Fischsterben: Havarieplan für Wallensteingraben gefordert

Stand: 21.10.2022 19:09 Uhr

Das Umweltministerium in Schwerin prüft den Entwurf eines Havarieplans für den Wallensteingraben. Der kommt vom Landesanglerverband Mecklenburg-Vorpommern. Immer wieder sorgen Schadstoffe im Wasser dafür, dass hier Fische massenhaft sterben.

von Franz Fanter

Tote Forellen, Barsche, Schmerlen, Hechte und Aale - die Liste der Arten ist lang, die Mario Voigt vom Landesanglerverband Mecklenburg-Vorpommern (LAV MV) und seine Helfer auch in diesem Jahr aus dem Wallensteingraben im Westen Mecklenburgs bergen mussten. Ganz besonders schmerzen ihn die verendeten Meerforelle. Fischtreppen wurden gebaut, damit die Wanderfische wieder in ihre Laichgründe gelangen können. Außerdem haben in den vergangenen 26 Jahren zuerst Vereine und ab der Jahrtausendwende auch das Land mit aufwendigen Besatzmaßnahmen versucht, diesen besonderen Fisch wieder im Wallensteingraben anzusiedeln. Jedes Jahr wurden tausende Meerforellen-Brütlinge ausgesetzt - eine Erfolgsgeschichte, denn die Tiere vermehren sich mittlerweile wieder von allein. "Diesen Ort müssen wir erhalten, wie er ist und wir dürfen auf keinen Fall zulassen, dass hier Abwässer rein gelangen." Denn genau das ist geschehen. Mario Voigt fordert die zuständigen Stellen zum Handeln auf.

Forelle wird bei der Bestandskontrolle im Wallensteingraben vermessen. © NDR
AUDIO: Havarieplan für Wallensteingraben gefordert (2 Min)

Abwässer und Sauerstoffmangel als Ursache identifiziert

Karte Fischsterben Wallensteingraben © NDR
Die Rummelbeck, ein Nebenfluss, war mehrfach die Quelle für Schadstoffe im Wasser.

Der LAV-Artenschutzbeauftragte nimmt dabei speziell einen Abschnitt in den Fokus: die Rummelbeck, einen Nebenfluss. Von hier aus hatten sich im Jahr 2014 Gülle und Gärreste aus der Landwirtschaft auf knapp 13 Kilometern Flussstrecke ausgebreitet und hunderten Fischen den Tod gebracht. Im August dieses Jahres wieder: Allein auf einer Strecke von 50 Metern zählte Voigt stichprobenartig rund 80 verendete Fische. Wie viele Jungforellen dem Fischsterben zum Opfer gefallen sind, lässt sich laut Voigt nicht sagen. Sie sind einfach zu klein, werden im schnell fließenden Oberlauf des Wallensteingrabens rasch fortgespült.

Bei dem Vorfall in diesem Jahr ist ein tödlicher Sauerstoffmangel als Hauptursache identifiziert worden. Er soll in Folge von Entkrautungsarbeiten entstanden haben. Mario Voigt will, dass zukünftig schneller reagiert werden kann. Darum hat er Umweltminister Till Backhaus (SPD) einen Havarieplan vorgeschlagen.

Schotten zu Nebenfluss dicht machen

Grundlage des Notfallplans ist eine Alarmkette - das sich Land, die untere Wasserbehörde, die Wasserschutzpolizei und als Pächter der LAV MV im Ernstfall schnell gegenseitig informieren. Denn im Falle eines Fischsterbens müsse koordiniert gehandelt werden, so Voigts Überzeugung. Erste Maßnahme: Der Zufluss von der Rummelbeck in den Wallensteingraben soll gestoppt werden, indem das Wehr vor der Einmündung geschlossen wird. "Dass praktisch hier das verseuchte Wasser bleibt, nicht weiter kommt zum Wallensteingraben, sondern abgepumpt werden kann", erklärt Mario Voigt. Doch das Wehr ist marode, müsste erst einmal wieder instand gesetzt werden. Zuständig dafür ist die untere Wasserbehörde, der Wasser- und Bodenverband "Wallensteingraben-Küste". Er weiß um den Zustand des Wehrs und müsste aktiv werden.

Wasser aus Schweriner See soll Schadstoffe wegspülen

Eine weitere Stauanlage spielt im Notfallplan des Landesanglerverbands eine gewichtige Rolle: das Wehr in Hohen Viecheln. Hier wird geregelt, wie viel Wasser aus dem Schweriner See in den Wallensteingraben abgegeben wird. Voigt fordert, dass diese Abgabemenge im Falle eines Fischsterbens erhöht wird, damit möglicherweise schon eingetretene schädliche Stoffe weggespült werden. Dafür aber muss der Wasserstand im Schweriner See das auch hergeben und genau das ist aktuell nicht der Fall. Zu wenig Regen hat in den vergangenen Jahren zu dem Wassermangel geführt.

Niedrigwasser im Schweriner See © NDR Foto: NDR
Der niedrige Wasserstand im Schweriner See steht dem erhöhten Zufluss in den Wallensteingraben entgegen.

Das zuständige Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg (StALU WM) musste die Menge an Wasser, die aus dem See fließt, auf ein Minimum reduzieren. Mario Voigt hofft, dass Niederschläge im Winter die Situation wieder entspannen: "Wenn man eben das Wasser hätte, wie im Frühjahr zum Beispiel, dann könnte man viel mehr Wasser durchlassen in so einem Havariefall und könnte eben diese Schadstoffe verdünnen, dass dann viel weniger Schadstoffe bei den Fischen ankommen und die Fische überleben können."

Umweltminister Backhaus: "Das sind vernünftige Vorschläge"

Der Notfallplan wird derzeit auf Ministerebene geprüft. "Wir nehmen die Sache hier positiv auf, das sind vernünftige Vorschläge. Und wir gucken, was davon tatsächlich zu berücksichtigen ist, um in der Zukunft solche schrecklichen Ereignisse möglichst zu verhindern." Das sagte Umweltminister Till Backhaus (SPD) bei einer Veranstaltung an der Fischtreppe in Wismar.

Aus dem Umweltministerium heißt es, dass das StALU sich mit dem Havarieplan des LAV beschäftigt. Es bestünde vor allem Konfliktpotenzial hinsichtlich einer verstärkten Wasserzufuhr aus dem Schweriner See. Diese Forderung liege im Spannungsfeld zwischen Wasserentnahmen der Landwirtschaft, der Fischwirtschaft, der Schifffahrt und den Erfordernissen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Mario Voigt ist gespannt, was von seinem Notfallplan letztlich umgesetzt wird. Für ihn steht in jedem Fall fest, dass er sich weiter für den Wallensteingraben und dessen Bewohner einsetzen wird.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 21.10.2022 | 18:15 Uhr

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Artenschutz

Fischerei

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