Glauben, Hoffnung, Tradition: Namensforschung im Islam
Besonders im Islam spielen Namen eine zentrale Rolle: Sie sind oft verbunden mit Glauben, Tradition, Hoffnung. Doch wie werden muslimische Namen ausgewählt, welche Bedeutung tragen sie und wie haben sie sich im Laufe der Zeit verändert?
Barbara Henning ist Professorin für Geschichte und Kultur des Vorderen Orients an der Universität in Hamburg und hat sich intensiv mit der Namenforschung im Islam beschäftigt.
Im Islam haben Namen eine tief verwurzelte Bedeutung, die weit über die individuelle Ebene hinausgeht. Viele muslimische Eltern greifen auf Namen zurück, die aus dem Koran stammen oder eine enge Verbindung zu Allah, den Propheten oder wichtigen islamischen Tugenden haben, erklärt Professorin Barbara Henning: "Arabische Namen aus dem Umfeld des Propheten, arabische Namen, die auf die schönen Namen Gottes verweisen. Iranischen Namen verweisen auf Geschichten der iranischen Welt, zum Beispiel Rustam oder Khosro. Im Türkischen sind es häufig Namen, die entweder auf mächtige, kräftige, starke Tiere verweisen, also Arslan oder Shahin, oder auf wertvolles Material, wie etwa Eisen."
Die Wahl des passenden Namens
Viele Namen im Islam sind mit religiösen Werten verbunden. Sie spiegeln Eigenschaften oder Tugenden wider, die im Koran oder in den Hadithen - den Überlieferungen des Propheten - erwähnt werden, ergänzt Henning. Deshalb sei es im arabischen Sprachraum sehr wichtig, welche Namen vergeben werden. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass die Namenswahl nach den Worten des Propheten Mohammed eine wichtige Rolle gespielt hat: "Das hat damit zu tun, dass in der Überlieferung der Prophet selbst gesagt hat: 'Wählt euch gute Namen, denn ihr werdet am jüngsten Tag mit diesem Namen und den Namen eurer Väter angerufen werden.' Das hat dazu geführt, dass es in der islamischen Rechtstradition eine Diskussion drum gab, was ein zu empfehlender Name sei. Da kam man drauf, dass es eine Zusammensetzung aus der Vorsilbe Dina oder Abd und einem der Namen Gottes ist - also Abdullatif, Abdulrahman oder Abdulrahim - und Namen, die auf die Propheten verweisen."
Weniger Erkenntnisse durch modernes Namenssystem
Das System Vorname-Nachname ist heute in einigen Nationalstaaten der muslimischen Welt gebräuchlich, etwa in der Türkei aber auch im Iran. Dies unterscheidet sich von der langjährigen historischen Methode, Namen im islamischen Kontext zu vergeben. Welches wiederrum zu einem epistemologischen, also erkenntnistheoretischen Bruch geführt habe, betont Barbara Henning: "Ich weiß also im Zweifelsfall gar nicht so genau, zu welcher Abstammungsgruppe, zu welcher Familie ein Akteur eigentlich zählt, weil der Nachname möglicherweise erst aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts datiert. Das sorgt dafür, dass bestimmte Kontinuitäten, bestimmte Bezüge hier gar nicht deutlich sichtbar sind, dass bestimmte Aspekte aus der Geschichte rausgelöscht werden und in den Namen nicht mehr ablesbar sind."
Neue Herausforderungen für muslimische Eltern
Mit der Globalisierung und Migration erleben muslimische Namen neue Herausforderungen, betont die Hamburger Professorin Henning. Viele Eltern in westlichen Ländern stünden vor der Frage, ob sie traditionelle Namen wählen sollen, die möglicherweise schwer auszusprechen sind, oder ob sie eine moderne Variante bevorzugen. Manche wollen ihren kulturellen Wurzeln treu bleiben, andere wünschen sich Namen, die auch in der westlichen Gesellschaft akzeptiert werden: "Es geht darum, Namen zu finden, die sowohl auf Deutsch als auch auf Türkisch anschlussfähig sind, also nicht nur leicht auszusprechen sind, sondern die auch ein bestimmtes Bild wecken. Ein Mädchenname, auf den das zutrifft, ist der recht beliebte Name Selin - im Türkischen Selen. Ein anderer Name, für den das funktioniert, ist der Mädchenname Filis - auf Türkisch bedeutet das so viel wie Knospe."
Gleichzeitig sehe man auch, dass popkulturelle Phänomene, wie etwa erfolgreiche Fernsehserien, die Eltern in der Namenswahl ihrer Kinder beeinflussen, sagt Henning.
