Eine Luftaufnahme vom Gasspeicher in Rehden. © NDR
Eine Luftaufnahme vom Gasspeicher in Rehden. © NDR
Eine Luftaufnahme vom Gasspeicher in Rehden. © NDR
AUDIO: Wie steht es um die Gasversorgung in Deutschland? (5 Min)

Gasspeicher gut gefüllt - droht dennoch eine Mangellage im Winter?

Stand: 25.08.2023 08:14 Uhr

Gas ist billiger als vor einem Jahr und die Speicher sind gut gefüllt. Trotzdem will die Bundesnetzagentur erneut zum Sparen aufrufen. Denn ein Restrisiko bleibt - zum Beispiel durch die Folgen eines sehr kalter Winters.

von Nicolas Lieven und Ines Bellinger

Die Nachricht aus Brüssel passt zu einem unbeschwerten Sommergefühl: Schon weit vor dem Zieldatum 1. November sind die Gasspeicher in der Europäischen Union im Schnitt zu 90 Prozent gefüllt. Die EU gehe "gut gerüstet" in den bevorstehenden Winter, teilte die Kommission Mitte August mit. Die Versorgung läuft bislang stabil, Gas ist deutlich billiger als vor einem Jahr. Und die EU will die Abhängigkeit von russischem Erdgas weiter verringern. Im ersten Quartal diesen Jahres lieferte Russland noch 15 Prozent der Gasimporte. Ein Jahr zuvor waren es noch 30 Prozent gewesen. 

Weitere Informationen
Gasspeicherfüllstände in und Pipeline-Flüsse nach Deutschland © NDR

Gasspeicher: Der aktuelle Füllstand in Deutschland

Füllstand der Gasspeicher, Gasverbrauch, Gasimporte: Die wichtigsten Daten in der Live-Übersicht. mehr

Bundesnetzagentur sieht Restrisiken

Bleiben uns Gasmangellagen in der kalten Jahreszeit wie im vergangenen Jahr also erspart? Eine vollständige Entwarnung will die Bundesnetzagentur noch nicht geben. "Es bleiben Restrisiken", sagte Behördenchef Klaus Müller der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Dazu zähle ein sehr kalter Winter in Europa. In Deutschland war der vergangene Winter nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes 2,7 Grad zu warm - im Vergleich zur international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990. Doch auf den zwölften zu warmen Winter muss nicht zwangsläufig der 13. folgen.

"Russlands Präsident Wladimir Putin könnte auch den Gashahn für Südosteuropa zudrehen. Zuletzt bleiben Anschläge auf Pipelines als Horrorszenario", sagte Müller. Er werde deshalb erneut zum Sparen aufrufen, wenn die Heizsaison naht. Auch die Wirtschaftsweise Veronika Grimm warnt vor einem sorglosen Umgang mit Gas. "Bei der Gasversorgung kann es durchaus wieder eng werden - trotz der Flüssiggasterminals, die wir gebaut haben", sagte das Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Drei Gasflammen © Colourbox Foto: -
AUDIO: Müssen wir schon wieder Gas sparen? (12 Min)

Gasverbrauch steigt bereits wieder an

Zwar haben Industrie und Haushalte in Deutschland ihren Gasbezug seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine gedrosselt. Momentan liegt der Verbrauch etwa 13 Prozent unter dem Durchschnitt der Vor-Corona-Jahre. Allerdings verzeichnet die Bundesnetzagentur bereits vor Beginn der Heizperiode einen Anstieg: Der Verbrauch von Haushalts- und Gewerbekunden liege deutlich über dem Wert von vor einem Jahr.

Bei der Gasversorgung muss Deutschland auch stets die Lage in europäischen Nachbarländern im Blick haben. Denn sollte Putin die Länder, die noch Gas aus Russland beziehen, von der Versorgung abschneiden, bräuchten diese Staaten Hilfe. Österreich zum Beispiel hängt noch zu 80 Prozent an russischem Gas. "Wenn die Versorgung eingestellt würde, müssen wir zu Hilfe eilen. Was für den letzten Winter galt, gilt für diesen Winter auch", so Grimm.

Weitere Informationen
Brennende Gasflammen eines Gasherdes. © fotolia.com Foto:  by-studio

Energie sparen - so geht's

Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg: Die Energiepreise sind auf Rekord-Niveau. Tipps zum Sparen von Gas, Strom und Sprit. mehr

Gefüllte Speicher reichen zwei bis drei Wintermonate

Nach Angaben der Bundesregierung reicht ein Füllstand von 100 Prozent in den Erdgasspeichern aus, um zwei bis drei normal kalte Wintermonate zu überbrücken. Sollte wider Erwarten eine Mangellage eintreten, würden die Speicher auch nicht komplett leerlaufen. Wer wie viel Gas verbrauchen darf, müsste dann aber reguliert werden.

Vor einem Jahr hatte sich die EU mit einem Notfallplan Gas für den Ernstfall gewappnet. Dieser Plan musste jedoch nie abgerufen werden, weil die Mitgliedsstaaten das vereinbarte Sparziel von 15 Prozent sogar übererfüllten. Bis Ende März 2024 soll die Gasnachfrage in der EU freiwillig um weitere 15 Prozent gesenkt werden. Bei einer Mangellage würde dieses Ziel verpflichtend gemacht.

Wie entwickeln sich die Gaspreise?

Die Preise haben zuletzt bereits wieder merklich angezogen: Gaspreise stiegen um rund 30 Prozent, Preise für Flüssigerdgas (LNG) sogar um 40 Prozent.

Zuletzt gab es Befürchtungen, dass LNG-Anlagen in Australien im September bestreikt werden könnten. Davon wären rund zehn Prozent der weltweiten LNG-Exporte betroffen. Die Befürchtung: Abnehmer für australisches LNG in Asien könnten dann die Märkte in Europa belasten und die Preise weiter in die Höhe treiben.

Ein ähnliches Szenario gab es bereits im vergangenen Jahr, als in Südamerika Dürre herrschte. Weil der aus Wasserkraft erzeugte Strom nicht ausreichte, wurde auf den Märkten massiv LNG abgefragt. Für Deutschland kommt hinzu, dass Norwegen als wichtiger Lieferant demnächst seine Erdgas-Anlagen warten muss.

Weitere Informationen
Gaspreis aktuell © NDR

Gaspreis aktuell: So viel kostet die Kilowattstunde

Aktuelle Daten zeigen, was Neukunden derzeit für Gas zahlen und wie sich der Preis im historischen Vergleich entwickelt. mehr

Gaspreisdeckel läuft spätestens im Frühjahr aus

Große Sorgen müssen sich Verbraucher Stand jetzt nicht machen. Ein sparsamer Umgang auch im kommenden Winter schont jedoch nicht nur Ressourcen, sondern auch den Geldbeutel. Momentan liegt der Gaspreisdeckel noch bei zwölf Cent pro Kilowattstunde. Dieser gilt aber nur für 80 Prozent des Verbrauchs und läuft spätestens im nächsten Frühjahr aus.

Alle, die keine langfristigen Verträge haben, müssen sich auf stark schwankende Gaspreise einstellen. Vielleicht lohnt ein Vergleich mit anderen Anbietern.

Weitere Informationen
Mecklenburgs-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) sitzt bei einer Pressekonferenz auf einem Podium. © dpa-Bildfunk Foto: Britta Pedersen

Umweltministerium kritisiert Tempo von Rügener LNG-Projekt

Umweltminister Backhaus (SPD) hätte sich eine andere Vorgehensweise gewünscht, so eine Sprecherin seines Ministeriums mit Blick auf die bereits laufenden Bauarbeiten. mehr

Das schwimmende LNG-Terminal "Höegh Gannet" liegt am Kai des Elbehafens Brunsbüttel Ports. © picture alliance Foto: Marcus Brandt

LNG-Schiff in Brunsbüttel darf Schadstoff-Grenzen überschreiten

Das hat das Landesamt für Umwelt Anfang des Jahres bestimmt. Anwohner erfahren erst jetzt davon. Sie erwarten Messergebnisse. mehr

Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident Niedersachsen, und Tim Meyerjürgens, Vorstand Tennet, sitzen beim Tennet-Netzgipfel. © dpa Foto: Julian Stratenschulte

Verstaatlichung von deutschem Stromnetz? Tennet zuversichtlich

Niedersachsen begrüßt den Vorstoß. Man wolle sich aber nicht beteiligen, sagte Ministerpräsident Weil beim Netzgipfel in Lehrte. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Wirtschaft und Soziales | 24.08.2023 | 15:00 Uhr

Kopfhörer liegen auf einem Mischpult. © fotolia Foto: Xandros

Was wünschen Sie sich in den "Themen des Tages" auf NDR Info?

Wie soll sich die Nachrichtensendung am Nachmittag in Zukunft idealerweise anhören? Hörerinnen und Hörer können sich an einer Umfrage beteiligen. mehr

Ein Smartphone mit einem eingeblendeten NDR Screenshot (Montage) © Colourbox Foto: Blackzheep

NDR Info auf WhatsApp - wie abonniere ich die norddeutschen News?

Informieren Sie sich auf dem WhatsApp-Kanal von NDR Info über die wichtigsten Nachrichten und Dokus aus Norddeutschland. mehr

Eine junge Frau hält ein Tablett-PC auf dem man den NDR-Info Newsletter sieht. © NDR Foto: Christian Spielmann

Abonnieren Sie den NDR Newsletter - die Nord-News kompakt

Mit dem NDR Newsletter sind Sie immer gut informiert über die Ereignisse im Norden. Das Wichtigste aus Politik, Sport, Kultur, dazu nützliche Verbraucher-Tipps. mehr

Mehr Nachrichten

Der Niedersächsische Staatsgerichtshof in Bückeburg. © dpa Foto: Holger Hollemann

Silvester-Krawalle: Staatsgerichtshof lehnt AfD-Klage um Namen ab

Ein Landtagsabgeordneter wollte die Vornamen derjenigen wissen, die in der Nacht zu 2023 in Niedersachsen beteiligt gewesen sein sollen. mehr