Drosten: "Virus-Mutationen müssen wir im Blick behalten"
Im NDR Info Podcast Coronavirus-Update ruft der Virologe Christian Drosten dazu auf, die Coronavirus-Varianten aus England und Südafrika genau zu beobachten. Für die Wirksamkeit von Impfstoffen seien diese Mutationen aber wohl nicht besorgniserregend.
"Ich glaube nicht, dass wir im Moment in Deutschland ein großes Problem mit der Variante aus England haben", sagt der Virologe von der Berliner Charité in der jüngsten Podcast-Folge. Aber man müsse die Situation wirklich ernst nehmen und auch in Deutschland verstärkt nach den Mutationen suchen. Denn immer mehr Daten deuten darauf hin, dass sich die Virus-Varianten aus England und Südafrika tatsächlich leichter übertragen. Klarheit in diesem Punkt werde es aber erst in einigen Monaten geben. "Ich gehe davon aus, dass wir bis Ostern oder bis Mai ganz klar wissen, ob dieses Virus übertragbarer ist und wie gefährlich es ist."
Noch ist unklar, wie ansteckend das Virus aus England ist
In vielen Ländern ist die mutierte Variante aus England bereits nachgewiesen, darunter auch in Deutschland. Besonders gut lässt sich die Lage in Dänemark beobachten, weil das Virus-Erbgut dort vielfach analysiert wird. Wichtig ist nun die Frage: Kann sich das neue Virus aus England gegen das alte Virus in Dänemark durchsetzen? "Wenn ja, dann wissen wir, dass diese Variante stärker verbreitbar und dass der R-Wert dieser Variante höher ist", stellt Drosten klar.
"Dann hätten wir ein richtiges Problem"
Veränderungen in der Übertragbarkeit müssten deshalb beobachtet werden. "Wenn es wirklich so sein sollte, dass das neue Virus aus England zum Beispiel einen R-Wert hat, der um die Hälfte höher liegt als das alte Virus, dann haben wir ein richtiges Problem", sagt Drosten. Um eine solche Variante, die sich stärker verbreitet, in den Griff zu bekommen, müsse man dann bei den Corona-Maßnahmen "noch eine Schippe drauflegen".
Sind die mutierten Viren gefährlicher?
Die gute Nachricht lautet: Bis jetzt deutet nichts darauf hin, dass das mutierte Virus aus England gefährlicher ist für die Infizierten. Forscher, die sich die Krankheitsverläufe in den Kliniken genau angesehen haben, konnten keine signifikanten Unterschiede feststellen - zwischen Patienten, die sich mit dem "alten" und jenen, die sich mit dem mutierten Virus angesteckt hatten.
Drosten: Impfstoffe wirken wahrscheinlich auch bei mutierten Viren
Bei der Frage, ob die erste Generation der Impfstoffe auch bei den Virus-Varianten anschlägt, ist Drosten zuversichtlich. "Mit Blick auf die Impfungen kann ich beruhigen: Da haben wir bezüglich des mutierten Virus aus England keine großen Sorgen." Die Immun-Aktivität nach einer Impfung sei nicht wesentlich eingeschränkt. "Es könnte höchstens sein, dass von hundert Leuten ein paar nicht vollkommen geschützt sind, sondern sie bei einer Infektion mit dem mutierten Virus ein Kratzen im Hals bekommen", so Drosten. Vor einem schweren Verlauf seien aber auch diese Patienten durch einen Impfstoff nach jetzigem Kenntnisstand geschützt.
Kann die zweite Impfung später erfolgen?
Die aktuelle Diskussion, ob die zweite Dosis eines Impfstoffes erst später als bislang geplant gespritzt werden sollte, um so schneller mehr Menschen impfen zu können, hält Drosten für sinnvoll. "Bei den mRNA-Impfstoffen wie von Biontech oder Moderna ist die Immunreaktion auf die erste Impfung richtig stark", sagt Drosten. Deshalb könne man sich mit großer Wahrscheinlichkeit eine längere Wartezeit zwischen der ersten und zweiten Dosis leisten. Zumal Wissenschaftler bei einigen anderen Impfstoffen übereinstimmend festgestellt hätten: Wenn man den zeitlichen Abstand zwischen den beiden Impfungen innerhalb eines gewissen Rahmens vergrößert, ist die Nachhaltigkeit des Immunschutzes womöglich sogar größer.
Impf-Strategie: Weitere Berufsgruppen frühzeitig einbeziehen
Drosten regt an, darüber nachzudenken, ob man bestimmte Berufsgruppen außerhalb von Kliniken und Pflegeheimen frühzeitig impft - unabhängig vom Alter. "Sobald ausreichend Impfstoff vorhanden ist, sollte man auch an die Beschäftigten denken, die nicht im Homeoffice arbeiten und nur bedingt oder gar nicht den Mindestabstand einhalten können." Beispielsweise in Schlachthöfen oder bei Paket-Dienstleistern. So könnten viele Erkrankungen verhindert werden.
