Wie abhängig ist Vorpommern von russischem Gas?
Deutschland bezieht 55 Prozent seines Erdgases aus Russland. Das soll sich so schnell wie möglich ändern. Die Stadtwerke Greifswald haben längst begonnen, sich unabhängig zu machen von fossilen Energieträgern.
Im Kundenzentrum der Greifswalder Stadtwerke klingeln die Telefone seit Beginn des Ukrainekrieges noch öfter als sonst, denn viele Kundinnen und Kunden sind voller Sorge. Geschäftsführer Thomas Prauße meint, das sei verständlich: "Wo doch ständig von der Politik die Forderung zu hören ist, wir sollen möglichst kein Gas mehr aus Russland beziehen. 55 Prozent unseres deutschen Gases bekommen wir aus Russland, da können wir nicht einfach von heute auf morgen den Hahn in Lubmin an der Nord Stream1-Anlandestation zudrehen."
Gaspreise sollen möglichst nicht weiter steigen
Prauße ist froh, dass in seinem Kundenzentrum erfahrene Kolleginnen und Kollegen zur Klärung all der Fragen beitragen können, die dort jetzt auflaufen. Carola Wernecke gehört hier seit nunmehr elf Jahren mit zum Team. Ein großer Teil der Kunden beziehe Gas, sagt sie. "Also die haben wirklich Angst, weil es ja auch kommuniziert wird, dass das Gas zu Ende geht, dass das Gas abgestellt wird. Also da haben wir schon viele ängstliche Nachfragen, die wollen dementsprechend Abschläge anpassen, haben gehört, dass alles teurer wird." Wernecke nimmt sich Zeit, redet mit den Kunden, versucht zu erklären, wie die Stadtwerke die Gaspreise stabil halten wollen. "Wir hatten ja eine Erhöhung zum Ende des letzten Jahres." Thomas Prauße bemüht sich darum, Gas möglichst zu einem guten Preis einzukaufen, was schwierig ist angesichts der Lage auf dem Weltmarkt. Er ist froh, dass in diesem Jahr die Verträge noch zu den ausgehandelten Konditionen laufen.
Sogar einen Blackout plant der Versorger ein
Im neuen Podcast Dorf Stadt Kreis - Starke Geschichten aus dem Norden erzählt Thomas Prauße im NDR-Vorpommernstudio in Greifswald darüber, wie abhängig Vorpommern aktuell von russischem Gas ist. Und er macht sich in diesen Tagen viele Gedanken, wie Moderatorin Anette Ewen erfährt. Sogar für einen möglichen Blackout, also den Moment, in dem erst mal gar nichts mehr geht, weil kein Strom und kein Gas mehr fließen, hat der Geschäftsführer der Stadtwerke Greifswald Pläne. "Wir müssen uns ganz konkret mit solch einem Szenario befassen, denn das sagen alle, die sich mit der Gasversorgung beschäftigen. Ein Tank mit einer Million Litern Öl steht auf dem Außengelände der Stadtwerke, gut gefüllt, damit im Fall der Fälle die Versorgung zumindest für einen bestimmten Zeitraum gesichert ist.
Handelspartner sollen in Rubel zahlen
Eine aktuelle Forderung Putins trägt zur Verschärfung der Situation bei. Der russische Präsident verlangt von internationalen Geschäftspartner und damit auch Deutschland, alle Zahlungen an sein Land künftig in Rubel zu tätigen. Die Umstellung solle schrittweise erfolgen, teilte das russische Präsidialamt heute mit. Die sogenannten G7, also die sieben größten Industriestaaten der Welt, zu denen auch Deutschland gehört, haben dieser Forderung eine Absage erteilt. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, dem auch Thomas Prauße mit seinen Stadtwerken angehört, forderte die Bundesregierung vor diesem Hintergrund schon seit Tagen auf, die Frühwarnstufe im nationalen Notfallplan Gas auszurufen. "Es liegen konkrete und ernst zu nehmende Hinweise vor, dass wir in eine Verschlechterung der Gasversorgungslage kommen", heißt es von dem Verband. Nun ist die Politik dieser Forderung gefolgt.
Der Weg aus der Abhängigkeit
Der Auftrag der Greifswalder Bürgerschaft an die Stadtwerke, klimaneutral zu werden, in erneuerbare Energien zu investieren, hat dem Unternehmen einen gewissen Vorlauf beschert im jetzt so akuten Ziel, unabhängig zu werden von russischem Gas. Das Unternehmen als hundertprozentige Tochter der Stadt hat bereits 2017 begonnen, die größte Solarthermieanlage Deutschlands zu planen. Zwei Jahre dauerte das Genehmigungsverfahren für die Fläche in unmittelbarer Nachbarschaft der technischen Anlagen des Unternehmens. "Viel zu lange, das muss sich ändern", fordert Prauße mit Blick auf weitere notwendige Investitionen. In diesem Sommer soll die Solarthermieanlage in Betrieb gehen und wird 1.500 Haushalte mit Fernwärme versorgen. "Der Anfang ist gemacht und wir haben weitere Pläne", erzählt Thomas Prauße im Podcast Dorf Stadt Kreis "Wie unabhängig ist Vorpommern von russischem Gas?" Auch zu finden in der ARD-Audiothek in der kostenlosen NDR MV App.
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