Der tägliche Albtraum: Mobbing in der Schule
Psychische Gewalt, Schikanieren, Vorführen, ob auf dem Schulhof oder im Klassenchat: Mobbing kommt an vielen Schulen vor. Die Opfer leiden häufig im Stillen, doch für sie gibt es wirksame Hilfe.
In Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern starten am Montag die Herbstferien. Besonders dringend herbeigesehnt von Schülerinnen und Schülern, die nicht gern zur Schule gehen, weil sie gemobbt werden. Mobbing und Cybermobbing kommen häufig vor: Einer Studie der Krankenkasse Barmer zufolge haben 14 Prozent der befragten Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren angegeben, direkt von Cybermobbing betroffen gewesen zu sein.
Fatale Botschaft fürs Leben: Werde ich gemobbt, muss ich gehen
Viele haben als Kind Mobbingerfahrungen gemacht, bekamen aber nicht die Unterstützung, die sie gebraucht hätten. Darüber hat Elena Prochnow aus Schleswig-Holstein ein Kinderbuch geschrieben. Es heißt "Pass bloß auf deinen Daumen auf!" und erzählt die Geschichte der Zweitklässlerin Mimi, die von älteren Jungs fertiggemacht wird. Viele Eltern hätten sich nach Veröffentlichung des Buches bei der Autorin gemeldet und ihre Erfahrungen geteilt.
"Es kommt vor, dass Lehrer den Eltern nahelegen, die Schule zu wechseln, wenn das Kind gemobbt wird", sagt die Autorin. Darüber könnte sie sich aufregen: "Dann muss ich halt gehen - das ist eine Botschaft fürs ganze Leben."
Mobbingexperte: Dynamiken oft nur von außen zu stoppen
Psychische Gewalt, Schikanieren, Vorführen - und das über einen längeren Zeitraum - das ist typisch für Mobbing. Ziel von Mobbing ist es, ein bestimmtes Opfer zum Beispiel aus der Klassengemeinschaft aus der Gruppe zu drängen und auszuschließen. Philipp Behar-Kremer ist Sozialpädagoge und Vorstand des Berliner Vereins Cybermobbing-Prävention e. V., der unter anderem Workshops an Schulen anbietet. Seiner Erfahrung nach kann Mobbing eine machtvolle Dynamik entwickeln und nach und nach die ganze Klassengemeinschaft mit hineinziehen. Es gibt jedoch Wege, diese Dynamiken zu stoppen, ohne dass das Mobbingopfer die Klasse oder die Schule wechseln muss.
Erfolgreiche Methode: Wiedereingliederung des Mobbingopfers als Klassenprojekt
Besonders hilfreich sei der Ansatz, in der Klasse eine Unterstützungsgruppe für den gemobbten Schüler oder die gemobbte Schülerin einzurichten, sagt Behar-Kremer. Wichtig sei es, dass auch die Mobbenden in dieser Gruppe dabei sind. "Wir betonen dann die Stärken der Kinder", sagt der Mobbing-Experte. "Wir sagen: Du hast was in der Klasse zu sagen, du kannst Leute mitreißen. Wenn du dich beteiligst, ist der Rest der Klasse auch dabei." Gemeinsam werde dann ein Hilfsplan entwickelt, um das Mobbingopfer wieder in die Klasse zu integrieren.
Gemobbte Schülerinnen und Schüler schweigen häufig aus Scham
Viele Mobbingopfer schämen sich, über ihre Erlebnisse zu sprechen - deshalb vergeht oft einige Zeit, bevor Eltern oder Lehrerinnen und Lehrer etwas davon mitbekommen. Kopf- und Bauchschmerzen, Schlaf- und Konzentrationsprobleme können Warnsignale sein, auch Wutanfälle, wenn das Kind beginnt, sich zurückzuziehen, nicht zur Schule gehen will oder das Essverhalten sich ändert. Experte Behar-Krämer empfiehlt, das Kind immer wieder darauf anzusprechen, möglichst ohne Druck zu machen: "Die Kinder brauchen das Gefühl, gesehen zu werden, dass es ihnen nicht gut geht. Auch wenn sie nicht reagieren. Immer wieder dranzubleiben und zu sagen: 'Egal was ist, ich bin für dich da.'"
Was hilft: Bedingungslose Unterstützung und Solidarität
In Elena Prochnows Kinderbuch ist es Mimis Großvater, der sie wirklich ernst nimmt und ihr Tipps gibt, wie sie sich wehren kann. So schafft es Mimi aus eigener Kraft, sich gegen die älteren Jungs zu behaupten. Die Autorin ist sich sicher: Gemobbten Kindern helfe es am besten, wenn man ihnen glaubt und ihnen den Rücken stärkt. "Dem Kind klarzumachen, dass man das Recht hat, grundsätzlich im Leben für sich einzustehen und sich zu wehren. Dass man wirklich maximal diese Solidarität signalisiert."