"Musik braucht keinen Schmuck, um zu überzeugen"
Andy Bey, dessen hypnotische Stimme sich vom sanften Bariton bis in dramatische Höhen aufschwang, hat Songs mit einer enormen Intensität interpretiert und ihnen so eine neue Tiefe verliehen.
"Andy Bey zu hören ist wie in einen ruhigen, klaren See zu gleiten. Sein Gesang ist geheimnisvoll und von unerreichter Schönheit". Als sich der Sänger und Pianist 1996 mit dem Album "Ballads, Blues & Bey" in der Jazzwelt zurückmeldete, gerieten die Kritiker ins Schwärmen. Die New York Times feierte die "Wiedergeburt" eines großen Künstlers.
2004 besuchte Andy Bey erstmals den NDR, für ein Interview und die Vorbereitung für sein bewegendes Konzert im folgenden Jahr. Auf den Begriff "Wiedergeburt" angesprochen, musste Andy Bey damals schmunzeln: "Das klingt etwas zu theatralisch. Ich war ja nie weg. Ich habe bloß 22 Jahre keine Platte aufgenommen."
Andy Beys Leben: Eine Geschichte ohne Kompromisse
Hinter dem unscheinbaren "bloß" verbirgt sich eine erstaunliche Geschichte: Andy Bey wurde 1939 in Newark/New Jersey geboren, brachte sich mit 3 Jahren das Klavierspiel bei und war mit 8 bereits Profi. Er trat als "Wunderkind" im Fernsehen auf, spielte und sang in Talentshows neben Dinah Washington und Sarah Vaughan. Ende der 1950er tourte er mit seinen Schwestern Salome und Geraldine als "Andy & The Bey Sisters" durch Europa.
Zurück in New York, folgten in den 1960ern Aufnahmen mit Max Roach, Horace Silver und Gary Bartz. Andy Bey geriet ins musikalische Zentrum der "Black Power"-Bewegung. Die Folge war der Karriere-Stop: "Das Musikbusiness wollte mich nicht, und ich wollte keine Kompromisse machen. Außerdem bin ich schwarz, homosexuell und HIV-positiv – keine gute Voraussetzung im harten Jazzgeschäft."
Kompromisse machte Bey auch später nicht – aber Mitte der 1990er war die Zeit endlich reif für seine hypnotische Stimme, die sich vom sanften Bariton bis in dramatische Höhen aufschwang, auf der Suche nach dem einen, dem echten Sound, der dem Besungenen neue Tiefe verleiht. Auf dem Album "American Song" interpretierte Bey die Klassiker von Duke Ellington, Billy Strayhorn oder Kurt Weill mit einer Intensität, die fast unheimlich wirkte.
Beys musikalisches Konzept
"Was du brauchst, ist ein klares Konzept", sagte Andy Bey dazu mit der Erfahrung und Weisheit eines langen Künstlerlebens. "Die Songs, die ich auswähle, haben alle eine tiefe Aussage. Diese Aussage muss man wertschätzen, sie darf beim Spielen nicht untergehen. Viele Leute denken, dass man im Jazz sofort losimprovisieren muss, um zu zeigen, was man kann. Aber das stimmt nicht. Du musst deine Technik nicht beweisen. Lass dir vom Text sagen, wohin der Song gehen soll. Die Musik braucht keinen Schmuck, um zu überzeugen. Im Gegenteil – durch den Schmuck vergisst man, was dahintersteckt."
Als das Album 2005 erschien, wurde sein intensiver Gesang von vielen Jazzkritikern immer noch wie ein Geheimtipp gehandelt. Als wäre die Geschichte, die den Aufnahmen voraus ging, einfach vergessen. Der Künstler selbst nahm es gelassen: "Ich bin in meinem Leben schon oft durch einen langen, dunklen Tunnel gegangen. An dessen Ende war aber immer das Licht." Am 26. April 2025 ist Andy Bey im Alter von 85 Jahren gestorben.
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