Ferkelkastration: Ärzte gegen Betäubung durch Bauern
In der Diskussion um den Einsatz von Narkosemitteln bei der Ferkelkastration äußern Tierärzte Vorbehalte. Karl-Heinz Waldmann, Professor an der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo), geht es dabei insbesondere um einen Plan der Bundesregierung, bei dem die Betäubung künftig von den Landwirten übernommen werden könnte - und nicht mehr, wie bisher, vom Tierarzt. Konkret geht es dabei um die Isofluran-Methode: Die Durchführung dieser Narkose durch "tierärztliche Laien" sei "kritisch zu beurteilen", teilte Waldmann im Namen der Bundestierärztekammer mit. Der Vorgang der Narkose sei sehr anspruchsvoll, es könne zu Nebenwirkungen und Zwischenfällen bis zum Tod des Ferkels kommen, sagte Waldmann. Außerdem sei die Betäubung mit den derzeit verfügbaren Geräten häufig unzureichend.
Bundesregierung plant Zulassung von Isofluran
Die Vollnarkose mit dem Wirkstoff Isofluran gilt als eine mögliche Alternative zur betäubungslosen Ferkelkastration. Es ist ein Narkosemittel, das derzeit noch keine reguläre Zulassung in Deutschland hat. Per Ausnahmegenehmigungen wird es allerdings unter anderem in der Biolandwirtschaft eingesetzt, muss aber von Tierärzten verabreicht werden. Die Bundesregierung will das nun ändern: Der Wirkstoff soll regulär zugelassen werden. Zudem sieht der Plan vor, dass Landwirten erlaubt wird, nach einer entsprechenden Schulung ihre Ferkel selber zu betäuben. Hintergrund für den geplanten Verzicht auf den Tierarzt bei der Kastration sind die deutlich höheren Kosten, die dem Ferkelerzeuger durch den Einsatz von Veterinären entstehen.
Bundestierärztekammer verweist auf Alternativen
Tierschützer beziehen bei der Isofluran-Betäubung unterschiedliche Positionen: Der Deutsche Tierschutzbund kann sich die Anwendung unter Einschränkungen generell vorstellen. Voraussetzung sei allerdings, dass die Landwirte fachgerecht geschult, regelmäßig kontrolliert, die Betäubungsgeräte regelmäßig gewartet werden und den Tieren noch ein Schmerzmittel verabreicht wird, wie eine Sprecherin sagte. Der Verein ProVieh lehnt dagegen die Kastration komplett ab. "Ein chirurgischer Eingriff bleibt ein chirurgischer Eingriff", sagte ProVieh-Expertin Angela Dinter. Stattdessen fordert sie, auf Alternativen wie die Ebermast ohne Kastration oder die Impfung gegen den Ebergeruch zu setzen. Auch TiHo-Professor Waldmann würde diese Methoden bevorzugen. Gerade gegen die Impfung gegen Ebergeruch gebe es aus Sicht der Bundestierärztekammer keine wissenschaftlich begründbaren Argumente, sagte Waldmann. "Die Fleischbranche und der Lebensmitteleinzelhandel müssen es nur wollen."
Agrarministerin Otte-Kinast begrüßt Aufschub
Die betäubungslose Ferkelkastration ist seit Jahren umstritten. Eigentlich sollte die in Deutschland gängige Methode ab dem 1. Januar 2019 verboten werden. Die schwarz-rote Regierungskoalition in Berlin hat sich vor wenigen Wochen allerdings auf einen Gesetzesentwurf verständigt, mit dem die Übergangsfrist bis Ende 2020 verlängert werden soll. Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU), die sich zuvor für den Aufschub eingesetzt hatte, lobte die Entscheidung als "gut und richtig". Tierschutzorganisationen und die Grünen kritisierten dagegen die geplante Verlängerung.
