Eine Frau mit Mund Nasenschutz Maske vom Typ FFP2. © picture alliance Foto: Frank May

(111) Coronavirus-Update: It Ain't Over 'Til It's Over

Stand: 01.03.2022 17:00 Uhr

In der neuen Folge des NDR Info Podcasts Coronavirus-Update spricht der Virologe Christian Drosten unter anderem darüber, dass es wahrscheinlich keinen infektionsfreien Sommer geben wird.

Dieser Podcast startete vor fast genau zwei Jahren, seitdem gab es weltweit circa 5,9 Millionen Covid-Tote. Nie war die Inzidenz so hoch wie in dieser Welle, aber die Bedingungen sind auch anders geworden und vielerorts sinkt in Deutschland die Zahl der Neufinfektionen bereits wieder. Der Blick auf den Sommer macht zumindest für die nächste Zeit Hoffnung und Hoffnung macht auch, was man in vielen Teilen über die Omikron-Variante weiß. Ob das auch für den Subtyp BA.2 gilt, darüber spricht Wissenschaftsredakteurin Korinna Henning in Folge 111 des NDR Info Podcasts Coronavirus-Update mit dem Virologen Christian Drosten.

Die zentralen Themen der Folge im Überblick - per Klick direkt zur Textstelle springen

Ausbreitung von BA.2 in Deutschland

Erkenntnisse über Eigenschaften von BA.2 aus Laborstudien

BA.2 in Südafrika nicht pathogener als BA.1

Reinfektion BA.2 nach BA.1? Daten aus Dänemark und Katar

Kartographie der Virus-Evolution

Antigen-Erbsünde, Immune Imprinting und antigenetische Seniorität

Studie mit Makaken zu angepasstem Moderna-Impfstoff

Herausforderungen für die Impfstoffentwicklung

Ausblick: Entwicklung in Deutschland, Masken und Risikopatienten

In eigener Sache: Zukunft des Podcasts

Ausbreitung von BA.2 in Deutschland

Korinna Hennig: Wir sehen, dass sich BA.2 in Europa ausbreitet, in Dänemark längst übernommen hat. Und auch in Deutschland hat BA.2 weiter zugelegt. Laut RKI-Wochenbericht lag der Anteil am Gesamtgeschehen Ende vergangener Woche bei 24 Prozent. Damit hat sich der Subtyp um ungefähr 50 Prozent steigern können im Vergleich zur Vorwoche. Entspricht dieses Tempo den Erwartungen, die Sie hatten? Ist es das, womit man rechnen konnte?

Christian Drosten: Na ja, ich bin ja kein Modellierer. Aber klar, man weiß ja schon länger aus anderen Ländern, dass das zunimmt. Im Moment ist interessant: In England wird gerade darüber gerätselt, ob sich das wohl auswirken wird. Es gibt jetzt in den Raten, das sind nicht die Anteile BA.1 gegen BA.2, sondern tatsächlich die neuen Positiven, da gibt es jetzt in ersten Regionen in England einen Gleichstand. Und jetzt ist die Frage, ob man das dann an der Gesamtinzidenz sehen wird, wenn BA.2 noch weiter zunimmt? Und das würde ich jetzt so erwarten. Diese Frage wird sich bei uns in ein paar Wochen auch stellen.

Ändert BA.2 die Übertragungszahl?

Also die einfache Frage, verändert BA.2 doch noch mal die Übertragungszahl und wirkt sich das noch mal auf die absolute Inzidenz aus, die wir sehen? Also mit anderen Worten: Dieses Kontrollieren der Inzidenz, was wir jetzt haben, wird das wieder schwieriger werden? Gehen die Zahlen noch mal wieder hoch wegen BA.2? Also alle Bedingungen bleiben gleich und dann kommt aber BA.2 und jetzt wird es wieder schwieriger, das zu kontrollieren und die Zahlen gehen hoch. Und demgegenüber steht natürlich der Temperatureffekt.

Wir kommen in wärmere Zeiten rein und da wird es natürlich wieder einfacher werden zu kontrollieren. Gleichzeitig kommen dann irgendwann auch die Osterferien, die natürlich dem Ganzen auch noch mal einen Riegel vorschieben werden. Und es könnte sein, dass sich das in Deutschland so balanciert, dass wir keine großen Sorgen haben müssen. Es könnte sein, dass es in England früher eintritt, der Effekt, und dass man da wieder einen Anstieg sieht. Aber das ist im Moment alles nur Rätselraten.

Hennig: Sie hatten gesagt, die Bedingungen bleiben gleich. Aber auch in Deutschland stehen ja die Signale aus der Politik so ein bisschen auf "ein paar Maßnahmen doch lockern und dann aufheben". Auch die Maskenpflicht in Schulen zum Beispiel.

Drosten: Genau. Es gibt so einzelne Maßnahmen, die natürlich jetzt zurückgenommen werden. Das mit der Maskenpflicht in den Schulen, das ist natürlich einerseits verständlich. Es ist einfach total unbequem, über so lange Zeit eine Maske zu tragen. Andererseits ist es eben so, dass das Tragen einer Maske - und da will ich jetzt nicht nur über die Schulen sprechen - sicherlich auf lange Sicht die effizienteste Maßnahme überhaupt ist, die man mit dem geringsten Aufwand weiter aufrechterhalten kann.

Das Coronavirus © CDC on Unsplash Foto: CDC on Unsplash

(111) It Ain't Over 'Til It's Over

Sendung: Das Coronavirus-Update von NDR Info | 01.03.2022 | 17:07 Uhr | von Korinna Hennig
68 Min

Herausforderungen für die Impfentwicklung werden größer. Noch ist nicht klar, ob BA.2 die Lage verändert.

Die Themen mit Zeitmarken:

00:01:49 Ausbreitung von BA.2 in Deutschland
00:06:26 Erkenntnisse über Eigenschaften von BA.2 aus Laborstudien
00:09:19 BA.2 in Südafrika nicht pathogener als BA.1
00:17:10 Reinfektion BA.2 nach BA.1? Daten aus Dänemark und Katar
00:25:36 Kartographie der Virus-Evolution
00:30:53 Antigen-Erbsünde, Immune Imprinting und antigenetische Seniorität
00:43:23 Studie mit Makaken zu angepasstem Moderna-Impfstoff
00:49:17 Herausforderungen für die Impfstoffentwicklung
00:51:20 Ausblick: Entwicklung in Deutschland, Masken und Risikopatienten
01:02:32 In eigener Sache: Zukunft des Podcasts

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Kein Tag vergeht ohne neue Nachrichten zum Coronavirus Sars-CoV-2. Längst haben wir uns an Maßnahmen wie Mundschutz, Abstand und Hygieneregeln gewöhnt. Und noch immer ist kein Ende der Pandemie in Sicht. In unserem Podcast wollen wir verlässlich über neue Erkenntnisse der Forschung informieren. Wie steht es um einen Impfstoff? Wie entwickelt sich die Test-Strategie? Besteht Hoffnung auf ein Medikament? Die NDR Wissenschaftsredakteurin Korinna Hennig und Beke Schulmann aus der Wissenschaftsredaktion sprechen dazu im Wechsel mit Christian Drosten, Leiter der Virologie in der Berliner Charité, und mit Sandra Ciesek, Leiterin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt. Dabei soll es nicht um Panikmache gehen - sondern ganz im Gegenteil: Der Podcast "Coronavirus-Update" will informieren, einordnen und Hintergründe liefern.

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#coronavirus #covid19 #covid_19 #coronavirusupdate

Wir haben es hier nun mal mit einer sehr übertragbaren Virusvariante zu tun, mit Omikron. Wir werden sowieso einen stärkeren Fokus auf die Übertragbarkeit legen müssen. Die große Frage: Wann ist die Pandemie zu Ende? Wie ist sie zu kontrollieren? Wahrscheinlich werden wir da im Laufe des Podcasts heute wieder mehrmals darauf zurückkommen. Aber nur um das mal hier anfänglich zu sagen: Wir können jetzt über die Impfung die schwere Krankheit verhindern.

Übertragung

Jetzt bleibt die Übertragung als Haupteigenschaft der Pandemie. Und die Pandemie ist erst dann zu Ende, wenn diese rasende Übertragung, die exponentiell die Fälle steigen lässt, wenn das vorbei ist. Das ist nicht so leicht einzudämmen alleine durch die Impfung, denn wir haben eine Immunflucht beim Virus. Wir haben einen Impfstoff, der sowieso auf lange Sicht nicht unbedingt sehr stark an den Schleimhäuten schützt, sodass die Übertragungskontrolle durch die Impfung langfristig nicht so groß ist.

Und wir werden uns deswegen im nächsten Winter spätestens wieder einer Situation gegenübersehen, in der die Übertragungen sehr stark steigen. Wenn auch, glücklicherweise, weniger Leute schwer krank werden, wird es eben beispielsweise wieder zu Arbeitsausfällen führen. Und dieses massenhafte Anfallen von Fällen, das ist das Problem. Da ist jetzt eine noch einfachere Antwort darauf zu geben, wie man die Übertragung noch mal speziell kontrolliert, das ist mit FFP2-Masken.

Erkenntnisse über Eigenschaften von BA.2 aus Laborstudien

Hennig: Lassen Sie uns auf BA.2 zurückkommen im Konkreten, Übertragung ist da ja das entscheidende Stichwort. Ich hatte eben schon gesagt, BA.2, so die Beobachtung, ist offenbar ansteckender als BA.1. Ganz allgemein gefragt: Haben Sie mittlerweile Hinweise aus der Forschungsliteratur, warum das eigentlich so ist?

Drosten: Wenig. Es gibt natürlich so Daten, die suggerieren, dass bei BA.2 vielleicht die Viruslast ein bisschen höher ist. Klar ist ja, wir haben hier eher einen intrinsischen Unterschied in der Fitness des Virus, weniger einen Effekt durch ein noch mal spezielleres Immunescape. Dieser Effekt ist ungefähr gleich ausgeprägt.

Hennig: Also intrinsisch heißt, per se ansteckender, auch unter zwei Ungeimpften zum Beispiel.

Drosten: Richtig, genau. Das haben wir in der letzten Folge schon besprochen. Da hatten wir gesagt, dieses Virus hat ein paar PS mehr, das ist so die Interpretation. Genau, aber jetzt wirklich mechanistisch die Unterschiede zwischen BA.1 und BA.2, da gibt es zwar so erste wissenschaftliche Studien, aber ich würde die schon noch als sehr vorläufig betrachten. Da muss man einfach noch ein bisschen warten.

Japanisches Preprint

Hennig: Eine davon ist zum Beispiel ein Preprint, das so vor zwei Wochen ungefähr herausgekommen ist aus Japan. Das hat so ein bisschen die Runde gemacht. Da ging es um Experimente in Zellkultur, aber auch Versuche an Hamstern. Diese Studie legt nahe, dass BA.2 auch ein bisschen krank machender sein könnte als BA.1. Allerdings wissen wir, erst aus dem echten Leben ist dann die entscheidende Antwort zu erwarten.

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Man muss gucken, was passiert tatsächlich im Menschen, in der Realität? Und da gibt es Beobachtungsdaten aus anderen Ländern, in denen sich der Subtyp schon durchgesetzt hat, aus Südafrika zum Beispiel, und die bestätigen das eigentlich eher nicht. Oder?

Drosten: Ja, genau. Das Problem ist so ein bisschen, je mehr wir jetzt dem Virus bei der Evolution zuschauen, desto mehr wird es sich natürlich von bestimmten Labormodellen auch wegentwickeln. Also während wir jetzt irgendwann vor einem Jahr oder länger angefangen haben, die Pathogenität im Hamster anzuschauen und gesehen haben, das entspricht ein bisschen dem, was man auch im Menschen sieht, kann man davon jetzt nicht mehr durchgehend ausgehen.

Das Virus entwickelt sich immer näher an den Menschen heran und das könnte bedeuten, dass das, was uns das Hamstermodell anzeigt, immer weniger relevant wird. Und in dieser japanischen Studie kommt dazu, man hat mit Viren gearbeitet, die rekombinant konstruiert sind, wo auch ein Reportergen drin ist statt eines Virulenzfaktors. Und da wissen wir ja auch nicht genau, was das an den Daten verfälscht. Also man muss einfach mit Vorsicht auf solche Studien schauen.

BA.2 in Südafrika nicht pathogener als BA.1

Und vor allem bei eben diesen experimentellen Studien nicht immer von einer Studie gleich auf die Realität im Menschen schließen, sondern einfach mal abwarten, was andere Gruppen finden. Und diese Veröffentlichung aus Südafrika, die jetzt vorgelegt wurde, das ist jetzt wieder klinische Epidemiologie. Also da hat man einfach geschaut, wie sich das Verhältnis BA.2 zu BA.1 über die Zeit entwickelt. Das ist jetzt hier so vor allem über den Monat Januar, kann man sagen, in Südafrika, da hat BA.2 die Überhand gewonnen.

Und jetzt kann man natürlich fortlaufend einfach verfolgen, wie viele Leute jeweils entweder mit BA.1 oder BA.2 ins Krankenhaus müssen. Und da sind die Werte relativ gleich geblieben. Also man sieht, dass in Südafrika von den Leuten mit BA.2 ungefähr 3,6 Prozent und von denen mit BA.1 3,4 Prozent ins Krankenhaus müssen. Das ist dasselbe, das ist statistisch nicht zu unterscheiden. Was man auch sieht, ist, dass von denen, die ins Krankenhaus kommen, bei BA.2-Infektionen 30,5 Prozent und bei BA.1-Infektionen 33,5 Prozent einen schweren Verlauf kriegen. Und auch das ist statistisch wieder nicht zu unterscheiden.

Hennig: Aber wir wissen zwei Dinge. Erstens, in Südafrika ist die Bevölkerung strukturell jünger als zum Beispiel in Deutschland und sie haben einen hohen Anteil an zuvor Infizierten, also die Immunität weniger durch Impfung, sondern durch Infektion. Das heißt, wir können das, wie so oft, nicht eins zu eins auf unsere Situation übertragen, oder?

Drosten: Genau. Die Immunität hat einen anderen Charakter in Südafrika, das muss man einfach sagen. Wir haben nicht nur von dieser Seite her, also vom Charakter der Immunität, die bei uns stärker durch Impfung ist, andere Bedingungen, sondern vor allem durch das höhere Altersprofil der Bevölkerung bei uns. Man sieht im Moment, und das ist jetzt nicht BA.2-spezifisch, das ist auch Omikron-spezifisch, dass die Krankheitsschwere in der Bevölkerung in Deutschland noch moderat ist.

Wir sehen schon in den RKI-Daten, gerade auch im letzten Wochenbericht, dass die über 60-Jährigen jetzt so ein bisschen stärker ansteigen, also in dem SARI-Surveillance-System sieht man das, ICOSARI. Das ist eins der Krankheitsüberwachungssysteme des RKI. Da sieht man, die 60-Jährigen steigen schon an mit den schweren Respirationstrakt-Erkrankungen, aber insgesamt ist das Ganze schon stabil und es ist unterhalb der letzten Winterwelle. Das ist eigentlich erst mal so ein ganz guter Befund. Dass die über 60-Jährigen im Moment steigen, ist klar. Wir haben das schon mehrmals vorher gesagt.

Wir hatten bei Omikron schon am Jahresanfang fast so etwas wie eine Inzidenz-Lücke bei den Älteren. Das waren schon Umverteilungseffekte, aber da hat sich das Virus noch nicht zu den Älteren umverteilt. Das Ganze wurde ja ganz stark getrieben in den Schulen und dann auch bei den mittelalten Erwachsenen, sprich, die Eltern der Schüler, und eben nicht so stark bei den Großeltern-Jahrgängen. Und da verteilt es sich aber jetzt so langsam hin. Darum ist das normal. Aber wie gesagt, nicht auf einem Niveau wie in der letzten Winterwelle.

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Das Coronavirus © CDC on Unsplash Foto: CDC on Unsplash

(111) It Ain't Over 'Til It's Over

Herausforderungen für die Impfentwicklung werden größer. Noch ist nicht klar, ob BA.2 die Lage verändert. Download (223 KB)

Hennig: Wenn wir jetzt aber diese beiden Dinge, diese japanische Studie und die südafrikanische, zusammen anschauen, kann man im Umkehrschluss dann immer noch sagen, Ungeimpfte müssten vielleicht doch noch mehr auf der Hut sein, auch vor BA.2 im Vergleich zu BA.1? Oder weiß man das einfach auch noch gar nicht?

Drosten: Das kann man im Moment noch nicht so genau sagen. Die dänischen Daten haben das so ein bisschen angedeutet, dass BA.2 auch dort bei den Ungeimpften stärker übertragbar ist. Es gibt natürlich auch so eine Wahrnehmung. Wir haben, während Alpha und während Delta aufgekommen sind, gesehen, sobald das Virus mehr Viruslast macht und eine höhere Fitness hat, gibt es auch eine leichte Erhöhung der Krankheitsschwere. Das haben wir jetzt in Südafrika nicht bestätigt bekommen zum Glück. Hamster-Daten aus Japan scheinen das zu bestätigen. Wie es jetzt hier ist, ist schwer zu sagen. Ich würde tippen, dass man bei den Daten aus Hongkong zuerst was sehen wird an Signal.

Situation in Hongkong

Wir haben ja im Moment in Hongkong ein wirkliches Problem dahingehend, dass dort gerade die älteren Jahrgänge sehr zögerlich mit der Impfung gewesen sind. Und jetzt sehen wir dort schwere Krankheitslast durch Omikron. Da kann man das vielleicht dann irgendwann auseinanderhalten, ob BA.2 versus BA.1 unterschiedliche Krankheitsschwere macht bei ungeimpften Älteren.

Hennig: Eine Sache fand ich an dieser japanischen Studie ganz interessant, nämlich etwas, das in der Conclusio des Ganzen steht.

BA.2 als eigene beunruhigende Variante

Die Autoren sagen, die Unterschiede, die sie da in ihren Experimenten festgestellt haben zwischen BA.1 und BA.2 sind so gravierend, dass sie vorschlagen würden, man müsste eigentlich BA.2 einen eigenen griechischen Buchstaben geben, also eine eigene Benennung als "Variant auf Concern", als beunruhigende Variante. Wie beurteilen Sie so eine Schlussfolgerung?

Drosten: Ja, das ist auch ein bisschen eine taxonomische Frage und auch eine funktionell immunologische Frage. Das hat zum Teil eine Berechtigung, und zwar jetzt nicht unbedingt, weil es so klar ist, dass das eine stärkere Krankheitslast auslöst, sondern weil sich mehr abzeichnet, dass BA.1 und BA.2 voneinander auch serologisch, von ihrer Antigenität ganz schön stark unterschiedlich sind. Während die bisherigen, also inklusive Delta, alle zurückliegenden Stämme doch sehr nah beieinander liegen, auch was die Serospezifität angeht.

Damit meine ich, BA.1 und BA.2 sind zwar von ihrer Immunflucht gleich weit geflüchtet von den bisherigen Viren, aber in unterschiedliche Richtungen. Also es ist schon so grob in die gleiche Himmelsrichtung, aber sie haben unterschiedliche Wege eingeschlagen. Und jetzt könnte man also auch schon wieder anfangen, BA.1 und BA.2 serologisch voneinander zu unterscheiden. Man würde da Unterschiede sehen. Die sieht man im Moment nicht, in wirklichen Immunitätsstudien, weil ja alle Leute bisher immun sind gegen die alten Viren, gegen den alten Serotypen. Und eben die Distanz zu den beiden neuen Varianten BA.1 und BA.2 ungefähr gleich weit ist. Das zeichnet sich so in ersten Daten ab. Das muss man verfolgen, aber ich würde denken, das hätte im Moment noch keine große Konsequenz.

Genetischer Ursprung

Und dann ist natürlich die andere Sache der genetische Ursprung von BA.1 und BA.2 und BA.3 und BA.11, also alle diese Omikron-Varianten. Der genetische Ursprung, der ist ein gemeinsamer Ursprung und der liegt nun wieder innerhalb der Diversität der alten Genotypen vergraben. Und da ist also zum Beispiel wieder Delta weiter genetisch abgespalten.

Und deswegen alleine anhand von Tierversuchen, wo man jetzt Pathogenitätsunterschiede gesehen hat, oder von reiner Übertragbarkeit oder von reiner serologischer Distanz jetzt eine neue "Variant of Concern" zu benennen, das verkennt die anderen Dimensionen dieser Überlegung. Und bisher ist es eben noch nicht so, dass man sich in den entscheidenden Gremien der WHO durchringt, BA.2 zu einer eigenen "Variant of Concern" zu definieren. Und da gibt es auch Gründe dazu, warum man es noch nicht macht.

Hennig: Maria Van Kerkhove, die den Arbeitsbereich Covid-19 bei der WHO leitet, hat dazu ja auch was gesagt und hat sich da eben mehr festgehalten an den Beobachtungen aus der realen Welt. Also krank machender, übertragbarer, wie groß sind da die Unterschiede bzw. wie groß nicht? Sie haben aber eben gesagt, Immunflucht in unterschiedliche Richtungen. Das ist ja schön anschaulich.

Reinfektion BA.2 nach BA.1? Daten aus Dänemark und Katar

Und da würde ich gerne auf so eine kleine Frage kommen, die eigentlich im Prinzip so eine klassische Verbraucherfrage ist, also die Patientenfrage, nämlich alle die, die sich zum Beispiel jetzt mit Omikron infiziert haben, womöglich noch mit BA.1, die dann wissen wollen, ob das für sie jetzt heißen kann, dass sie sich innerhalb kürzester Zeit auch wieder mit BA.2 infizieren können. Wir haben da in der letzten gemeinsamen Folge schon mal so ein bisschen drüber gesprochen.

Da gab es so eine etwas unklare Informationslage aus Dänemark. Vielleicht ist das für die Forschung eher eine Fußnote, aber für den Einzelnen ist es ja gar nicht so unwichtig. Es gibt auch ein dänisches Paper dazu, ein Preprint, wo man potenzielle Reinfektionsfälle herausgefiltert hat aus 1,8 Millionen Infektionen, Daten von Infektionen. Das Ergebnis ist, solche Fälle gibt es, aber sehr, sehr selten. Ist das irgendwie relevant für uns, dieses Paper?

Drosten: Ich würde das jetzt nicht überbewerten. Es ist interessant, dass das nachverfolgt wurde und auch nachverfolgt werden konnte. Die Datenbasis in Dänemark ist einfach hervorragend. Und man hat, wie Sie sagen, aus ganz, ganz vielen Infektionen geschaut, wo man eigentlich von einem Patienten zwei Proben hat, die PCR-positiv sind und die mehr als 20 Tage auseinanderliegen und kleiner als 60 Tage auseinanderliegen, sodass man sagen kann, das ist wahrscheinlich wirklich eine zweimalige unabhängige Infektion mit BA.1 oder BA.2.

Also das mit den 60 Tagen ist, weil das einfach so der Zeitraum ist, wenn man da noch drüber geht, dann kommt man in die Zeit von Delta rein, dann lohnt es sich nicht mehr zu gucken. Also das war so das Suchkriterium. Da haben sie eine ganze Reihe Personen identifiziert, auf die das zutrifft. Und es lohnt sich jetzt nicht, die Zahlen herunterzubrechen, weil da technische Kriterien dabei sind der Sortierung, sodass man da also keine statistische Aussage treffen kann, wie häufig jetzt exakt von den 1,8 Millionen so was aufgetreten ist. Also da waren Kriterien dabei wie, die Sequenzierung muss geklappt haben.

Also das hat jetzt nichts mit Epidemiologie dann zu tun, sondern da hat man jetzt einfach mal so eine Subgruppe genommen, wo man das analysieren konnte. Und man hatte 64 Personen, wo die erste und die zweite Probe so eindeutig zu sequenzieren waren. Bei diesen 64 war dann die zweite Probe in 17 Fällen wieder BA.1, also 64-mal hatte man erste Probe BA.1, 17-mal dann zweite Probe BA.1 wieder, dann bei 47 hatte man in der zweiten Probe BA.2. Ja, das ist also interessant. Es sind mehr BA.2-Infektionen als BA.1-Infektionen.

Jetzt kann man anfangen, das statistisch auseinanderzunehmen, ob das eine Bedeutung hat. Es lohnt sich aber gar nicht, das zu machen. Weil es gibt Dinge, Befunde, die man hier wissen muss. Beispielsweise, der Zeitabstand bei den Leuten, die zweimal BA.1 hatten, war kürzer als bei den Leuten, die erst BA.1 und dann BA.2 hatten. Und das spricht eher dafür, dass wir hier nicht auf eine Immunescape-Situation schauen, sondern dass wir bei einer Zahl der BA.1-Doppelnachgewiesenen wahrscheinlich in der zweiten Probe auch noch den Rest der ersten Infektion sehen.

Hennig: Also ein und dieselbe Infektion und nicht eine neue Ansteckung?

Drosten: Richtig, dass es keine echte Doppelinfektionen sind. Das kann man hier anhand dieses Studiendesigns einfach nicht wirklich ausschließen. Und übrigens, man kann auch noch andere Sachen dazu sagen. Es gibt zum Beispiel einen Befund, der sagt, in diesen zwei Proben bei BA.2, also bei den Paaren, wo man erst BA.1 und dann BA.2 nachweist, da ist die Viruslast bei BA.2-Nachweisen geringer als bei der Erstprobe BA.1-Nachweise. Das ist ein gutes Signal, weil das würde ja bedeuten, da gibt es eine gewisse Immunkontrolle, also die Immunität, die aus der ersten Infektion entstanden ist, kontrolliert die Immunität der zweiten.

Also der Zeitabstand sind 36 Tage, da geht so langsam auch eine belastbare Immunität los. Aber das ist hier eben genau der Punkt, der Abstand ist auch noch ziemlich kurz. Und das wird sich erst richtig ausdifferenzieren, wenn man deutlich länger wartet und wenn man möglicherweise auch Personen vergleicht, die nicht nur eine und dann die andere Infektion hatten, sondern die eine Infektion hatten oder eine Grundimmunität hatten, eine breite, die vielleicht kombiniert Delta-BA.1 ist, und dann die zweite und die dritte Infektion BA.2 kriegen.

Da wird sich die Spreu vom Weizen trennen, weil dann die Immunität ausgereifter ist. Das kann man im Moment alles noch nicht machen anhand dieser Daten. Also das sind wirklich interessante Anfangsdaten, aber ich würde es jetzt nicht überbewerten, sagen wir mal Richtung Prognose zum nächsten Winter oder so etwas. Oder Prognose, ob man sich im Sommer noch mal infizieren kann, das kann man da einfach nicht rausholen.

Hennig: Man muss da auch noch dazusagen, das waren ja vor allem Jüngere und vor allem Ungeimpfte, diese Fälle.

Drosten: Genau, das muss man auch noch sagen. Und das ist schon interessant. Also man kann sagen, von diesen Leuten, die das betrifft, sind 89 Prozent Ungeimpfte, überhaupt nicht vorher geimpft gewesen. Sechs Prozent waren zweimal geimpft, vier Prozent waren einmal geimpft. Und wenn man das zusammenaddiert, bleibt nur noch ein Prozent übrig, die wirklich dreimal geimpft waren. Das fällt gar nicht ins Gewicht bei den paar Menschen. Also dieses eine Prozent, das muss sich gar nicht manifestieren. Ich weiß gar nicht, ob diese eine Person da war.

Jedenfalls, das deutet natürlich noch mal auf etwas anderes hin, nämlich auf das Alter. Das Medianalter war 15 Jahre und 70 Prozent aller Leute waren unter 20. Das heißt, wir haben es hier mit Jugendlichen zu tun, die noch nicht so durchgeimpft sind und die natürlich auch um die Weihnachtsfeiertage herum viel Kontakt hatten, das durften sie auch in Dänemark. Und da war eine unglaubliche Infektionstätigkeit. Da muss man dann schon fragen, ob nicht auch gerade bei so kurzen Zeitabständen, bei komplett Ungeimpften, vorher Ungeimpften, wo dann eben die Infektionsimmunität auch noch nicht so ausgereift ist, ob man nicht bei Delta genau die gleiche Reinfektionstätigkeit gesehen hätte?

Hennig: Haben wir denn noch andere Erkenntnisse aus anderen Ländern für diese ganz konkrete individuell interessante Frage?

Drosten: Ja, es gibt Daten aus Katar. In Katar hat man auch getestet. Also ich würde da jetzt gerne nicht so direkt ins Detail gehen, aber man hat da ein Vakzine-Effektivitätsdesign gemacht. Da kann man im Prinzip ausrechnen in der fortlaufenden Testung und Typisierung, die man da sieht, wie man eigentlich einschätzen würde, wie eine BA.1-Infektion gegen eine Reinfektion mit BA.2 schützt und umgekehrt.

Schutz durch Subtypen-Infektion

Ich kann da jetzt nur ganz kurz die Prozentzahlen sagen, also der Schutz einer Effectiveness der BA.1-Infektion gegen Reinfektion mit BA.2 ist fast 95 Prozent, 94,6 Prozent kommt da raus. Und andersherum: Der Schutz einer BA.2-Infektion gegen Reinfektion mit BA.1 liegt bei 89,9 Prozent. Also etwas weniger, ist beides aber auch statistisch nicht wirklich voneinander zu unterscheiden. Das sagt also jetzt auch, dass da nicht die absolute Immunflucht zwischen diesen beiden Varianten besteht.

Hennig: Nur noch einmal kurz zur Klarstellung, weil Sie ja auch angedeutet hatten, wie das zum Beispiel in diesem dänischen Paper definiert wird und warum, also welchen Zeitraum man sich hier angeguckt hat zwischen den beiden potenziellen Einzelinfektionen, weil wir jetzt von Reinfektion sprechen. Der Normalfall ist dann ja aber schon, wenn die Immunantwort nachlässt, dass ich mich als Omikron-Genesener, egal mit welcher Variante, dann in ein paar Monaten sowieso einfach wieder anstecken kann.

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Grafische Darstellung eines Coronavirus © COLOURBOX Foto: Volodymyr Horbovyy

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Drosten: Ja, auch mit derselben Variante. Das ist sowieso der Fall. Aber die Infektion wird natürlich viel milder und viel kürzer verlaufen. Natürlich müssen wir auch und dürfen zum Glück davon ausgehen, dass die grundsätzlich etwas mildere Omikron-Infektion, wenn dann eine zweite Omikron-Infektion erworben wird, dass die dann noch milder ausfällt.

Kartographie der Virus-Evolution

Hennig: Wir haben jetzt vorhin schon kurz andere Serotypen angedeutet, Unterschiede zwischen BA.1 und BA.2, die in vielen Fällen deutlich größer sind als zwischen den anderen Varianten Alpha, Delta, Beta, Gamma. Man kann sich das angucken, auch im Hinblick auf die Frage: Um was für Impfstoffe wird es in der Zukunft gehen? Und kann versuchen, im Prinzip richtig zu kartografieren, wo denn die Unterschiede liegen. Da gibt es auch ein Paper aus den Niederlanden, die das gemacht haben. Können Sie uns das ein bisschen näherbringen, was genau so eine Landkarte ausmachen kann?

Drosten: Na ja, das Verfahren nennt sich "Antigenic Cartography". Das ist in Cambridge letztendlich entwickelt worden, und zwar für Influenza. Da vergleicht man Neutralisationstiter-Differenzen zwischen verschiedenen Virusstämmen. Also man hat ein Serum, das hat gegen eine ganze Latte von verschiedenen Virusstämmen differenziell unterschiedliche Titerhöhen, dann hat man ein anderes Serum, das hat wieder differenziell unterschiedliche Titerhöhen und so weiter.

Und vor allem wird es dann interessant, wenn man weiß, das sind monoinfizierte Seren, also Seren von Leuten, die nur eine Infektion hatten, oder auch von Hamstern, die nur eine Infektion hatten, so ist das aufgebaut in dem Fall. Dann kann man daraus eine mehrdimensionale Matrix erstellen. Die kann man jetzt zumindest mal auf zwei Ebenen projizieren, dann ist sie gut darstellbar.

Und da kann man dann schauen, wie sich im Laufe der Zeit die Antigenität fortentwickelt. Also beispielsweise das, was wir bei Influenza "Antigenic Drift" nennen, wie sich im Laufe der Zeit das eine Influenzavirus auf das andere aufbaut und dann manchmal aber auch Sprünge auftreten in diesem mehrdimensionalen Raum von Antigenität.

Hennig: Also große, schnelle Veränderungen.

Drosten: Genau. Und von da wird es wieder kontinuierlich weitergehen. Und diese Sprünge, die will man eben erkennen, weil dann ist da ein Signal, dass man den Influenza-Impfstoff möglichst weltweit anpassen möchte. Und man benutzt das auch, das ist das ultimative Ziel, dass man diese Sprünge auch voraussagen kann, dass man im Prinzip schon vorher weiß, wann man jetzt den Impfstoff anpassen muss. Dann kann man eben bestimmte Distanzen empirisch ermitteln.

Also wann war es in der Vergangenheit erforderlich aus immunologischer Erfahrung, aus Veränderung der Vakzine-Effektivität, dass man den Impfstoff anpasst? Also wie groß war das Virus weggedriftet aus der ursprünglichen Position auf der Landkarte? Und wie weit ist es jetzt gegenüber dem letzten Update der Vakzine wieder weggedriftet? Kommen wir langsam in einen Bereich rein, wo man die Vakzine anpassen muss? Das ist eigentlich der Sinn dieser Antigenic Cartography.

Und nun gibt es erste Schritte, solche Landkarten auch aufzubauen für das SARS-2-Virus. Wir wissen noch gar nicht genau, was jetzt eigentlich so die Distanzeinheiten bedeuten, aber das ist eben der Befund, der im Moment vorliegt aus dieser Veröffentlichung, dass alle bisherigen Viren sich in einer großen Wolke zusammenballen und davon unterscheidbar ist BA.1 und davon noch mal unterscheidbar ist BA.2. Das sind aber jetzt Daten aus einem Labor mit einem Satz Hamster-Seren und ein paar Virusisolaten.

Anzahl von Serospezifitäten

Und jetzt muss man mal schauen, was andere Labore zur selben Thematik finden. Und erst wenn tatsächlich eine größere Zahl Studien dieser Art verfügbar wird, kann man darüber ein Urteil fällen, ob wir möglicherweise sogar schon drei Serospezifitäten haben bei dem SARS-2-Virus oder ob man weiterhin sagen muss, das alte ist ein Serotyp und das neue ist ein zweiter Serotyp. Und, sagen wir mal, auch im unwahrscheinlichsten Falle, ob man vielleicht am Ende sogar sagt: Moment mal, wir haben uns getäuscht. Bis jetzt ist das zwar differenziert, wir können die zwar unterscheiden, aber die sind alle relativ nah beieinander, dass man eigentlich an der Impfung noch gar nichts machen muss.

Denn jetzt auf einmal - und jetzt spreche ich hier komplett spekulativ - haben wir einen ganz neuen Serotyp, der so richtig raushaut, der diesmal so richtig unterschiedlich ist. Dieses Phänomen haben wir im letzten Herbst auch schon gehabt. Wir haben gedacht, na ja, Delta setzt sich ganz schön ab auf so probatorischen Landkarten, die man mal machen konnte. Und dann kam aber auch Omikron, und da wusste man: Aha, jetzt haben wir gesehen, was es bedeutet, wenn dieses Virus einen Sprung macht.

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Jetzt sehen wir zum Beispiel in Labortests, da sind also Neutralisationstiter kaum mehr nachweisbar bei Geimpften gegen das neue Virus. Und ich habe damals auch sehr schnell gesagt, das ist jetzt ein neuer Serotyp, und das sage ich auch immer noch, davon bin ich immer noch überzeugt. Während wir eben jetzt dabei sind, auf dieser Antigenic Map zu sehen, dass BA.2 sich noch mal absetzt. Und da ist tatsächlich eine Frage, die sich bald stellen wird: Ist BA.2 dann jetzt schon der nächste, der dritte Serotyp? Oder ist das nur eine Untervariante des zweiten Serotyps?

Antigenerbsünde, Immune Imprinting und antigenetische Seniorität

Hennig: Das heißt, wir müssen uns vielleicht an dieser Stelle mal einem Prinzip zuwenden, das wir im Podcast noch gar nicht so ausführlich besprochen haben, aber über das immer wieder spekuliert wird, weil man es eben auch von der Influenza kennt. Der Begriff der Antigenerbsünde. Ich finde persönlich, ganz laienhaft, diesen Begriff total unsympathisch, muss ich sagen, weil der klingt so endgültig und irreversibel. Es geht grob gesagt darum, inwieweit die Immunantwort beim ersten Kontakt mit einem Erreger so geprägt wird, auch für die Zukunft, dass sie andere Varianten gar nicht mehr so gut erkennt. Da gibt es aber noch einen anderen Begriff in diesem Konzept "Immune Imprinting".

Drosten: Ja, Antigenerbsünde ist doch ein toller Begriff für die Medien, oder? Also da schwingt Vorwurf mit und Zorn Gottes und was nicht alles.

Hennig: Für Geschichten wunderbar, aber für einen individuell denkt man: Möchte ich nicht haben.

Drosten: Also, es gibt ein größeres Oberthema, das heißt Immune Imprinting, also Immunprägung, Immunitätsprägung. Darin gibt es das alte Konzept der Original Antigenic Sin, also die antigenetische Erbsünde, das aus der Influenza-Epidemiologie und Vakzine-Kunde stammt und auch natürlich aus der Immunologie und das aber eigentlich als veraltet betrachtet werden muss. Man ist da aus der Erforschung von natürlichen Infektionen, aber insbesondere auch aus der Erforschung der Vakzine-Immunität inzwischen deutlich weiter.

Und man spricht jetzt eher in einer Schule von antigenetischer Seniorität. Also sagen wir mal Erfahrungsüberlegenheit. Aber auch das Wort Seniorität beschreibt das, glaube ich, schon ganz gut. Wo man fast sagt, diese Original Antigenic Sin, das ist etwas, da kommt man nie wieder von weg. Während Seniorität eher positiv konnotiert ist und man vielleicht sagt, da gibt es einen Immunitätssenior, der den Junioren erklärt, was sie tun sollen im Leben, damit sie die richtigen Entscheidungen treffen. Hat vielleicht eher was Wohlmeinendes.

Hennig: Ist mir sympathischer.

Drosten: Genau. Das Ganze ist jetzt nicht so leicht kurz zusammenzufassen und zu erklären. Aber ganz prinzipiell ist es so, wenn man Influenza betrachtet, dann macht man die Beobachtung, dass Leute, die am Anfang ihres Lebens als Kind mal eine Infektion von einem bestimmten Influenza-Typen hatten, ich sage jetzt ganz bewusst den unscharfen Begriff Typ, denn wahrscheinlich umfasst das einen weiteren Bereich als nur einen Virusstamm, da sind weitere Bereiche von Diversität, die man untereinander unterscheiden muss für dieses Phänomen.

Aber ich drücke jetzt allgemein aus, der Typ, den man als Erstes hatte von dem Virus in der Kindheit, der wird lebenslang die Immunität dominieren. Das heißt, wenn ich später einen anderen Typen kriege, dann werde ich gegen den zwar auch immun, aber die Immunität ist im Prinzip die Immunität gegen den alten Typen. Und nach dem Prinzip dieses Original-Antigenic-Sin-Konzepts wäre es so, man kriegt vor allem eine Immunität gegen den alten Typen und man passt sich im Laufe seines Lebens kaum auf den neuen Typen an. Das heißt, man profitiert lebenslang von der Immunität gegen den alten Typen.

Immunitätspotenzial

Wenn der neue Typ sich zu weit von dem alten Typ entfernt hat, dann verliert man Immunitätspotenzial. So, und das ist aber zum Glück nicht so in dieser Schärfe in der Realität zu sehen. Was man eher sieht, ist, es stimmt, in einer Infektion, die ich mir hole, habe ich in meinem Blut einen hohen Anteil von sogenannten Plasmazellen, die man charakterisieren kann, die Antikörper machen gegen die alte Infektion. Aber es sind auch immer welche gegen die neue Infektion dabei. Oder auch gegen die Impfung, wenn ich geimpft werde.

Das Ganze fußt auf einem relativ komplexen Mechanismus. Wir wissen, wie die Affinität von Antikörpern reift, also wie Antikörper immer besser werden. Und das Ganze funktioniert also in bestimmten Bereichen der Lymphknoten. Und in diesen Bereichen der Lymphknoten gibt es im Prinzip das alte Dogma, das wird immer noch weiter optimiert. Somatische Hypermutation nennt man das Ganze. Und jetzt gibt es da praktisch nur noch eine Einbahnstraße, also Antikörper können nur noch immer besser an irgendwas binden, an ein zunächst gesehenes Virus oder eine zunächst gesehene Vakzine.

Und der neue Antikörper einer neuen Virusvariante gegen eine neue Virusvariante oder gegen eine angepasste Vakzine, der kann praktisch nie besser sein als der alte Antikörper und darum wird er nicht zugelassen vom Immunsystem. Das ist vielleicht die alte Interpretation dieses Original-Antigenic-Sin-Konzepts. Aber inzwischen ist die Immunologie deutlich weiter im Verständnis der Mechanismen und auch die Vakzine-Kunde ist deutlich weiter in der Verfolgung der tatsächlichen Immunreaktion. Und man muss schon sagen, der Begriff dieser antigenetischen Seniorität ist eigentlich der modernere Begriff.

B-Zell-Gedächtnis

Und was wir sehen, ist, dass das B-Zell-Gedächtnis sich eben doch immer noch weiter anpasst. Das heißt, bestimmte Merkmale des alten Gedächtnisses werden aufgefrischt und bestätigt, aber es entstehen auch neue Gedächtnismerkmale in dieser somatischen Hypermutation oder auch, sagen wir mal, in den Keimzentren der Lymphknoten. Da ist das ganze verortet, sodass man sagen kann, aus dem alten Immungedächtnis entstehen doch wieder neue Informationsvarianten, Affinitätsvarianten gegen neue Antigene einer neuen Impfung. Und die werden auch wieder in den Vordergrund selektiert. Das ist das eine.

Und das andere ist natürlich, es trifft auch jede neue Variante oder jede Impfstoffvariante auf einen ganzen Pool an weiter bestehenden naiven B-Zellen, die auch wieder fortentwickelt werden können. Das führt dann am Ende dazu in der tatsächlichen Beobachtung, das war jetzt der immunologische Ort und Mechanismus, aber in der epidemiologischen Vakzine-relevanten Beobachtung ist es so, dass man sieht, dass, wenn man eine upgedatete Vakzine verabreicht, dass eben doch ein sehr großer Teil der Immunzellen, die man im Blut sieht, eigentlich gegen das neue Vakzine-Antigen gerichtet ist. Sodass man jetzt nicht nach diesem alten Konzept der antigenetischen Erbsünde sagen muss, wogegen man einmal geimpft wurde, kann man nie wieder ein Update verabreichen. Das ist einfach nicht mehr der neueste Stand der Dinge.

Hennig: Das wäre ja auch eine bittere Nachricht für uns alle eigentlich, wenn wir dann in die Zukunft blicken. Aber beinhaltet das auch, dass verschiedene Kombinationsmöglichkeiten der Kontakte mit dem Virus auch tatsächlich eine unterschiedliche Immunantwort immer noch beinhalten? Also Erstkontakt mit Delta meinetwegen, und danach drauf geimpft oder wir beide zum Beispiel geimpft, wir haben ja eigentlich den Erstkontakt mit dem Spike-Protein des Wildtyps gehabt im Impfstoff. Und ich zum Beispiel habe jetzt schon eine Omikron-Infektion obendrauf gehabt. Das war sehr wahrscheinlich BA.1. Das heißt, alle laufen quasi mit einem unterschiedlichen Status rum, je nachdem, wie, in welcher Kombination sie geimpft und infiziert sind?

Drosten: Also bei Influenza ist das so. Sie haben jetzt von SARS-2 gesprochen, aber da wissen wir das alles noch gar nicht so genau. Bei Influenza weiß man mehr und da kann man eben sagen: Ja, das ist so. Diese Kombinationen sind alle ganz unterschiedlich und es ist auch wirklich nicht von der Hand zu weisen, dass man immer die Immunität, die man als Erstes im Leben bekommen hat, führend hat, in der führenden Rolle. Das ist eben weiterhin dieses Konzept der Seniorität dieser Immunität, also die Vorstellung, dass durch wiederholte Exposition, wiederholtes Selektieren der Antikörper, die gegen die erste Infektion entwickelt wurden, diese Antikörper immer besser optimiert werden können.

Und diese Optimierung, die findet immer statt, während neue dazukommen gegen die neuen Varianten oder gegen die neue Vakzine. Und darum hat einfach die Immunität gegen das erste Virus eine längere Optimierungsgeschichte hinter sich. Darum wird die immer besonders gut sein und immer führen. Und es gibt da eben die unterschiedlichsten Kombinationen. Je nachdem, wann jemand geboren ist, hat er das erste Mal im Leben das eine Virus oder das andere Virus bekommen, je nachdem, was da gerade zirkulierte zu der Zeit.

Antigenetische Seniorität bei SARS-CoV-2

Und jetzt ist bei SARS-2 was anderes. Wir wissen gar nicht genau, ob diese Viren voneinander ausreichend unterschiedlich sind. Wie gesagt, ich denke, dass Omikron ein zweiter Serotyp ist und dass sich das jetzt so langsam auszuwirken beginnt. Es gibt aber auch Leute, die sagen, das ist noch gar nicht so stark differenziert. Das ist alles immer noch ein Brei. Aber wenn es jetzt eben so ist, dass Omikron unterschiedlich ist von den älteren Viren, dann wird das auch so sein, dass die Leute, die das erste Mal mit einem alten Virus infiziert worden sind, dort die führende Immunität haben.

Und was wir inzwischen an ersten Untersuchungen an Tieren und auch an Menschen sehen, ist, dass die Omikron-Immunität durch eine Infektion mit Omikron auch sehr stark die alte Immunität wieder hochzieht, wieder auffrischt und dass wir hier vielleicht ein erstes Zeichen eines solchen Immune Imprinting, einer antigenetischen Seniorität vielleicht dadurch wahrnehmen. Also das ist wahrscheinlich der Fall.

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Virensymbole fliegen um die Silhouette einer Person. (Bildmontage) © picture alliance Foto: lamianuovasupermail, stevanovicigor

Coronavirus-Update: Die häufigsten Hörerfragen

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Das kann man jetzt aber nicht ummünzen in die Wahrnehmung, es ist aber schlecht, wenn man sich jetzt gegen das alte Virus geimpft hat oder sich damit zuerst infiziert hat, für die Zukunftsperspektive Immunität zum Beispiel gegen Omikron oder andere Varianten zu entwickeln. Aus zwei Gründen. Der erste Grund ist, wie gesagt, es ist eben nicht so, dass sich die Immunität nicht auffrischen lässt durch eine aufgefrischte Impfung. Bei Influenza wissen wir, dass gerade diese aufgefrischten Impfungen auch zu einer Fortentwicklung der Immunität führen. Das ist das eine.

Zukünftige Immunescape-Varianten

Das andere ist, wir können im Moment gar nicht voraussagen, in welche Richtung eigentlich dieses SARS-2-Virus die nächste Immunescape-Variante hervorrufen wird auf dieser antigenetischen Landkarte. Sagen wir mal, wenn jetzt in der Mitte eine große Wolke ist für den alten Serotypen auf der Landkarte. Und jetzt ist Omikron nach rechts ausgewichen. Wissen wir eigentlich, ob der nächst,e nach Omikron folgende Drifttyp auch noch weiter nach rechts ausweicht? Oder springt der auf einmal nach links? Und dann wäre vielleicht der neue Typ von Omikron plötzlich sehr weit entfernt, aber von dem alten Serotypen wieder gleich weit entfernt.

Gerade jetzt am Anfang, wo sich dieses Virus aus multiplen Ursprüngen in Unterlinien aufteilt, also multiple Ursprünge in der alten ursprünglichen Diversität der Viren, da ist das nicht so ganz klar, wie die Drift weitergeht. Also ob wir jetzt in eine kontinuierliche Antigen-Drift reinkommen oder ob wir erst mal Sprünge in multiple verschiedene Richtungen sehen werden in den nächsten Jahren. Und allein aus dieser Basis betrachtet, abgesehen davon, dass man natürlich einfach die Impfung braucht, um die schweren Krankheitsfälle in der Bevölkerung zu unterbinden, aber auch aus dieser immunologischen Basis betrachtet, ist immer im Moment jetzt der beste Ratschlag, die alte Impfung als Startpunkt zu nehmen, wie das ja immer auch empfohlen wurde.

Studie mit Makaken zu angepasstem Moderna-Impfstoff

Wo jetzt im Moment eher so ein bisschen gerätselt wird, ob es sich lohnt, auf Omikron wirklich umzusteigen, je mehr Daten man kriegt. Ich selber habe ja noch vor ein paar Wochen wahrscheinlich hier im Podcast gesagt, man sollte dann ruhig auf die Omikron-Impfung umsteigen. Und im Moment ist es aber so, dass gerade die Daten im tierexperimentellen Bereich so aussehen, als würde sich dieser Umstieg vielleicht gar nicht unbedingt lohnen, zumindest mal anhand des kurzen Datenhorizonts, den man jetzt hat. Es gibt eine Studie, die zum Beispiel Makaken untersucht hat …

Hennig: Mit dem Moderna-Impfstoff.

Drosten: Genau, mit dem Moderna-Impfstoff. Da hat man die dritte Dosis einmal so und einmal so gestaltet. Da hat man also Makaken zweimal mit dem alten Impfstoff geimpft und dann beim dritten Mal entweder mit Omikron oder mit dem alten Impfstoff. Das ist so ein bisschen die Situation. Es gibt ja im Moment sicherlich noch Leute, die sagen: Soll ich beim Booster nicht warten, bis der Omikron-Impfstoff verfügbar ist? Und da haben wir ja immer gesagt hier im Podcast, und das bestätigt sich auch bis heute, auch durch diese Experimente: Nein, man soll nicht warten, man soll die dritte Dosis ruhig mit dem alten Impfstoff nehmen. Auffrischen kann man immer noch.

Und hier ist es so, diese Makaken, die da geimpft worden sind, Rhesusaffen, die profitieren nicht speziell von einer Omikron-Drittdosis gegen die Omikron-Infektion. Also die Booster-Wirkung ist gleich gut gegen Omikron. Also die Immunität, die durch den Booster entsteht, ist gegen Omikron gleich gut, egal, ob man den alten oder den neuen Impfstoff verwendet. Auf die lange Sicht lassen diese Daten aber noch nicht allzu viel zu, also auf Menschen projiziert. Diese Daten sagen uns noch nicht, was es heißt, wenn jemand, der vollständig dreimal geimpft ist, so wie Sie oder wie ich, dann im Laufe der Zeit weitere Vakzine-Updates kriegt.

Also im Sommer oder so heißt es, jetzt kann man sich impfen lassen gegen Omikron, wenn man das will, dann kann es schon noch was nützen, sich auch noch mal gegen Omikron zu impfen. Wenn wir davon ausgehen, dass die Drift des Virus weiter in die gleiche Richtung erfolgt. Das wissen wir im Moment noch nicht.

Hennig: Sie haben jetzt schon das Langfristige angesprochen. In dieser Makaken-Studie hat man, wenn ich das richtig gelesen habe, zwei Wochen nach dem Booster geguckt, was dann eine Infektion mit Omikron macht. Ist das denn aber nicht trotzdem auch ein bisschen zu kurz gesprungen? Weil wir haben ja auch gelernt, dass die Immunantwort sowieso noch nachreifen muss. Also dass da trotzdem noch Spiel wäre, dass der Omikron-Booster gegen Omikron auf lange Sicht ein bisschen wirkungsvoller sein könnte. Jetzt mal abgesehen davon, wie entwickelt sich das Virus überhaupt?

Drosten: Ja, absolut. Es gibt mehrere Dinge, die man da beachten muss. Das eine ist eben dieses Nachbeobachten. Also die Frage: Ist das nicht ein bisschen zu kurz geguckt? Muss man da nicht lieber nach ein paar Monaten nachschauen? Das werden die Leute sicherlich auch machen, die diese Experimente gemacht haben.

Abstand bei Grundimmunisierung

Was vielleicht sogar noch wichtiger ist, ist der Abstand nach der Grundimmunisierung. Also wenn jemand eine Omikron-Update-Impfung bekommt, dann könnte die Updatewirkung viel stärker werden, wenn zu dem Zeitpunkt dieser Update-Impfung die Antikörper aus der Erstimpfung, aus der Grundimpfung, also aus den ersten drei Dosen schon deutlich abgesunken sind. Wenn das schon lange her ist und ich kriege dann eine Update-Impfung, dann kann es sein, dass das Update eine ganz starke Richtungswirkung hat in die upgedatete Antigenitätsrichtung, die man vorher zum Beispiel in diesem relativ kurz terminierten Makaken-Experiment gar nicht wahrnehmen kann.

Was die da jetzt im Moment probiert haben, ist im Grunde ein modifiziertes Grundimmunisierungsschema, wo die dritte von drei Dosen Grundimmunisierung verändert wird. Aber das, was wir in der Bevölkerung bald haben werden, sind Menschen, die drei Dosen grundimmunisiert sind, normalerweise drei Dosen mit dem alten Impfstoff. Wie reagieren die jetzt auf eine vierte Dosis oder vielleicht sogar übernächstes Jahr auf eine fünfte Dosis von einem Update-Impfstoff gegen Omikron oder gegen eine dann zirkulierende Virusvariante? Das wird jahrelang Gegenstand von Vakzine-Forschung sein.

Hennig: Das heißt, das stärkt aber auch ein bisschen die Stiko-Empfehlung, die ja den Risikogruppen in hohem Alter insbesondere einen zweiten Booster mit dem bisherigen Impfstoff empfiehlt. Weil auch da gab es immer die Überlegung aus individueller Sicht: Ich komme jetzt erst so in den Grenzbereich, so lange ist mein erster Booster noch gar nicht her. Soll ich da auf Omikron warten? Und auch da gilt dann eben: Nee, das ist dann schon richtig so.

Drosten: Ja, das ist sicherlich im Moment so ein bisschen eine Empfehlung für die Ältesten.

Hennig: Über 70.

Drosten: Genau, bei denen man weiß, dass die unmittelbare Schutzwirkung nicht die langfristige Schutzwirkung, sondern die unmittelbare Schutzwirkung, die man jetzt wahrnehmen kann, schon wieder ein bisschen abgesunken ist. Und da kann man im Prinzip durch eine vierte Dosis wieder auf das gleiche Niveau kommen, vielleicht sogar ein kleines bisschen höher noch mal als nach der vollständigen dritten Dosis. Und das ist tatsächlich eher so ein Sicherheitsfaktor, der da gemacht wird, während man bei den jüngeren Leuten eigentlich sagen kann: Eine dreifache Immunisierung, die ist schon ein sehr guter Schutz.

Also was vielleicht dann nicht mehr so ganz akut da ist, ist der Akquisitionsschutz, also sich überhaupt zu infizieren, das will man ja eben bei den besonders alten Leuten auch noch verhindern durch eine jetzt noch mal frische Booster-Impfung, während man noch nicht so genau weiß, wie man Omikron einordnen kann und so weiter. Das macht man jetzt, weil man einfach auch noch nicht so die Erfahrung hat. Und bei den jüngeren Leuten, also der Schutz gegen die Akquise der Infektion, der ist sicherlich reduziert nach einer Zeit nach dem Booster.

Aber dann kommt aus dem Immungedächtnis eben eine sehr schnelle Immunreaktion. Die ist nach einer Woche voll da und da wird auch eine beginnende Infektion, die sich dann ankündigt, auch mal mit Fieber und so weiter radikal unterbunden. Und wie wir jetzt eben auch wissen, auch bei Omikron sehr, sehr gut unterbunden durch die alte Immunität.

Herausforderungen für die Impfstoffentwicklung

Hennig: Wenn wir aber jetzt auf die Impfstoffentwicklung noch mal zurückkommen mit Blick auf den Herbst, das ist ja eine große Hausaufgabe, die aber wahnsinnig viele Fragezeichen beinhaltet, was die Evolution des Virus angeht. Wie gut kann man denn da jetzt ins Blaue der Evolution hinein vorsorgen?

Drosten: Man kann das im Prinzip gar nicht. Wir haben erst mal den sehr guten Befund, das muss man einfach mal sagen, dass wir hier nicht die falsche dritte Dosis gegeben haben, sondern dass es vollkommen okay ist, vielleicht sogar ein kleiner Vorteil, die Grundimmunisierung mit drei Dosen von dem bisherigen Impfstoff abzuschließen. Das ist erst mal eine gute Nachricht.

Mögliche Virus-Drift und Folgen

Wie es weitergeht? Na ja, wir kommen langsam in so ein Fahrwasser rein, wo man der Virus-Drift zumindest für ein paar Jahre folgen muss. Ob man das auf alle Ewigkeiten muss, weiß ich nicht. Bei Influenza muss man das. Kann sein, dass man es bei diesem Coronavirus nicht muss, weil man es bei anderen Coronaviren auch nicht muss. Die sind vielleicht langfristig ein bisschen stabiler, driften nicht so stark.

Aber jetzt, in den ersten Jahren nach der Pandemie oder im Übergang zum endemischen Status, wird es Sprünge geben, vielleicht gar nicht driftende Sprünge, sondern Zufallssprünge, denen man aber auch wieder folgen muss. Und ja, da kommen wir jetzt wirklich in die Spekulation rein. Ich kann da nur sagen: Man muss abwarten. Bei Omikron ist es jetzt offenbar ganz glimpflich gelaufen, vor allem natürlich auch wegen der grundlegend verringerten Krankheitsschwere. Aber wie gesagt, in nicht immunen Populationen ist es gar nicht so ein harmloses Virus, das Omikron-Virus.

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Jemand macht eine Strichliste neben der Abbildung von Viren. © picture alliance, panthermedia Foto: Image Broker

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Hennig: Das heißt, um es noch einmal festzuhalten, wir haben immer wieder und wieder über die Impflücke, insbesondere auch in den älteren Altersgruppen, hier im Podcast gesprochen. Auch wenn man noch nichts Genaues weiß, auf lange Sicht auch bei einem größeren evolutionären Sprung, kann man von der Grundimmunisierung, wenn man sie jetzt mit drei Impfungen noch vornimmt, auch dann noch profitieren?

Drosten: Absolut. Also die Empfehlung ist weiterhin vollkommen richtig. Es gibt keine Gründe, davon jetzt abzuweichen.

Ausblick: Entwicklung in Deutschland, Masken und Risikopatienten

Hennig: Ich würde gerne noch mal ein bisschen vorausblicken. Am Anfang haben wir das ja schon gemacht. Sie haben auch schon gesagt: Omikron ist offensichtlich einigermaßen glimpflich verlaufen, aber jetzt kommen die Ansteckungen in den hohen Altersgruppen an und auf den Intensivstationen ist die Situation zwar beherrschbar, so scheint es, aber entspannt ist trotzdem noch was anderes. In den Krankenhäusern wird es schon noch eine Weile dauern, oder?

Drosten: Ja, die Krankenhäuser haben natürlich weiterhin eine Belastung im Normalstationsbereich. Ich weiß, ehrlich gesagt, gar nicht genau, wie jetzt die die aktuelle Situation in Deutschland ist.

Hennig: Es ist regional sehr unterschiedlich, glaube ich.

Drosten: Es gibt, glaube ich, Gebiete, in denen noch die Normalstationen erheblich überlastet sind, die Intensivstationen zum Glück nicht so stark. Und es gibt natürlich Befunde in anderen Ländern, die das einfach ganz klar zeigen. Aber ich glaube dennoch, dass wir jetzt hier für Deutschland mit unserer jetzigen Situation, mit den weiter aktiven Kontrollmaßnahmen, die in einiger Zeit wieder noch ein weiteres Stück zurückgenommen werden, ganz gut fahren. Und ich hatte es vorhin schon mal gesagt, der lange Ausblick wird jetzt erst mal auf die Übertragung sein.

Da gibt es vielleicht ein paar Dinge, die man auch sagen muss, die vielleicht einigen noch nicht klar sind. Wir haben ja letztes Jahr die Erfahrung gemacht, dass mit dem Beginn der warmen Temperatur sehr schnell die Inzidenz runterging. Und erst, als dann Delta anzog, dass man dann wieder sah, es kommt so ein bisschen wieder Infektionstätigkeit zustande, aber in Deutschland war es praktisch erst spürbar zum Herbst hin. In England beispielsweise war es schon spürbar im Sommer. Aber demgegenüber stand auch der Impffortschritt.

Ausblick auf den Sommer

So, und jetzt ist die Frage: Wie wird das eigentlich dieses Mal laufen? Wir haben im Moment bei einem Impffortschritt, der eigentlich so ist, wie wir ihn realistisch ohne weitere Maßnahmen staatlicherseits erreichen können, also wir werden nicht höher kommen mit dem Impffortschritt, doch eine erhebliche Infektionstätigkeit von Omikron. Deshalb gehe ich davon aus, dass es keinen infektionsfreien Sommer geben wird, so wie im letzten Jahr. Ich gehe davon aus, und da gibt es sowohl mathematische Begründungen dafür aus Modellierungen als auch Realitätschecks: Also schauen wir beispielsweise nach Südafrika, die Omikron-Welle dort, die nahm ja dieses Ausmaß an im Hochsommer.

Der Hochsommer ist ja die Zeit, als auf der Südhalbkugel Omikron in Südafrika richtig ankam. Und dennoch ging es voll hoch, trotz der hohen Temperaturen. Also ich glaube, dass das auch bei uns so sein wird, dass wir jetzt nicht eine ungebändigte Welle im Sommer sehen. Aber ich denke schon, es wird einfach Infektionstätigkeit geben. Man wird sich auch im Sommer mit diesem Omikron-Virus anstecken können. Deswegen glaube ich, dass es auch im Sommer ratsam ist, nicht beispielsweise die Maskenpflicht in Innenräumen komplett fallen zu lassen.

Also draußen alles gut, alles kein Thema. Man kann ja zum Glück auch viel draußen sein im Sommer. Aber jetzt so einen dichtgepackten Raum ohne jede Maßnahmen, da wird man sich im Sommer auch die Infektion holen. Die Frage ist natürlich, ob man das auch auf sich nehmen will, weil man vollständig immunisiert und jung ist. Das kann man ja alles diskutieren. Aber dennoch, so wie im letzten Sommer mit so einem niedrigen Infektionsrisiko wird es wahrscheinlich nicht sein. Und dann kommt der Winter. Und im Winter sind diese Faktoren wieder weg.

Und da wird es dann sicherlich, wenn Omikron so bleibt, wie es ist und bei uns bleibt und sich bis dahin nicht irgendwelche Grundparameter ändern, wird es wieder zu einer Winterwelle kommen, die dann hoffentlich nicht mit schweren Krankheiten einhergeht, wegen der Impfabdeckung. Aber eben diese Gefahr massenhafter Arbeitsausfälle und so weiter, das wird es weiter geben. Auch deshalb noch mal der Hinweis: Die Pandemie ist nicht nur vorbei, wenn durch die Impfung die schwere Krankheitsschwere abgeschnitten ist, sondern wenn durch bestimmte Modifikationen in der Bevölkerung auch diese hohe Übertragbarkeit beendet ist. Und wie kommen wir dahin?

Schleimhautimmunität

Wir kommen wahrscheinlich mit unseren jetzigen Vakzinen nicht dahin, denn für ein Unterbinden mit biologischen Gründen dieser höheren Übertragbarkeit, dass wir biologisch, medizinisch diese höhere Übertragbarkeit unterbinden, da ist ja nur denkbar, dass die Leute eine Schleimhautimmunität, also eine Immunität an den oberen Respirationstrakt-Schleimhäuten entwickeln, wie das auch bei anderen Respirationstrankt-Infektionen der Fall ist, und die Infektion dadurch nicht mehr so schnell weitergegeben wird.

Also schauen wir uns Influenza an. Bei Influenza hat jeder Erwachsene in seinem Leben x-mal die echte Infektion im Rachen, in der Nase gehabt und dadurch bildet sich an der Schleimhaut eine eigene ortsständige Immunität. Und das führt dazu, dass der R-Wert bei der Influenza in der Hochsaison zwischen Weihnachten und Karneval oder Ostern, das ist ja so die Zeit der Influenza-Saison, da kommt der Übertragungswert mal kurz über eins, bei 1,1, 1,2 ist er dann für vier oder sechs Wochen und dann geht er wieder unter eins. Das wird jetzt bei SARS-2 auch im nächsten Winter kaum zu erreichen sein.

Also wir müssen uns darauf einstellen, dass wir ohne jede Übertragungskontrolle, unbesehen der Krankheitsschwere, auch da wieder auf R-Werte von zwei oder drei kommen würden, wenn wir es laufen ließen. Und die erste einfache Antwort ist natürlich, wenn die Krankheitsschwere schon abgeschnitten ist und wir jetzt nur noch die Übertragbarkeit abschneiden müssen, aber uns weiter frei gesellschaftlich bewegen wollen, ist die einfachste Lösung erst mal eine FFP2-Maske.

Die wird natürlich diese Übertragungen sehr stark unterbinden. Und dann natürlich über die mittel- und langfristige Sicht ist das nach heutigem Ermessen der Erwerb von Infektionen in der jüngeren, nicht mit einem Risiko behafteten und natürlich grundimmunisierten Bevölkerung. Also ganz einfach ausgedrückt, das Argumentieren für Infektionen auf dem Boden einer vollständigen Impfung, also einer dreifachen Impfung.

Hennig: Aber nur dann.

Gradueller Erwerb von Übertragungsimmunität

Drosten: Aber nur dann. Das ist nicht das Argumentieren für Durchseuchung. Durchseuchung ist was anderes. Das ist letztendlich das Argumentieren für den graduellen Erwerb einer Übertragungsimmunität in der Bevölkerung. Das muss man einfach auch so sehen. Und da kann man natürlich jetzt viele, viele Argumente finden, die natürlich dagegen sprechen. Also Long Covid, die ganze Unklarheit darum, ganz klar. Wir wissen auf der anderen Seite aber eben, dass schon eine zweifache und natürlich erst recht eine dreifache Impfung ganz stark gegen Long Covid schützt.

Gegen den Hauptaspekt von Long Covid, gegen die verlängerte Krankheitsdauer. Bei den neurologischen Dingen und immunologischen Dingen, da bin ich mir noch nicht so ganz sicher. Darum will ich da auch nicht immer ganz so freimütig dafür argumentieren. Aber dennoch, ich muss einfach auch aus Verantwortung sagen, dass das der Weg in den wirklichen endemischen Zustand sein wird. Wir haben einfach die Alternative dazu nicht verfügbar.

Lebendimpfstoffe

Die Alternative wäre, dass man Lebendimpfstoffe hätte, bei denen man sich das Vakzine-Virus auf die Schleimhaut geben kann, zum Beispiel als Nasen- oder Rachenspray, und dort eine lokale Schleimhautimmunität aufbaut über ein dezent replizierendes, aber überhaupt nicht krank machendes Lebendvakzin. Und das könnte man der ganzen Bevölkerung verabreichen. Das wäre ideal. Aber so ein Vakzin ist noch nicht zugelassen.

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Darum ist bis zu einer Änderung dieser Zulassungssituation solcher Vakzine der Erwerb von natürlichen Infektionen, vor allem in der geimpften jungen Bevölkerung über die Zeit der Schlüssel zur Unterbindung der spontanen Übertragung und zur Beendigung der Pandemie.

Schutz von Risikogruppen

Hennig: Das heißt währenddessen aber, während so einer Phase, rückt dann noch mal ganz massiv in den Fokus: Wie können Risikogruppen währenddessen trotzdem geschützt werden, wenn man eben keine großen allgemeinen Maßnahmen hat? Auch zum Beispiel die Familien mit Kindern, die ganz normal zur Schule gehen und wo entweder ein Geschwisterkind oder ein Elternteil eine schwere Vorerkrankung hat.

Drosten: Alles das. Das gehört alles zu dem dazu, was man vielleicht Moderation des Übergangs in die endemische Phase nennen kann. Man muss sowohl die Risikopatienten da wegmoderieren, indem man sagt, die werden speziell angeschaut, die kriegen bestimmte spezielle Konditionen.

Antivirale Medikamente

Man darf auch nicht vergessen, es gibt inzwischen glücklicherweise antivirale Medikamente, die man gerade für solche Personen auch vorhalten kann. Da kommen wir wirklich in eine hausärztliche Betreuung rein, dass ein Hausarzt weiß, ich habe hier in meiner Kartei diese Patienten und für die habe ich mal Sorge getragen und denen mal erklärt, wie Paxlovid funktioniert beispielsweise. Dass es das gibt, wie früh man das nehmen muss, auf welche Symptome man achten muss, wie man an frühe Diagnostik kommt. Also alle diese Dinge in der hausärztlichen Beziehung. Das ist so die eine Moderation.

Die andere Moderation wird aber zumindest im nächsten Winter ganz sicher auch das Moderieren der verbleibenden spontanen Übertragung sein, denn wir werden das bis dahin nicht erreichen, diesen Zustand. Da kann man sich eine ganz leichte Überschlagsrechnung machen. Stellen wir uns doch mal vor, die ganze Bevölkerung müsste sich jetzt bis zum nächsten Winter ein- oder sogar zweimal mit Omikron infizieren, damit dann wirklich eine Schleimhautimmunität auf Bevölkerungsebene aufgebaut wäre. Also nicht jede Infektion führt gleich zu einer nachhaltigen Schleimhautimmunität. Das braucht ein paar Anläufe. Das ist einfach rein zahlenmäßig nicht zu erreichen und zu schaffen.

Und deshalb müssen wir uns darauf einstellen, dass man auch die Übertragung, nicht nur die schwere Krankheit, im nächsten Winter wieder moderieren muss. Hoffentlich vor allem durch das Tragen von FFP2-Masken und hoffentlich nicht durch weitere nicht-pharmazeutische Interventionen, wie wir sie jetzt in diesem Winter noch gehabt haben und immer noch in Restbeständen haben. Das ist einfach die Realität, die wir uns vor Augen führen müssen. Und es ist jetzt auch einfach so etwas Längerfristiges.

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Ich glaube, wir können hier auch in diesem Podcast nicht mehr von Woche oder von Monat zu Monat selbst mit neuen Einschätzungen kommen, sondern können eigentlich nur sagen: Das ist jetzt die Einschätzung für die nächste längere Zeit, die man geben kann. Das wird auf uns zukommen. Kein infektionsfreier Sommer, Moderation der Risikopatienten, Moderation der verbleibenden Spontanübertragung und dann graduelle Akquise von echten Infektionen unter dem Schutz einer vollständigen Impfung.

In eigener Sache: Zukunft des Podcasts

Hennig: Sie haben jetzt schon von Woche zu Woche oder von Monat zu Monat angedeutet. Wir müssen zum Schluss noch mal in eigener Sache reden. Sie haben im Herbst schon mal gesagt: Eigentlich ist das Wesentliche, sind die großen Linien in der Pandemie jetzt sichtbar. Die Wissenschaft hat geliefert. Wir haben umfassend berichtet, was wir aus der Forschung wissen. Nun ist die Politik am Zug. Das ist genau dieses Moderieren, was Sie angesprochen haben. Dann kam im Herbst aber erst mal oder nach dem Herbst, im Winter, dann erst mal Omikron und es gab wieder einiges zu besprechen. Aber nun stehen wir wieder an einem Punkt, an dem Sie sagen: Jetzt könnte ich mich vollständig erneut der Forschung widmen. Oder?

Drosten: Ja, genau. Das muss ich natürlich auch aus Gründen der Arbeitsökonomie. Aber es ist tatsächlich so, ich hatte ja im letzten Herbst gesagt: Die Forschung hat geliefert. Jetzt wird das alles an die Politik übergeben. Es gibt eigentlich nicht mehr diesen Grund, wirklich für informationsinteressierte Personen Informationen zu liefern, die man sich sonst schwer erschließen kann, weil eben dieses direkte Einschätzen der momentanen Lage das ist, was man braucht, um kooperativ an der Infektionskontrolle mitzuarbeiten.

Und ich hatte im Herbst schon das Gefühl, dass das jetzt mit dem Ankommen der Verfügbarkeit der Impfung erreicht ist und dass die Leute, die sich eben nicht für die Information interessieren und die auch nicht so mitarbeiten wollen, die wird man auch nicht mehr erreichen. Darum kann man im Prinzip aufhören und jetzt der Politik überlassen, wie das weiter gehandhabt wird. Und dann kam Omikron. Da musste einfach wirklich noch mal der Plan geändert werden, weil das war wirklich wieder so eine Phase von Orientierungslosigkeit.

Aber ich habe doch schon stark das Gefühl, dass die Orientierung jetzt auch wieder gegeben ist und wieder da ist und dass es doch ganz glimpflich gelaufen ist mit Omikron, sowohl hinsichtlich der Krankheitsschwere als auch hinsichtlich der guten Schutzwirkung der Impfung, wie wir sie jetzt haben.

Informationszwischenstand zum zweiten Quartal

Ich glaube, der nächste Informationszwischenstand wird irgendwann im Laufe des zweiten Quartals kommen. Vielleicht eher so gegen Ende, hinsichtlich, was machen wir jetzt mit einer Update-Impfung? Braucht man das? Braucht man es nicht. Was ist der relative Nutzen? Und bis dahin ist, glaube ich, nicht mehr viel zu sagen. Und ich sehe im Moment auch nicht, dass das ein Grund wäre, diesen Podcast jetzt weiter zu verlängern, zu betreiben. Denn wie gesagt, ich bin ja nicht daran interessiert, eine Medienfigur zu sein oder eine Medienkarriere zu starten. Das ist eine Unterstützung oder Intervention in die Pandemie und die ist jetzt in dieser Form nicht mehr notwendig.

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Hennig: Das heißt konkret, diese Folge hier ist in dieser Form erst mal die letzte mit Ihnen. In dieser Form bedeutet aber, in vier Wochen sprechen wir uns noch einmal zum Blick auf das große Ganze mit Ihnen, gemeinsam mit Sandra Ciesek. Und eins müssen wir noch sagen, Sie haben das eben angedeutet, die Lage kann sich natürlich trotzdem ändern, weil die Pandemie noch nicht zu Ende ist.

Vorläufig letzte Folge

Ich hatte gesagt, erst mal die letzte Folge, aber Sie sind nicht aus der Welt. Wenn sich die Lage gravierend ändert und vor allem, wenn es was gibt, zu dem die Virologie aufklärerisch beitragen kann, dann rufen wir Sie natürlich wieder an und dann werden wir uns gegebenenfalls auch im NDR Info Podcast noch mal melden, wenn wir gemeinsam zu dieser Einschätzung kommen.

Drosten: Genau. Das ist einfach so eine Frage der Einschätzung. Man kann ja bestimmte Zwischeninformationen immer auch mal irgendwo in einem Interview geben. Aber wenn dann die Einschätzung so ist, dass es jetzt doch wieder schwierig wird, dann würde ich sicherlich auch wieder einsteigen.

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NDR Info | Das Coronavirus-Update von NDR Info | 01.03.2022 | 17:00 Uhr

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Weizen wächst auf einem Feld. © dpa Foto: Friso Gentsch

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Brüssel geht einen Schritt auf die Bauern zu und senkt die Auflagen. Bauernverband und Landwirte freuen sich, die Grünen in SH laufen Sturm. mehr