Peenemünde-Überlebender Romantschenko in Charkiv getötet
Der vor wenigen Tagen bei einem russischen Raketenangriff auf die ukrainische Großstadt Charkiv getötete Holocaust-Überlebende Boris Romantschenko war als junger Mann auch Häftling in Peenemünde. Das teilte das Historisch-Technische Museum mit.
Romantschenko kam demnach im Alter von 17 Jahren als Häftling nach Peenemünde. Wie der Kurator des Historisch-Technischen Museums (HTM), Philipp Aumann, im Kulturjournal von NDR 1 Radio MV sagte, war Romantschenko zwischen Juni und Oktober 1943 mit rund 700 weiteren Gefangenen daran beteiligt, als damals die Serienproduktion von Raketen auf Usedom begann. Das Museum ist derzeit dabei, die Dauerausstellung umfangreich neu zu gestalten. In ihr soll dann auch ausführlich an Boris Romantschenko erinnert werden, kündigte Aumann an. Die Eröffnung der neuen Ausstellung ist für 2025 geplant.
Als 16-Jähriger von der Wehrmacht verschleppt
Romantschenko wurde am 20. Januar 1926 nahe Sumy in der Ukrainischen SSR geboren. Nach dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion fingen die deutschen Besatzer 1942 den 16-jährigen Jungen ein und verschleppten ihn nach Deutschland, wo er zunächst in Dortmund Zwangsarbeit leisten musste. Wegen eines missglückten Fluchtversuchs kam er ins Konzentrationslager Buchenwald, ehe er nach Peenemünde verschleppt wurde. Dort arbeitete er laut HTM in der großen Halle des Serienwerks Peenemünde und wurden im Sockelgeschoss des Gebäudes in einem provisorischen Lager untergebracht.
Todesmarsch ins KZ Bergen-Belsen
Nachdem das Werk auf Usedom im Oktober geschlossen und eine neue unterirdische Fertigungseinrichtung im Stollen "Mittelbau" bei Nordhausen in Thüringen aufgebaut wurde, kam Romantschenko zur Zwangsarbeit in dieses Lager, bis es schließlich evakuiert wurde. Auf einem Todesmarsch gelangte er ins KZ Bergen-Belsen, wo er im Frühjahr 1945 von britischen Truppen befreit wurde. Bei Kriegsende blieb er in Deutschland und leistete Dienst in der Roten Armee. 1950 durfte er in die Ukraine zurückkehren, studierte dann an der Bergbau-Akademie in Charkiw und arbeitete als leitender Ingenieur.
Tod durch Beschuss des Wohnhauses
Der 96-Jährige, der insgesamt vier deutsche Konzentrationslager überlebte, wurde am Freitag bei einem russischen Angriff in Charkiv getötet. "Sein Tod mahnt uns: Alles uns Mögliche zu tun, um diesen grausamen Krieg zu stoppen und den Menschen in der Ukraine zu helfen", hatte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) im Zuge einer Schweigeminute im Bundestag gesagt. Nach Angaben der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora starb Romantscheno in seinem Wohnhaus, nachdem das Gebäude von einem Geschoss getroffen wurde.
