Eine Gegnerin der Corona-Maßnahmen trägt bei einer Demonstration einen gelben Davidstern mit der Aufschrift "ungeimpft". © monitorex

Ermittlungen wegen antisemitischer Symbole auf "Corona-Demos"

Stand: 24.03.2022 15:28 Uhr

Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt wegen antisemitischer Symbole auf "Corona-Demonstrationen". Die Vorfälle waren schon 2020, gerieten aber erst durch hartnäckige Nachfragen der Grünen in den Fokus.

von Angelika Henkel

Es ist ein bemerkenswerter Vorgang: Zwei Parlamentarierinnen der Grünen wollten wissen, wie viele Ermittlungsverfahren es wegen des Zeigens von Symbolen gibt, die den Holocaust verharmlosen. Konkret ging es ihnen um die landesweiten Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen. Keine, lautete die Antwort des Justizministeriums Anfang Februar. Eine Antwort, die die Politikerinnen verwunderte. Denn vor allem freie Fotografen hatten sehr wohl Bilder publiziert, auf denen mögliche Straftaten zu sehen waren.

Fotografen hatten Bilder veröffentlicht

In Hannover etwa wurde mindestens eine Demonstrantin fotografiert, die einen gelben Davidstern mit dem Ausdruck "ungeimpft" trug - die Aufmachung dürfte eine klare Anspielung auf den Nationalsozialismus sein, unter dem Juden und Jüdinnen gebrandmarkt wurden, bevor sie im Holocaust ermordet wurden. Bei einer Versammlung in Herzberg am Harz soll ein Plakat zu sehen gewesen sein, auf dem der SPD-Politiker Karl Lauterbach mit Adolf Hitler gleichsetzt worden sein soll. Es gibt weitere Vorfälle.

Verwunderung bei den Grünen

"Es ist uns bewusst, dass die Polizei sich derzeit einem sehr dynamischen und teils unübersichtlichen Demonstrationsgeschehen gegenübersieht", sagt Marie Kollenrott, Sprecherin für Rechtspolitik der Grünen im Landtag. "Trotzdem muss zu jeder Zeit sichergestellt sein, dass die Polizei begangenen Straftaten im Kontext dieser Demonstration adäquat begegnen kann." Das sei mit dem Erstellen von Broschüren nicht getan, man sei froh, dass jetzt gehandelt werde, so Kollenrott.

Weitere Informationen
Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU). © picture alliance/dpa Foto: Julian Stratenschulte

Havliza sieht in "Ungeimpft"-Stern Volksverhetzung

Sie warnt Gegner der Corona-Maßnahmen vor NS-Vergleichen. Ministerpräsident Weil spricht von Verhöhnung der Holocaust-Opfer. (27.01.2022) mehr

Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt jetzt

Erst eine Nachfrage mit konkreten Einzelbeispielen führte jetzt dazu, dass die Staatsanwaltschaft Hannover in zwei Fällen Ermittlungen in Gang setzt. Irritierend: In anderen Fällen stellte sich wiederum heraus, dass es entgegen der ersten Antwort bereits eine juristische Prüfung gegeben hatte, die Tatverdächtigen jedoch nicht ermittelt werden konnten.

435 Ermittlungsverfahren zu Volksverhetzung im Jahr 2021

Eine Erklärung für die Korrektur der Antwort: In der Statistik werden Straftaten nicht danach erfasst, ob sie bei Demonstrationen oder anderswo passiert sind. Das Ministerium war auf das Gedächtnis einzelner Ermittler angewiesen - oder hätte alle Fälle einzeln auswerten müssen. Im Jahr 2020 hat es in Niedersachsen 350, im Jahr 2021 dann 435 Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung gegeben.

Ministerium: "Wir haben Polizei und Justiz aufgeklärt"

Den Vorwurf, Polizei und Justiz nicht genügend über Antisemitismus und damit verbundene Straftaten aufzuklären, wies das Justizministerium in seiner parlamentarischen Antwort zurück. Die Themen seien Teil der Polizeiausbildung. Bereits im Juni 2020 seien Polizeidienststellen durch das Innenministerium für den Einsatz bei Versammlungen dahingehend sensibilisiert worden, dass das Tragen bestimmter Symbole den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen kann.

Weitere Informationen
Ein Justizbeamter steht vor einem Gerichtssaal. © picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte Foto: Julian Stratenschulte

Gerichte urteilten 1.400 Mal in beschleunigten Verfahren

Kleinkriminalität, klare Beweise: An den Amtsgerichten werden diese Prozesse oft schon am Tag nach der Tat verhandelt. (13.02.2022) mehr

Eine Tulpe liegt auf einem Stein mit der Aufshcrift 'Wir Gedenken'. © dpa-Bildfunk Foto:  Philipp Schulze/dpa

Weil: Lebendige Demokratie bester Schutz vor Antisemitismus

Vielerorts ist in Niedersachsen zum Holocaustgedenktag an die Opfer der Nazi-Verbrechen erinnert worden. (27.01.2022) mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 27.01.2022 | 12:00 Uhr

Mehr Nachrichten aus der Region

Eine Wissenschaftlerin des Landeskriminalamtes Niedersachsen arbeitet an Computerbildschirmen. © dpa Foto: Julian Stratenschulte

Internetkriminalität in Niedersachsen steigt deutlich an

Einen besonders hohen Anstieg verzeichnet die Polizei bei Angriffen auf das Online-Banking und bei Kinderpornografie. mehr

Mehr Nachrichten aus Niedersachsen