Wie Rechte das Netz für ihre Zwecke nutzen
Videos wie diese sollen Angst machen: Zu dramatischer Musik ziehen wie 1933 scheinbar riesige Fackelzüge durch deutsche Städte. Sie nennen sich "Die Unsterblichen". Ihre Parole: "Volkstod stoppen." Das Ganze ist eine geschickte Bildmontage, eigentlich marschieren hier nur ein paar Dutzend mit. Trotzdem verbreiten sich solche Videos rasend schnell im Netz. Die rechtsextreme Gruppe hinter den "Unsterblichen" ist zwar mittlerweile verboten - doch die Klickzahlen steigen.
NPD setzt auf Netzoffensive
Neonazis setzen heute massiv darauf, ihre Botschaften über soziale Netzwerke zu verbreiten. Die NPD hat für die Rekrutierung neuer Anhänger ganz offiziell eine Netzoffensive ausgerufen. "Soziale Netzwerke gewinnen in der heutigen Zeit zunehmend an Bedeutung. Es wäre dumm, sich solchen Neuerungen zu verschließen und die sich bietenden Chancen zur Verbreitung rechter Politikinhalte ungenutzt zu lassen", heißt es da zum Beispiel. Oder: "Gerade die NPD als zukunftsorientierte nationale Kraft muss der jungen Generation dort begegnen, wo sie sich aufhält."
Stefan Glaser von jugendschutz.net sagt, die Rechten hätten durch die Plattformen die Möglichkeit, Inhalte rasend schnell einem Millionenpublikum zugänglich zu machen. "Massenhafte Likes, massenhaftes Teilen, all das suggeriert Reichweite, Relevanz, suggeriert auch Richtigkeit."
Neonazis geben sich harmlos, um zu ködern
Um all die zu ködern, die mit rechten Gedanken erst einmal nichts zu tun haben, tarnen sich Neonazis. Geben sich zunächst harmlos. Johannes Baldauf von no-nazi.net ist so etwas wie ein Nazijäger im Internet und entlarvt die Strategien. "Kindesmissbrauch wird häufig verwendet, weil es halt ein Thema ist, mit dem man viel Zustimmung bekommen kann", sagt er. "Niemand ist dafür, dass irgendwelche Menschen missbraucht oder misshandelt werden. Das heißt, man kann sehr schnell und sehr einfach durch dieses emotional besetzte Thema Zustimmung und Aufmerksamkeit erhalten."
Spiel mit weit verbreiteten Ängsten
Es sind weit verbreitete Ängste, mit denen die Rechten spielen: die Eurokrise oder das Unbehagen vieler gegenüber dem Islam. Vor allem auf Facebook, dem größten sozialen Netzwerk. In Gruppen genauso wie in Umfragen. Schnell stößt man auf eindeutige Kommentare. Und bei manchen kann man den rechten Hintergrund ziemlich leicht erschließen.
Einem User "gefallen" Rommel, Goebbels und Holger Apfel von der NPD. So klar ist die Sache selten. Die neuen Rechten gehen geschickt vor. Manche Seiten instrumentalisieren nordische Mythologie, andere versuchen, mit ursprünglich linken Codes der Antifa neue "Widerstandskämpfer" zu ködern. Je mehr man sich durchklickt, desto tiefer taucht man in den rechten Sumpf ein. Auf den Seiten sind es von harmlosen Musikvideos nur ein paar Klicks zu offener Hetze. In den Videos selbst, aber auch in den Kommentaren darunter. Wie jugendschutz.net berichtet, ist die Zahl der hetzerischen Inhalte deutlich gestiegen.
Facebook: User sollen uns bei bedenklichen Inhalten informieren
Manche Betreiber von sozialen Netzwerken gehen strikt gegen die Verbreitung solcher Inhalte vor. Facebook verweist vor allem auf seine Nutzungsbedingungen. Demnach sind Hassreden und Hetze nicht erlaubt. Gegenüber dem Kulturjournal ist der Anbieter nur zu einem schriftlichen Statement bereit. "Unser Team arbeitet intensiv daran, Seiten und Gruppen mit Nazi-Inhalten zu entfernen, und wir bestärken Nutzer, uns sofort zu informieren, wenn sie auf solche Inhalte stoßen", heißt es darin.
Baldauf: Der Nutzer ist ein potenzieller Werbekunde
Strafrechtliche Inhalte werden meistens schnell gelöscht. Doch was ist mit den getarnten Seiten? Diese wollen zwar User zur NPD locken, machen aber nichts Illegales. Und Facebook hat seine eigenen Interessen. "Facebook kommt aus den USA", gibt Johannes Baldauf von no-nazi.net zu bedenken. "Da gibt es ein anderes Verständnis davon, was durch Meinungsfreiheit gedeckt ist und was nicht. Gleichzeitig ist es ja so, dass sie Nutzer damit verprellen. Am Ende ist es für die Statistik egal, welche politische Einstellung der Nutzer hat, wichtig ist: Der Nutzer ist da. Er ist ein potenzieller Werbekunde, und dadurch wird Geld generiert."
Glaser: Jeder kann etwas tun
Jugendschützer setzen daher auf Information der User. Mit Broschüren und Kampagnen versuchen sie, gerade Jugendliche aufzuklären. "Man muss eine Aufmerksamkeit für diese Taktik herstellen, man muss klarmachen, dass es wichtig ist, das zu durchschauen", sagt Stefan Glaser von jugendschutz.net.
Soziale Netzwerke basieren auf dem Prinzip der Demokratie. Das ist auch die Chance gegen die Verbreitung von rechten Parolen und Inhalten. Für die Betreiber genauso wie für den einzelnen User. Jeder kann etwas tun: den Missbrauch melden.
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