Klimastiftung: Sellering nennt Details zur Stiftungsfirma
Keine Verschwörung, keine Skandale, keine Steuerung aus Moskau: Der Vorstand der umstrittenen Stiftung Klima- und Umweltschutz MV, Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering, sieht seine Stiftung zu Unrecht am Pranger. In einer überraschenden Pressekonferenz - wieder bei seinem Lieblings-Italiener in der Schweriner Innenstadt - versuchte Sellering, in die Vorhand zu kommen.
Beim letzten Mal hatte Sellering die Rechtsprofessorin Katharina Uffmann an seiner Seite - die bestätigte ihn mit einem Gutachten in seiner Auffassung, dass die Stiftung rechtlich nicht aufgelöst werden könne. Dieses Mal stand eine "Personalie" neben ihm. Sellering lüftete ein Geheimnis, das eigentlich keines mehr war: Er präsentierte den Chef der Stiftungsfirma, die seit dem russischen Angriff auf die Ukraine abgewickelt wird.
Rätsel um Personalie gelüftet
Es ist der 46-Jährige Steffen Petersen aus Hamburg, Bauingenieur, Vater von vier Kindern. Petersen hat seit 2016 als Berater "Beschaffung" für Nord Stream gearbeitet und er stieg am 1. Februar auf Vorschlag von Nord Stream als Geschäftsführer der Stiftungsfirma ein. "Ich bin kein Däne", sagte Petersen und spielte damit auf die Berichterstattung eines Boulevard-Blatts an, dass in großer Aufmachung den angeblichen Stiftungschef vor einer Woche "enthüllt" hatte und ihn als Gazprom-Manager aus Dänemark darstellte. Die Berichterstattung erwies sich als "Ente".
Einblicke in die Arbeit des "wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs" der Stiftung
Sellering wehrt sich seit Wochen gegen eine von ihm als "einseitig" und "feindlich" empfundene Berichterstattung. Den Medien gewährte er Einblick in die Arbeit des "wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs", in dem neben Petersen noch drei weitere Mitarbeiter beschäftigt waren. Nach Sellerings Darstellung trat die Stiftungsfirma als eine Art Vertragsmakler auf. Sie hat Betriebe gesucht, die die Pipeline trotz der drohenden US-Sanktionen zu Ende bauen konnten.
Stiftung bekam Millionen-Provisionen
Das soll ungefähr so gelaufen sein: Nord Stream 2 meldete an, was getan werden musste - zum Beispiel Steinschüttung als Fundament für die Röhren. Die Stiftungsfirma hat dann passende Betriebe ausgesucht und Verträge mit ihnen abgeschlossen. Quasi als Provision bekam die Stiftung 10 Prozent der Vertragssumme von Nord Stream 2 obendrauf. Eine Summe nannte Sellering nicht - es gehe aber um Millionen.
Petersen erledigt "Abwicklung"
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine kündigte die Stiftung an, man stelle die Arbeit für Nord Stream 2 ein und werde die Firma "abwickeln". Auch diese Abwicklung erledigt Petersen. Allerdings ist die Lage auch wegen der drohenden Insolvenz von Nord Stream 2 kompliziert. Nord Stream 2 bekommt noch Geld von der Stiftung, beispielsweise wenn das Verlegeschiff - die "Blue Ship" - verkauft wird. Gleichzeitig hat die Stiftungsfirma noch Ansprüche gegen Nord Stream, weil noch nicht alle Verträge bezahlt wurden.
Kann Nord Stream noch Ansprüche gegen Stiftungsfirma geltend machen?
Sellering sagte, wenn die Stiftungsfirma ins Minus fällt, dann müsste auch auf das Stiftungskapital, das für den Klimaschutz gedacht sei, zurückgegriffen werden. Bisher aber stehe der Betrieb im Plus und man gehe davon aus, dass sich die Ansprüche von Nord Stream und die eigenen Forderungen die Waage halten würden. Zu konkreten Summe sagte Sellering nichts, es blieb auch offen, ob die Stiftung Schenkungssteuer für das Stiftungskapital zahlen muss. Nord Stream 2 überwies für den Stiftungszweck "Klima- und Umweltschutz" 20 Millionen Euro.
Geheimhaltungsklauseln: Sellering nennt keine Firmennamen
Auf Nachfrage blieb Sellering bei seiner Linie, nicht alle Einzelheiten zu nennen. Zum Beispiel werde er die Namen der beteiligten Firmen nicht bekanntgeben. Entsprechende Geheimhaltungsklauseln seien in den Verträgen verabredet - die Betriebe dürften nicht Gefahr laufen, im Nachhinein auf Sanktionslisten zu geraten. Auf der Pressekonferenz deutete der 72-jährige Sellering außerdem weiter kein Entgegenkommen bei der Frage der Stiftungsauflösung an. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wolle die Stiftung aus politischen Gründen auflösen, sagte Sellering. Er könne das rechtlich aber nicht machen.
Stiftung Thema im Landtag
In der Sache müsse es jetzt irgendwie einen Kompromiss geben. Man sei im Gespräch, es helfe aber nicht, den Konflikt weiterzudrehen. SPD und Linke machen am kommenden Dienstag Druck. Sie haben eine Sondersitzung des Landtags beantragt - und pochen darauf, dass die Stiftung sich selbst auflöst. Noch hat Landtagspräsidentin Birgit Hesse (SPD) diese Sondersitzung nicht angesetzt. Die Opposition läuft dagegen Sturm. Eine Sondersitzung sei unnötig - der Landtag komme ohnehin einen Tag später zur regulären Sitzung zusammen.
CDU: Nord Stream hatte "exklusiven Zugriff"
Nach Sellerings Pressekonferenz verstärkten die Fraktionen von CDU und FDP ihre Kritik an der Stiftung. Der Wirtschaftsbetrieb der Stiftung habe als Generalunternehmer für die ausländische Nord Stream 2 AG gewirkt, erklärte CDU-Fraktionschef Franz-Robert Liskow. Für die Union ist der Geschäftsführer Petersen ein Beleg dafür, dass Nord Stream "exklusiven und vollen Zugriff auf eine vom Land Mecklenburg-Vorpommern beherrschte Institution" erhalten habe. Es sei nicht darum gegangen, Firmen aus Mecklenburg-Vorpommern vor Sanktionen der USA zu schützen.
FDP-Fraktionschef René Domke sagte, erst auf Druck habe Sellering den Namen des Geschäftsführers bekanntgegeben. Der sei eine Schlüsselfigur "in der ganzen wirtschaftlichen Ausrichtung der Stiftung". Petersen habe offenbar höchstes Vertrauen der Nord Stream 2 AG und des Mutterkonzerns Gazprom genossen. Domke meinte, "die Nähe zum Machtzirkel um Putin wird im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtags eine der Kernfragen". Der Ausschuss soll in der nächsten Woche eingesetzt werden.
Keine Partner für weitere Projekte
Die umstrittene Klimastiftung MV hat nach einem Bericht des Magazins "Der Spiegel" Probleme, Partner für eine Fortführung ihrer Klimaschutzarbeit zu finden. Mehrere Kommunen wie die Stadt Torgelow, die Stadt Stralsund, der Kreis Rostock sowie die Landesenergie- und Klimaschutzagentur hätten kein Interesse an weiteren gemeinsamen Projekten mit der Stiftung, hieß es am Freitag.