Flugverbotsliste gesetzt wird. Das sagte Klitschko der "Bild". Angesichts Schröders Propaganda sei es unverständlich, warum er in Hannover wohne und nicht in Moskau. Schröder sei Teil des Putin-Systems und damit mitverantwortlich für die Gräueltaten in der Ukraine, so Klitschko.

Sitzt Schröder bald auch im Aufsichtsrat von Gazprom?

Schröder ist Aufsichtsratschef beim staatlichen russischen Energieriesen Rosneft. In dem Interview der "New York Times" sagte Schröder, er könne sich einen Rücktritt von seinen Posten nur dann vorstellen, wenn der russische Präsident Wladimir Putin Deutschland und der EU das Gas abdrehen sollte. Zuletzt war Schröder auch für die Pipeline-Gesellschaften Nord Stream und Nord Stream 2 tätig. Auch der russische Energieriese Gazprom hat Schröder Anfang Februar - kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine - für einen Aufsichtsratsposten nominiert. Die Hauptversammlung ist für den 30. Juni geplant.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 25.04.2022 | 19:00 Uhr

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SPD

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