"Kopf ab!“ - Diskussion über Hamburger Bismarck-Denkmal

Die Zukunft des größten Bismarck-Denkmals der Welt in Hamburg sorgt weiter für Diskussionen. Die Kulturbehörde hat angekündigt, dass im Sockel des Denkmals nach der Sanierung eine kritische Ausstellung zu sehen sein soll. Außerdem sei ein Symposium im Herbst in Planung, das Ideen für einen Umgang mit dem Denkmal sammeln soll. Für Kritiker wie den evangelischen Pastor und Gedenkkultur-Experten Ulrich Hentschel steht das Denkmal für deutschen Größenwahn und auch die Verbrechen des Kolonialismus.
Herr Hentschel, was würden Sie mit dem Bismarck machen?
Ulrich Hentschel: Es gibt viele Ideen. Eine wäre, die Szene zu wiederholen, die sich kurz vor der feierlichen Einweihung des Denkmals abgespielt hat. Da wurde der große Kopf des Herrn Bismarck in einem Pferdefuhrwerk von Altona zum Denkmal gebracht und dann draufgesetzt. Warum nimmt man diesen Kopf nicht wieder herunter, setzt ihn auf einen in Stein gemeißelten Pferdewagen - diesmal sozusagen auf dem Rückweg. Das heißt, es würde eine Irritation geben. Die ist ja enorm wichtig, so dass man nämlich die Monumentalität und Wucht dieses Denkmals aufbricht. Es nützt eben nichts, in den Katakomben ein paar Erklärungstafeln anzubringen. Die Wucht muss gebrochen werden. Dazu braucht es originelle Ideen. Jemand hatte vorgeschlagen, den großen Bismarck einfach schräg zu stellen. Ich vermute, das wäre statisch aufwendiger und teurer. Aber das soll ja alles im Herbst besprochen werden. Am Ende darf der alte Bismarck nicht mehr in seiner heroischen Pose mit dem Schwert Hamburg dominieren.
Was sagen Sie denen, die meinen, es sei doch unsere Geschichte und Bilderstürmerei helfe niemanden weiter?
Hentschel: Denen sage ich: Ja, es ist unsere Geschichte. Und deshalb müssen wir darstellen, was Bismarck wirklich bedeutet hat. Er war nämlich kein Heroe, der nur Gutes für die Welt gebracht hat. Bekannt ist, dass er nach anfänglichem Zögern die deutsche Kolonialpolitik begründet hat. Auf einer Konferenz in Berlin, die er einberufen hat, stand er mit anderen gebeugt über eine Landkarte Afrikas, und sie haben dann den Kontinent untereinander aufgeteilt wie eine Räuberbande. Man sollte auch daran erinnern, dass er die Vorgängerorganisation der SPD verboten hat. Tausende von Sozialisten kamen damals in Gefängnisse und wurden ausgewiesen. Und dann war da auch noch der Kulturkampf, der sich nicht nur gegen die katholische Kirche richtete, sondern auch gegen das katholische Polen. Das alles sollte dargestellt werden. Und da bedarf es schon mehr als einer Erklärungstafel.
Wenn Sie sich die Gedenkorte Neuengamme, Stadthaus, Hannoverscher Bahnhof und jetzt Bismarck anschauen: Welchen Eindruck haben Sie vom Gedenk-Konzept des Senats?
Der Gesamteindruck ist nicht gut. Es hat viele Fortschritte gegeben, wie die, die Sie genannt haben - aber diese Fortschritte waren immer von Gruppen aus der Zivilgesellschaft erkämpft. Der Senat musste immer gedrängt werden. Deshalb muss es diese Initiativen weiter geben. Wir müssen politisch aufmerksam bleiben, damit das nicht staatlich dominiert wird. Es braucht einen offenen Diskussionsprozess für das Bismarck-Denkmal - unter Begleitung aber nicht unter Leitung der Kulturbehörde, damit hier etwas gelingt, was in den letzten Jahren oft misslungen ist.
Das Interview führte Patricia Seger.
