Bundesweiter Warntag: Behörden sind zufrieden

Stand: 08.12.2022 20:24 Uhr

Wie gut im Ernstfall amtliche Warnungen funktionieren, ist am Donnerstag beim bundesweiten Warntag getestet worden. Dabei kam erstmals das neue System Cell Broadcast zum Einsatz. Welche Besonderheiten galten dazu in Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern?

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) löste um 11 Uhr in ganz Deutschland einen Probealarm der höchsten Warnstufe 1 über Radio, Fernsehen, Apps und Alarm-Sirenen aus. Der Testalarm war auf 45 Minuten angesetzt worden. Entwarnung erfolgte zum Beispiel über die Warn-Apps Nina und Katwarn. Weil es sich um einen Test handelte, mussten Personen, die die Warnung empfingen, nichts unternehmen.

Bundesamt: Zusammenspiel der Systeme funktioniert 

"Die Probewarnung hat gezeigt, dass unsere technische Infrastruktur robust ist und die technischen Probleme der Vergangenheit behoben sind", erklärte der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Ralph Tiesler. Das Zusammenspiel der Systeme habe funktioniert. Für "abschließende Ergebnisse" sei es aber noch zu früh. Möglichst viele Menschen sollten den Behörden Rückmeldungen geben, so die Bitte. Dafür hat das BBK auf einer speziellen Internetseite und in der Warn-App Nina ein Formular freigeschaltet.

Die Bedeutung von funktionierenden Warnsystemen war zuletzt durch die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im Juli 2021 deutlich geworden. Dabei wurden Menschen nicht rechtzeitig über die drohende Gefahr informiert. Danach kam eine Debatte über Verbesserungen in Gang. Der Bund legte unter anderem ein Programm zum Neubau von Sirenennetzen auf. Beschlossen wurde auch der Aufbau eines bundesweiten Systems für sogenanntes Cell Broadcasting.

Stefan Sternberg © Screenshot
AUDIO: Landrat Sternberg aus MV: Warntag ist gut gelaufen (5 Min)

Cell Broadcast: Keine App nötig

Am bundesweiten Warntag wurde das neue Warnsystem, das Ende Februar 2023 als weiterer Warnkanal an den Start gehen soll, nun erstmals großflächig getestet. Viele Handy-Besitzerinnen und Besitzer erhielten dazu bereits eine SMS, die auf den Test hinwies. Allerdings gibt es viele Endgeräte, die Cell Broadcast nicht empfangen können, oder bei denen die Funktion von den Nutzerinnen und Nutzern erst noch aktiviert werden muss.

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Eine Frau mit gelbem Pullover und dunklen Jeans sitz im Schneidersitz, ihr Handy in der Hand. © dpa-Bildfunk Foto: Fabian Sommer/dpa

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Beim Cell Broadcasting werden Text-Nachrichten an alle kompatiblen Geräte übertragen, die in einer Mobilfunk-Zelle angemeldet sind, für die die Warnung gilt. Außerdem sollen die Geräte Ton- und Lichtsignale abgeben, um auf Gefahren hinzuweisen wie etwa Extremwetterlagen. Die Nutzerinnen und Nutzer müssen im Gegensatz zu anderen Warnsystemen wie Nina oder Katwarn keine extra App haben, um alarmiert zu werden. In anderen EU-Staaten ist Cell Broadcast bereits im Einsatz.

Warnungen auch per App, Radio - und mit Lautsprecherdurchsagen

Am Warntag wurden aber auch andere Warnsysteme getestet. Die von den Behörden vorformulierten Warnmeldungen wurden im Radio verlesen und auf Medienseiten im Internet eingespielt. Zudem erschienen sie als Push-Nachricht auf Smartphones oder auf Anzeigentafeln im Stadtbild und an Bahnhöfen. Zusätzlich aktivierten örtliche Katastrophenschutzbehörden örtliche Warnsysteme - etwa Sirenen oder Lautsprecherwagen.

Bundesweiter Warntag: Pannen bei Premiere 2020

Beim ersten bundesweiten Warntag vor zwei Jahren hatte es erhebliche Pannen gegeben. Die Testwarnung des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe verzögerte sich um 30 Minuten. Der damalige Behördenchef musste seinen Posten räumen, das Amt und die Abläufe sollten neu ausgerichtet werden. Im vergangenen Jahr wurde auf einen Warntag verzichtet, weil einige der beschlossenen Veränderungen noch nicht umgesetzt waren.

Auf einer Tafeln in der Innenstadt Hannovers wird auf die Probewarnung am Warntag hingewiesen. © Moritz Frankenberg/dpa Foto: Moritz Frankenberg
AUDIO: So lief der Warntag in Norddeutschland (4 Min)

In Hamburg "hat alles funktioniert"

In Hamburg lösten alle 123 Sirenen im Stadtgebiet Probealarm aus. "Es hat alles funktioniert", sagte der Sprecher der Hamburger Innenbehörde, Daniel Schaefer. Nach Beobachtung der Katastrophenschutzabteilung seien die Probewarnungen auch über digitale Werbetafeln und das Cell-Broadcast-Verfahren auf Handys verbreitet worden. Hamburgs Sirenen stehen vor allem im Hafengebiet, das von Altona, über Mitte und Harburg bis nach Bergedorf reicht. 50 weitere Sirenen sollen in den nächsten Jahren auch außerhalb der sturmflutgefährdeten Gebiete installiert werden. Sie sollen künftig helfen, die Bevölkerung auch vor Binnenhochwasser, Starkregen oder anderen Gefahren zu warnen. Bereits zum Beginn der Sturmflutsaison hatte die Stadt am 8. September in Eigenregie ihre Warnmittel getestet. Hierzu gehören neben den Sirenen, digitalen Anzeigen und Warn-Apps auch Böllerschussanlagen und Lautsprecherwagen.

VIDEO: Warnmeldetag in Hamburg: Sirenen und Cell Broadcast funktionieren (2 Min)

Hamburg hatte angekündigt, zusätzlich zu den allgemeinen Maßnahmen des Bundes auch die Sturmflutsirenen an der Elbe auszulösen. Das Sirenensignal - ein einminütiger, auf- und abschwellender Heulton - bedeutet im Ernstfall: "Es besteht eine Gefahr! Informieren Sie sich!" Die Entwarnung wurde um 11.45 Uhr mit einem einminütigen Dauerton signalisiert.

Innenminister Pegel sieht MV "für den Notfall gewappnet"

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel zeigte sich zufrieden mit dem Warntag: "Mecklenburg-Vorpommern ist gut vorbereitet. Die Leitstellen der Landkreise und kreisfreien Städte konnten wie geplant erreicht werden und die vorhandenen und technisch dafür ausgestatteten Sirenen ausgelöst werden", sagte der SPD-Politiker. Allerdings können in Mecklenburg-Vorpommern im Katastrophenfall nur 60 Prozent der Bevölkerung per Sirene gewarnt werden. Aktuell gibt es 1.600 Sirenen - in der Landeshauptstadt Schwerin lediglich an zwei Standorten. 17 weitere Sirenen sollen dort noch installiert werden. Mit Blick auf das getestete Cell Broadasting sagte der Minister, dass es für die Nutzer wichtig sei, Updates aufs Handy zu laden und Benachrichtigungen in den Einstellungen zu aktivieren. "Dieser Warnweg wird für uns in Zukunft ein wichtiger zusätzlicher Baustein sein, um im Katastrophenfall möglichst viele Bürgerinnen und Bürger schnell und direkt zu erreichen."

Alle Behörden, Ministerien und die Katastrophenschutzbehörden seien selbst bei einem flächendeckenden Stromausfall, einem sogenannten Blackout, zu erreichen, bilanzierte Pegel. "Im Ergebnis können wir festhalten: MV ist für den Notfall gewappnet."

Im Schweriner Landtag führte das Piepen mehrerer Handys für eine kurzzeitige Störung der Debatte. Der Linken-Abgeordnete Henning Foerster musste seine Rede zur Lohnentwicklung im Nordosten unterbrechen, nahm das aber mit Humor:

"Der NDR kann ja dann berichten, dass bei dem Tagesordnungspunkt hier reichlich Alarm geherrscht hat im Plenarsaal." Henning Foerster (Linke)

Der Landrat des Kreises Ludwigslust-Parchim, Stefan Sternberg (SPD), sagte auf NDR Info, aus seiner Sicht gebe es für das Warnsystem noch nicht genügend Sirenen vor allem in den Städten.

Niedersachsen: Von "gut geklappt" bis "Sirenen schwiegen"

In Niedersachsen verlief der Warntag unterschiedlich. In Hannover piepten überall Handys, im Hauptbahnhof lief ein Textband auf der Anzeigetafel in der großen Halle durch. Auch in Zügen kam der Probealarm nach Informationen des NDR in Niedersachsen an. Sirenen wurden auch in den Landkreisen Goslar, Heidekreis und Emsland getestet. Allein im Emsland habe man rund 100 Sirenen angesteuert, hieß es. Das habe so gut geklappt, dass sogar Alarmketten bei einzelnen Feuerwehren in Gang gesetzt worden seien, sagte eine Landkreis-Sprecherin dem NDR. Außerdem habe die Emsland-App Bürgerinnen und Bürger über den Probealarm informiert.

Im Landkreis Nienburg dagegen heulten keine Sirenen. Dort werde die Technik aktuell flächendeckend auf digitalen Empfang umgerüstet, sagte ein Sprecher. Gleiches gilt für die Gemeinden Edemissen, Hohenhameln und Wendeburg im Landkreis Peine. In Braunschweig schwiegen die Sirenen ebenfalls. Dort lief die Warnmeldung über digitale Infotafeln.

Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte, eine Bilanz könne er noch nicht ziehen, aber: "So ein Warntag ist ja nicht dazu da zu beweisen, dass alle es können." Man wolle stattdessen prüfen, "wo es noch nicht funktioniert" und wo "noch Lücken im System" seien.

"Kein Notfall": Leitstelle Oldenburg testet Melde-Portal

Die Großleitstelle Oldenburg wollte den Warntag nutzen, um ein neues Meldesystem zu testen. Über die Website keinnotfall.de sollten Bürgerinnen und Bürger künftig bei Ereignissen wie Unwettern wichtige Dinge melden können, bei denen es aber nicht um Leben oder Tod geht - also zum Beispiel einen voll gelaufenen Keller. So sollen die Notrufnummern 112 und 110 entlastet werden.

SH: Technische Probleme in einem Kreis

Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) teilte mit, dass der Test in fünf Kreisen mit teils leichter Verzögerung funktioniert habe. In einem weiteren Kreis habe es technische Probleme gegeben. "Das zeigt nur einmal mehr, wie wichtig solche Testläufe immer wieder sind", sagte die Ministerin. Bei den Sirenen war bereits im Vorfeld bekannt, dass diese noch nicht zentral über das Modulare Warnsystem gesteuert werden können. Sofern möglich, hätten die Rettungsleitstellen die Sirenen heulen lassen, so Sütterlin-Waack. "Bis wir in Schleswig-Holstein ein flächendeckendes, zentral anzusteuerndes Sirenennetz haben, wird es noch dauern. Da liegt noch viel Arbeit vor uns."

Schon vor dem Warntag hatte Sütterlin-Waack vor dem Hintergrund von Ukraine-Krieg und Energiekrise an die Menschen appelliert, zur Verbesserung des Katastrophenschutzes beizutragen, um Schwachstellen zu erkennen und zu beheben. Dafür sollten möglichst viele Menschen den Behörden Rückmeldungen geben, sie. Dazu könnten sie die BBK-Angebote nutzen. Weil voraussichtlich nur etwa jedes zweite Gerät ausgelöst werde, sei die Rückmeldung umso wichtiger, sagte Sütterlin-Waack. In Schleswig-Holstein etwa gelten fast alle der rund 2.600 installierten Sirenen als veraltet. Sie sollen aufgerüstet und aufgestockt werden - aber dafür fehlt offenbar das Geld.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | NDR Info | 08.12.2022 | 14:00 Uhr

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