Björks Album "Fossora": Orchesterpathos und Hardcore-Techno
Fünf Jahre nach ihrem letzten Album meldet sich Islands Sängerin Björk mit einem neuen Werk zurück: "Fossora" ist einmal mehr der Versuch, etwas ganz Neues zu machen. Sie nennt es "organischen Techno".
"Die Natur hat uns so geschaffen, dass wir alle sieben Jahre neue Zellen bekommen und uns komplett verändern. Ich finde es wichtig, da auch emotional mitzuwachsen", sagt Björk und fügt in Bezug auf die Musik hinzu: "Beschränkt man sich zum Beispiel auf die immer gleiche Musik, tut sich im Gehirn nicht viel. Hört man aber neue Songs, schafft es Platz und wächst."
Auch mit 56 Jahren versucht die Sängerin sich immer neu zu erfinden. Entsprechend experimentell fällt ihr zehntes Album "Fossora" aus: In den 13 Stücken kombiniert die 1,63 Meter große Powerfrau Orchesterpathos mit Chören und Hardcore-Techno. Der Musikologe spricht von Gabber, die Künstlerin von "organischem Techno" - weil sie den Beats vor allem eins entgegenstellt: eine Bassklarinette. Das ist mutig, bisweilen auch ziemlich anstrengend.
"Mushroom"-Album entstand während der Pandemie
Björk bezeichnet "Fossora" - lateinisch für "die Grabende" - als ihr "Pilz-" oder "Mushroom-Album". Es entstand während der Pandemie in ihrem Wohnzimmer in Reykjavik, und sie habe im selben mentalen Loch gesteckt wie die gesamte Menschheit. Nur, dass ihr Lockdown kreativ und lustig gewesen sei: Sie habe sich quasi in ihrem Loch ausgetobt. Wie ein Techno-begeisterter Troll der isländischen Mythologie. "Das ist es, was ich höre, wenn ich mich wie ein Troll fühle. Dann will ich rumhüpfen, die Fäuste zur Decke strecken und eine kathartische Befreiung spüren. Ich halte es für wichtig, regelmäßig zu tanzen - bis ins hohe Alter", erklärt Björk.
Björk thematisiert Tod ihrer Mutter Hildur
Auf dem farbenprächtigen Artwork posiert die Pop-Elfe als Fantasiewesen in einer unterirdischen Märchenwelt. Dabei sind die Themen ihrer Songs durchaus ernst: "Atopos" beschwört den Zusammenhalt in Krisenzeiten, "Sorrowful Soil" handelt vom Tod ihrer Mutter Hildur, einer bekannten Aktivistin. "Sie war kein Vorbild im Sinne der klassischen Hausfrau, sondern hat das Patriarchat verlassen. Sie hat ein Kommune gegründet, ein kleines Haus gemietet und bei schlechtem Wetter hat es so reingeregnet, dass wir in der Nacht aufstehen mussten, um die Wassereimer zu leeren. Trotzdem war es eine glückliche Zeit, für die ich sehr dankbar bin", berichtet Björk.
"Fossora": Klangkunst mit poppigen Momenten
Björks zehntes Album enthält zwar auch poppige Momente, ist aber in erster Linie Klangkunst. Dem Mainstream öffnet sie sich eher in "The Northman" - ein Wikinger-Drama, das bei diversen Streaming-Diensten läuft, und in dem Björk ein Orakel gibt, das für Tod und Verdammnis sorgt. Ihr erster und letzter Hollywood-Ausflug: "Eigentlich interessiert mich die Schauspielerei nicht. Ich bin froh, einfach Musik machen zu dürfen. Denn Schauspieler leben in der Welt der Extrovertierten - ein ganz anderes Universum."
Fossora
- Label:
- One Little Independent
- Veröffentlichungsdatum:
- 30. September 2022
