Kopftuchverbot: Erneute Debatte um Neutralitätsgesetz
Anfang Februar hat das Bundesverfassungsgericht entschieden: Das Land Berlin kann Lehrerinnen das Tragen von religiösen Symbolen nicht pauschal verbieten. Damit steht das umstrittene Neutralitätsgesetz in Frage.
Die Diskussionen um das Neutralitätsgesetz reißen nicht ab. Es untersagt Lehrkräften religiöse Symbole im Dienst zu tragen. Das kann ein Kopftuch sein, aber auch ein Kreuz oder eine Kippa. Muslimischen Lehrerinnen in Berlin soll nun gestattet sein, mit Kopftuch zu unterrichten. In anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg oder Niedersachsen ist das schon länger möglich.
Neutralitätsgesetz: Eine umstrittene Verordnung
2020 hatte zunächst das Bundesarbeitsgericht das Neutralitätsgesetz gekippt, weil es gegen die Religionsfreiheit verstoße. Damals hatte eine Muslimin gegen das Land Berlin geklagt, weil sie wegen ihres Kopftuches nicht in den Schuldienst übernommen worden war. Gegen die Abschaffung des Gesetzes regte sich Widerstand im damaligen Senat für Bildung, Jugend und Familie. Eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht war die Folge. Diese wurde nun abgelehnt. Die Entscheidung kommt bei der jungen Muslimin Camilla gut an: "Weil das aus religiöser und auch aus meiner persönlichen Sicht zu meinem Leben dazugehört. Es kommt für mich nicht in Frage, das jetzt abzusetzen."
Was für die einen ein Erfolg ist, ist für die zahlreichen Befürworterinnen und Befürworter des Gesetzes ein Rückschlag. Die Publizistin und SPD-Politikerin Lale Akgün ist eine von ihnen: "Für mich war es wichtig zu sehen, dass der öffentliche Dienst als sichtbarer Vertreter des Staates ohne sichtbare Zeichen von Weltanschauung und Religion ist. Ich finde es sehr interessant, dass sich kein Mensch über das Wort 'Weltanschauung' aufregt. Deshalb ist es selbstverständlich, dass niemand mit einem Parteiabzeichen in die Klasse geht oder als Richter irgendwo sitzt. Aber alle regen sich furchtbar über die Vorschriften im religiösen Bereich auf, und da kommt es immer wieder zum Fokus aufs Kopftuch. Das ist der Punkt, an dem die Leute aneinandergeraten."
Auch die Berliner CDU-Fraktion will am Neutralitätsgesetz festhalten - für die Grünen-Politikerin Kahlefeld völlig unverständlich. Sie möchte, dass das Gesetz so schnell wie möglich abgeschafft wird: "Ich glaube, dass wir durch die Sichtbarkeit von Musliminnen und Muslimen eine neue Diskussion über Religion in Europa angefangen haben. Und zwar im Negativen, weil wir mit fundamentalistischen Tendenzen konfrontiert waren, aber auch im Positiven. Die Kirchen denken wieder neu darüber nach, warum man eigentlich nicht sieht, was sie machen. Ich finde das eine sehr belebende und erfrischende Diskussion, und die Musliminnen und Muslime müssen da für uns etwas ausfechten, was wir eigentlich intern diskutieren sollten."
"Religiöse Symbole sollten für uns kein Problem sein"
In Niedersachsen dürfen Lehrerinnen ein Kopftuch tragen. Nur wenn der Schulfrieden gefährdet oder die staatliche Neutralität in Gefahr ist, kommt ein Verbot infrage. Für Richter und Staatsanwälte gelten allerdings andere Regeln: Sie dürfen keine religiösen Symbole wie Kopftuch, Kippa oder Kreuz öffentlich im Gericht tragen. Frauen würden durch diesen Gesetzentwurf auf ihre Kleidung reduziert, statt ihre hart erarbeitete Kompetenz zu beachten, sagt Sadiqu Al-Mousllie, Sprecher des niedersächsischen Landesverbandes des Zentralrates der Muslime: "Aus meiner Sicht muss das Gesetz geändert werden. Diese religiösen Symbole sollten für uns kein Problem sein. Religion ist ein Teil dieser Gesellschaft. Und wenn das jemandem, der vor der Richterin sitzt, nicht passt, dass so eine Frau so aussieht, dann soll er einfach einen Änderungsantrag stellen. Das ist möglich und das passiert auch tagtäglich. Warum will man das bei den muslimischen Frauen oder vielleicht auch bei Männern mit Kippa von vornherein verbieten? Damit schließen wir eine ganze Gesellschaftsgruppe aus."
Auch in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern dürfen Lehrerinnen mit Kopftuch unterrichten. Die Diskussion um das Neutralitätsgesetz bleibt auf jeden Fall spannend.
