SPD-Abgeordnete aus MV sehen Rüstungsprogramm kritisch
Die Parteilinke in der SPD musste sich wohl erst sortieren. Drei Tage nach der Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz, die Bundeswehr mit einem 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen aufzurüsten, regt sich jetzt Widerstand - auch in der SPD-Landesgruppe im Bundestag. Der Greifswalder SPD Bundestagsabgeordnete Erik von Malottki sagt: "Nein".
Der Widerstand des 35-Jährigen gegen die neuen Milliarden für die Armee kommt nicht überraschend. Von Malottki gehört zur Initiative DL 21, dem Forum der Parteilinken. Diese wehrt sich in einem Papier gegen die Aufrüstungspläne. Von Malottki sagte, die Summe von 46 Milliarden Euro für die Bundeswehr im aktuellen Haushalt sei genug. Die Bundeswehr habe ein strukturelles Problem. Ausrüstung werde viel zu teuer beschafft, das Verfahren sei zu bürokratisch, die Auslandseinsätze würden zu viel Geld kosten. Unterm Strich sei das Sondervermögen von über 100 Milliarden Euro nicht nötig. "Aus meiner Sicht benötigen wir einfach an ganz anderen Stellen mehr finanzielle Mittel - in der Bildung, im Sozialen, in der Gesundheit."
Kassautzki: Neue Investitionen an Reformen knüpfen
Auch die SPD-Vorpommern-Bundestagsabgeordnete Anna Kassautzki äußerte sich zurückhaltend zum Rüstungsprogramm. Sie sei einverstanden damit, "dass wir die Truppe richtig ausrüsten". Es könne nicht sein, dass Soldaten sich vor einem Auslandseinsatz privat in einem Armee-Shop zusätzliches Material besorgen müssten. Nach Ansicht von Kassautzki sollten neue Investitionen aber an eine Reform der Bundeswehr und des Beschaffungswesens geknüpft werden. Ob die Summe von 100 Milliarden Euro nötig sei, müsste die Beratung im Parlament ergeben. Vielleicht gehe es mit weniger, so Kassautzki.
Junge: Wehrfähigkeit der Bundeswehr verbessern
Der Landesgruppen-Chef der Bundestags-SPD, der Abgeordnete Frank Junge aus Wismar, erklärte dagegen, Deutschland müsse dafür sorgen, dass neben den Sanktionen gegen Russland "auch die Wehrfähigkeit der Bundeswehr verbessert wird". Er sei für das Programm, angekündigte Verbesserungen der Ampel-Koalition dürften dadurch nicht gefährdet werden.
Grüne ebenfalls für Reform der Bundeswehr
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete aus Stralsund, Claudia Müller, sagte, "wegen der veränderten Sicherheitslage ist es unbestritten, dass wir dafür sorgen müssen, dass unsere Bundeswehr adäquat ausgestattet ist". Entscheidend sei aber nicht nur, "wie viel wir geben, sondern wie wir es tun". Auch Müller will eine Reform des Beschaffungswesens. Sie wolle sich erst am Ende der Beratungen entscheiden, wie sie abstimme. "Als Abgeordnete bin ich nur meinem Gewissen verpflichtet", sagte Müller.
Zustimmung für Sondervermögen aus der Landes-FDP
Zustimmung für die Pläne kommt von einem anderen Koalitionsabgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern: Der FDP-Parlamentarier Hagen Reinhold aus Barth sagte, es gehe nicht um ein Aufrüstungsprogramm, sondern um Investitionen, die Truppe vernünftig auszustatten. Es sei aus dem laufenden Haushalt nicht zu stemmen, Flugzeuge zum Fliegen und Schiffe zum Schwimmen zu bringen, so Reinhold. Das Sondervermögen sei dafür "genau der richtige Weg".
Linke gegen Grundgesetzänderung
Auch der AfD-Landesvorsitzende Leif-Erik Holm meint, "eine Ausrüstungsoffensive für die Bundeswehr ist mehr als überfällig". Es sei erschreckend, so der Bundestagsabgeordnete mit Wahlkreis in Vorpommern, dass die "Regierenden erst einen Krieg in Europa brauchen, um die völlig desolate Lage der Bundeswehr zu erkennen". Linken-Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch hat dagegen bereits den Widerstand seiner Fraktion angekündigt. Einer Grundgesetzänderung für das Sondervermögen werde man nicht zustimmen, twitterte er. Bartsch, der seinen Wahlkreis in Rostock hat, fürchtet, dass soziale Verbesserung wie der Kampf gegen die Kinderarmut zu kurz kommen.
Amthor: Pläne notwendig, aber Schuldenbremse einhalten
Beifall für die Pläne der Ampel-Koalition kommt vom CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor. Die seien richtig und notwendig. Bei dem Sondervermögen handele es sich zunächst aber um neue "Sonderschulden". Die Investitionen dürften sich aber nicht nur aus Krediten speisen, die Vorgaben der Schuldenbremse müssten eingehalten werden. "Davon werden wir unsere Zustimmung abhängig machen", so Amthor. Die Ampel-Koalition braucht für die geplante Verankerung des Sondervermögens im Grundgesetz eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Die bekommt sie nur mit der Zustimmung der Union.
