Alkohol: Wenn die Eltern zu viel trinken
Jedes sechste Kind hat das Problem, dass der Vater, die Mutter oder gar beide Eltern zu viel Alkohol trinken oder Drogen konsumieren. In Greifswald hat sich ein Netzwerk etabliert, das ihnen helfen will.
"Ich war als Mutter so drin in meinem Leben mit Alkohol, immer heimlich, immer die Fassade aufrecht erhalten von der heilen Familie", erzählt eine Betroffene, die anonym bleiben möchte. "Ich dachte, die Kinder merken es nicht. Aber sie haben gelitten, das weiß ich heute." Inzwischen ist sie trocken und kann mit ihren Kindern offen über die schlimme Zeit damals sprechen. Viele Betroffene versuchen, ihre Sucht zu verstecken – vor Freunden, der Familie, den Kindern, so leben sie voller Scham mit einem Alkoholproblem.
"Es sind die stillen Kinder"
"Es sind vor allem die stillen Kinder, die immer alle Hausaufgaben haben und sich oft auch um Geschwisterkinder kümmern, die diese Last mit sich herumtragen", erzählt die Greifswalder Beraterin Kathrin Seemann. Sie zieht auch durch Schulen und nicht selten kommt hinterher ein Kind zu ihr und offenbart sich. Ihrer Erfahrung nach zieht sich das Problem durch alle Schichten. Die überlastete Krankenschwester, die zu Aufputschmitteln greift, der Hausmeister mit der Schnapsflasche in der Schublade, der Arzt, der über die Maßen Alkohol konsumiert. In der Fachambulanz für Alkohol- und Drogenkranke werden Menschen mit einem Suchtproblem betreut und Kathrin Seemann hat immer einen Blick darauf, wie es den Kindern geht. Brauchen sie Hilfe, wie können sie begleitet werden?
Ressourcen aufzeigen
In Greifswald hat sich inzwischen ein Netzwerk für betroffene Kinder und ihre Eltern etabliert. Die Akteure wollen für Kinder aus suchtbelasteten Familien Angebote schaffen. Eines davon ist der Nachmittag in der Bolderhalle. Kathrin Seemann: "Am Anfang haben sie gesagt: Oh Gott, das schaffe ich nie. Und dann waren sie unglaublich stolz. Aber es geht nicht nur um das Erlebnis an sich, sondern dass sie auch merken, welche Ressourcen sie haben, dass sie sich vielleicht auch im Sportverein anmelden, das ist so ein bisschen unser Ziel." Von einigen Kindern, denen Kathrin Seemann geholfen hat, hat sie im Nachhinein gute Nachrichten gehört. "Sie gehen nach der Schule gleich zu Freunden“, berichtet die Beraterin. Sonst seien sie immer erst nach Hause gegangen - "und haben geguckt, ob es Mama, Papa gut geht".
