Auf einer Tafel steht "Stiftung Klima und Umweltschutz MV". © Screenshot

Klimastiftung: Schwesig-SPD bricht mit Sellering

Stand: 19.03.2022 06:47 Uhr

Der Druck auf die landeseigene Stiftung Klima und Umwelt wächst. Die rot-rote Landesregierung drängt Stiftungs-Chef, Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD), zum Rückzug. Ein Rechtsgutachten soll helfen, die Stiftung abzuwickeln.

von Stefan Ludmann, NDR 1 Radio MV

So etwas habe man noch nicht erlebt, berichteten Teilnehmer im Anschluss. Das Spitzengespräch zwischen Landesregierung, Landtag und dem Stiftungsvorstand - geleitet von Landtagspräsidentin Birgit Hesse (SPD) - lief offenbar alles andere als harmonisch. Nach mehr als zwei Stunden war klar: Das Tuch zwischen Stiftung und Politik ist zerrissen.

Denn vor allem die Landesregierung zeigte Stiftungs-Chef Sellering auf, dass sie es ernst meint mit der Abwicklung. Der russische Krieg gegen die Ukraine hat zu einer Kehrtwende in der Russland-Politik der Landesregierung geführt. Von der bis vor einigen Wochen noch gefeierten Klimastiftung des Landes will niemand mehr etwas wissen. Die steht zwar seit ihrer Gründung im Januar 2021 in der Kritik, jetzt aber muss es schnell gehen. Vor allem weil sie mithalf, die Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 zu Ende zu bauen und weil das Stiftungskapital - 20 Millionen Euro - vom russischen Staatskonzern Gazprom stammt.

Expertin für Stiftungsrecht zeigt Wege auf

Nach dem russischen Überfall galt sie auch für Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) als nicht mehr haltbar - jetzt hat die Landesregierung offenbar den Schlüssel für ein Ende gefunden. Bei der Spitzenrunde am Freitagnachmittag war aus Hamburg die Expertin für Stiftungsrecht, Prof. Birgit Weitemeyer, zugeschaltet. Die zeigte der Spitzenrunde Wege auf, wie die Stiftung aufgelöst werden kann. Der Stiftungsvorstand könne zum Beispiel geschlossen zurücktreten, erklärte sie laut Teilnehmerangaben. Ministerpräsidentin Schwesig könne das Gremium aber auch abberufen und neu besetzen. Die Satzung gebe durchaus Spielraum, die Stiftung umzuwidmen. Landtag und Landesregierung hätten als Stiftungsgeber Möglichkeiten.

Außerdem, so Weitemeyer, hätten sich die Umstände der Stiftung mit der historischen Lage - also mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine - massiv geändert. Sie komme in der Öffentlichkeit immer schlechter weg. Weitemeyer habe außerdem von Blutgeld gesprochen, das mit der Stiftung in Verbindung gebracht werde. Das soll einen aufgebrachten Stiftungschef Sellering zu der Ermahnung gereizt haben, man möge doch nicht emotional werden und solle sachlich bleiben. Der Auftritt des Ex-Regierungschefs wurde als "oberlehrerhaft" beschrieben.

Sellering lehnt Auflösung der Stiftung und seinen Rücktritt ab

Sellering lehnt einen Rücktritt weiter ab, die Klimastiftung sei wichtig. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb, der den Weiterbau von Nord Stream 2 organisierte, sei bereits abgewickelt. Der 72-Jährige wiederholte in der Runde seine Rechtsauffassung, dass die Stiftung nicht aufgelöst werden könne. Allerdings biss er damit auch bei seinen SPD-Genossen auf Granit. Die Runde lehnte es ab, ein vom Stiftungsvorstand formuliertes Papier zu unterstützen, in dem das Handeln der Stiftung unterstützt wird. Teilnehmer empfanden das als "Blankoscheck", der nicht ausgestellt werden könne.

Im Gespräch mit dem NDR warf Sellering der Landesregierung und dem Landtag vor, die Stiftung zum Sündenbock für eigene Fehler zu machen. "Dass unser Ruf leidet, das liegt natürlich daran, dass Landesregierung und Landtag so massiv gegen uns vorgehen, das sollten sie sich mal überlegen und uns nicht weiter schlechtreden." Sellering erklärte, er sehe dem Rechtsgutachten "gelassen entgegen". Für eine Abberufung gebe es keinen rechtlichen Grund.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Sebastian Ehlers, appellierte im Gespräch mit dem NDR an Sellering, die politischen Zeichen ernst zu nehmen. Die Stiftung sei "verbrannt", sagte Ehlers mit Hinweis auf einen Landtagsbeschluss zur Abwicklung: "Ich hoffe, dass Erwin Sellering das noch einmal in seinem Herzen bewegt. Er hat viel getan für unser Land und er muss aufpassen, dass er jetzt in der Frage nicht über das Ziel hinausschießt."

SPD bricht offiziell mit Sellering

Landtagspräsidentin Hesse gab nach dem Treffen eine knappe Pressemitteilung heraus. Sie wiederholte noch einmal den Beschluss des Landtags, wonach die Stiftung nicht fortbestehen könne. Und die SPD-Fraktion sah sich gezwungen, Eindeutiges zu formulieren. Sie wies auf die Möglichkeit hin, dass der Stiftungsvorstand von sich aus zurücktreten könne. Auch das machte klar: die SPD bricht mit ihrem ehemaligen Aushängeschild Sellering. Seine drei politischen Ziehkinder stellen sich gegen ihn: Ministerpräsidentin Schwesig, Staatskanzlei-Chef Patrick Dahlemann und Innenminister Christian Pegel (alle SPD). Pegel hatte die Stiftung mitgegründet. Jetzt muss er sie gegen den Willen seinen Ex-Chefs beerdigen.

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NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 18.03.2022 | 19:30 Uhr

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