Muslimische Seelsorge: Wie steht es um die Berufsperspektiven?
Es geht voran mit der Professionalisierung der muslimischen Seelsorge - auch in Norddeutschland. Dennoch arbeiten viele der Seelsorger*innen ehrenamtlich, da feste Stellen eher die Ausnahme sind.
In Hamburg werden muslimische Krankenhausseelsorger*innen durch christliche Seelsorger*innen ausgebildet. In Niedersachsen gibt es, in Kooperation mit dem Islamverband Schura, einen muslimischen Seelsorgekurs für den Strafvollzug. Und vor kurzem haben am Islamkolleg Deutschland in Osnabrück die ersten Seelsorger*innen ihre Ausbildung abgeschlossen - nach denselben fachlichen Standards wie ihre christlichen Kolleginnen und Kollegen. Ein wichtiges Etappenziel wurde damit erreicht. Doch wie steht es um die Berufsperspektiven?
Kaum feste Stellen für muslimische Krankenhaus-Seelsorger*innen
Im Evangelischen Krankenhaus Oldenburg ist Elif Demirkan-Coban auf dem Weg zu Pastorin Anke Fasse. Die 43-jährige Muslimin hat bei ihr ein Praktikum absolviert während ihrer Seelsorge-Ausbildung am Islamkolleg in Osnabrück. Nun steht auch Elif Demirkan-Coban, wie Anke Fasse, Patienten in schwierigen Lebenssituationen am Krankenbett hilfreich zur Seite. "Ich habe sie als Vorbild, und ich bin echt froh, dass ich sie habe", sagt Demirkan-Coban. "Ich beobachte, wie sie mit Leuten umgeht, ihre ruhige Art, wie sie die Personen wahrnimmt und wie respektvoll sie ist. Auf jeden Fall gibt mir das etwas."
"Wir sind da, bieten an, den Menschen zu sehen, dafür das Gespür zu haben und offen zu sein", erklärt Fasse. "Den Menschen als Individuum in seinem Ganzen zu sehen, den Körper, den Geist und die Seele in den Mittelpunkt zu stellen."
Elif Demirkan-Coban ist vor allem für muslimische Patienten da. Die Seelsorgerin fühlt sich durch die qualifizierte berufsbegleitende Ausbildung am Islamkolleg gut auf den Krankenhausalltag vorbereitet. Elif Dmirkan Coban arbeitet ehrenamtlich, denn feste Stellen für muslimische Krankenhaus-Seelsorger*innen gibt es bisher kaum in Deutschland. "Von Kollegen und Kolleginnen weiß ich, dass in den großen Unikliniken immer mehr Erfahrungen gesammelt werden in interreligiösen Teams. Ich halte das durchaus für wünschenswert", so Fasse.
"Es fehlt noch an Strukturen und Ideen"
"Hinsichtlich der Berufsperspektiven kann ich sagen, dass viele unserer Absolventinnen und Absolventen die Seelsorgetätigkeit ehrenamtlich ausüben werden", sagt Cengiz Ayar, Referent für Seelsorge am Islamkolleg. Auch in Moscheegemeinden oder im Gefängnis seien Stellenangebote für Seelsorger die Ausnahme. Einige Gefängnisseelsorger, zum Beispiel In Rheinland Pfalz oder in Bayern, haben einen festen Job. Und in Niedersachsen sind acht muslimische Seelsorger und eine Seelsorgerin mit Honorarverträgen bei den Justizvollzugsanstalten beschäftigt.
"Mein Wunsch ist natürlich auch, dass demnächst die finanziellen Möglichkeiten dafür geschaffen werden, dass man diese Tätigkeit professionell in Vollzeit ausüben kann", betont Ayar. "Aber da fehlt es noch an Strukturen und Ideen. Es braucht in dieser Hinsicht noch etwas Zeit." Das sieht Elif Demirkan-Coban ähnlich und fährt daher, wie die meisten Absolventen, mehrgleisig. Sie ist dabei, eine Ausbildung als muslimische Geistliche am Islamkolleg abzuschließen und qualifiziert sich gleichzeitig in Sozialarbeit weiter: "Und wenn ich da als Sozialarbeiterin irgendwo arbeiten kann", hofft sie. "Ich denke schon, dass es sich öffnen wird - aber wann, wissen wir nicht."
Zwischen Zuversicht und Enttäuschung
Noch sind viele Fragen offen. Nicht nur, wie die muslimische Seelsorge finanziert werden soll - die rechtliche Anerkennung des Islam als Religionsgemeinschaft ist ebenfalls ungeklärt. Da hat sich wenig getan in den vergangenen krisenreichen Jahren - weder bei den Islamverbänden noch auf politischer Ebene. Das weiß auch Ajdin Suljakovic aus Osnabrück. Der bosnische Imam würde am liebsten hauptberuflich als Seelsorger arbeiten und schwankt nun zwischen Zuversicht und Enttäuschung: "Wir sehen keine Möglichkeiten für die Zukunft, dass diese Seelsorger, die als allererste Generation hier in Deutschland ausgebildet sind, tatsächlich auch eingesetzt werden. Ansonsten bleibt es einfach eine schöne Fortbildung."
