Menschen beim Freitagsgebet in der Moschee © Abdul-Ahmad Rashid/NDR Foto: Abdul-Ahmad Rashid
Menschen beim Freitagsgebet in der Moschee © Abdul-Ahmad Rashid/NDR Foto: Abdul-Ahmad Rashid
Menschen beim Freitagsgebet in der Moschee © Abdul-Ahmad Rashid/NDR Foto: Abdul-Ahmad Rashid
AUDIO: Sufismus: Die mystische Seite des Islam (5 Min)

Sufismus: Die mystische Seite des Islam

Stand: 17.03.2023 08:58 Uhr

Der Sufismus ist eine mystisch geprägte Strömung innerhalb des Islam. Auch in Deutschland gibt es verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Ausrichtungen. Eine davon trifft sich regelmäßig in Hamburg.

von Abdul-Ahmad Rashid

Hamburg, Stadtteil Hohe Luft: Im ersten Stock eines Hauses an der vielbefahrenen Straße sitzen mehrere Menschen in einem großen weißen Raum auf blauen Teppichen. Sieben Frauen und vier Männer, im Schneidersitz, alle in weiß gekleidet. Ruhig und konzentriert schauen sie vor sich hin. Die Stille ist fast spürbar.

"Der Sufismus ist eine Disziplin, eine Methode, ein Weg der Selbsterkenntnis", sagt der Arzt Hassan Bashloughi. "Das ist das, was mich fasziniert: Erst die Theorie zu lernen, dann das in die Praxis umzusetzen, die praktischen Sachen anzuwenden, um Schritt für Schritt ruhiger zu werden, meine Achtsamkeit zu steigern und mir näher und näher zu kommen. Dieser Selbsterkenntnis näher zu kommen, um mich selbst kennenzulernen."

Hassan Bashloughi ist im Iran geboren und in Hamburg aufgewachsen. Zu der Gruppe ist er vor 25 Jahren gestoßen.

"Jeder ist willkommen"

Der Sufismus ist so alt wie der Islam selber. Die ersten Anhänger soll es schon zu Lebzeiten des Propheten Mohammed im siebten Jahrhundert gegeben haben. Als bekanntester unter ihnen gilt Oveyss al-Qarani aus dem Jemen, der als Einsiedler in der Wüste lebte. Auf ihn geht die Schule MTO, also Maktab Tarighat Oveyssi, zurück. Doch muslimische Traditionen wie Gebetsruf und gemeinschaftliche Gebete sucht man bei den Sitzungen von MTO vergeblich.

"Wir praktizieren alle islamischen Regeln und alle islamischen Grundsätze, verharren aber nicht in Ritualen", stellt Hassan Bashloughi klar. Deshalb muss man auch nicht Muslimin oder Muslim sein, um bei den Treffen teilnehmen zu können. "Hier ist jeder willkommen, unabhängig von Ethnie, Geschlecht, Religionszugehörigkeit oder anderen Identifikationsmerkmalen", sagt Bashloughi. "Bei uns in der Gemeinde sitzen Menschen, die vorher gar keinen Glauben hatten, die christlichen Glaubens sind. In anderen Gemeinden haben wir eine große jüdische Gemeinde, einige, die eine buddhistische Ausrichtung haben. Und das ist genau das Schöne daran."

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Die Lehre von Achtsamkeit und Ausgeglichenheit

Die Schule von MTO versteht sich vor allem als eine Schule des praktischen Sufismus. Das heißt, die Erkenntnisse bei den wöchentlichen Sitzungen sollen im Alltag umgesetzt werden. "Es gibt natürlich Situationen, die mich verärgern", erzählt Hassan Bashloughi. "Ich zeige dann auch meinen Unmut, aber in Maßen. Ich versuche nicht, meine Stabilität, meine innere Ruhe vollkommen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Gleichgewicht ist auch ein Lehrsatz im Sufismus: Jede Übertreibung (…) ist nicht richtig."

Der Höhepunkt der Sitzungen ist der Zekr, das "Gottesgedenken". Es ist eine von vielen Methoden im Sufismus, um Achtsamkeit und Ausgeglichenheit zu erlangen. "Das Zentrum unserer Konzentration, unserer Bewegungen, die wir durchführen, ist das Herz. Wir tappen sanft auf die Knie, um uns wach zu halten (…) mit Konzentration im Herzen, mit der Bewegung, die letztendlich (…) eine liegende Acht darstellt, das Unendlichkeitszeichen, beginnend im Herz und endend wieder im Herz, von links nach rechts. (…) Eine Kernaussage dieser Schule ist von Hazrat Oveis, dem Gründer dieser Schule: Behüte dein Herz, und deswegen sind alle Praktiken Herz-zentriert."

Die Sitzungen enden immer mit einem gemeinsamen Bittgebet. Danach geht es hinaus in den grauen Hamburger Alltag, gestärkt mit frischen Erkenntnissen.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 17.03.2023 | 15:20 Uhr

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