Hauptdarsteller krank - Intendant springt mit "geliehener Stimme" ein
Vergangene Woche hat das Stadttheater in Hildesheim Premiere von "Die Perlen der Cleopatra" gefeiert. Weil der Hauptdarsteller danach krank wurde, musste der Intendant bei der zweiten Vorstellung selbst auf die Bühne - und das ohne singen zu können.
Es ist zwar nur eine klamaukige Operette aus dem Jahr 1923, die die Geschichte der ägyptischen Königin Cleopatra humorvoll auf die Schippe nimmt. Trotzdem ist Intendant Oliver Graf schon wenige Minuten vor seinem Auftritt komplett durchgeschwitzt. Er wünscht sich eine Dusche und sagt mit Blick auf das dicke Textbuch augenzwinkernd: "Was hat sich der Regisseur dabei nur gedacht?"
Das ist ironische Selbstkritik, denn Oliver Graf spielt nun ausgerechnet in dem Stück mit, das er selbst inszeniert hat. Als Ersatz für den erkrankten Hauptdarsteller. Eigentlich ist Graf lieber hinter der Bühne und ungeschminkt. Die 99 Jahre alte Operette "Die Perlen der Cleopatra" wird nur selten gespielt. Einen Ersatz für den kranken Hauptdarsteller so spontan zu finden, hat nicht geklappt. Aber nach sechs Wochen Proben, wollte das Stadttheater die Besucher nicht nach Hause schicken.
Musicalsänger Louis Dietrich singt aus dem Orchestergraben
Nur einen Tag lang konnte Oliver Graf sich auf seine Rolle vorbereiten. Jetzt wird er in nur wenigen Minuten zum Victorian Silvius, dem Geliebten von Cleopatra. Zwar ist der Intendant ausgebildeter Schauspieler, aber gleich geht der Vorhang hoch und das Adrenalin steigt, denn er hat zwölf Jahre lang nicht gespielt - und Singen kann er gar nicht.
Damit nicht genug: Weil ihm das Original-Kostüm nicht passt, musste der Fundus herhalten. "Dementsprechend musste getrickst werden, damit zum Beispiel auch noch eine Papyrusrolle ins Kostüm passt", meint Oliver Graf. "Getrickst" werden musste nicht nur bei der Kostümierung, sondern besonders auch beim vermeintlichen Gesang des Intendanten.
Die Stimme dafür leiht ihm nämlich spontan ein Musicaldarsteller vom Stadttheater. Der heißt Louis Dietrich, steht im Orchestergraben und findet das Ganze "sehr stressig", so Dietrich. "Ich hatte nur einen Tag Zeit, es zu lernen und bin glücklich, dass ich vom Blatt singen darf und nicht alles auswendig lernen musste."
Musik und Text über Nacht gelernt
Den Text auswendig lernen musste allerdings der 41-jährige Intendant - und zwar über Nacht! Bis zur letzten Sekunde hat er seinen Text geübt. Und dann heißt es auch für ihn: raus auf die Bühne. Für Hänger im Text souffliert die Regieassistentin per Funk ins Ohr.
Das unverhoffte Bühnencomeback sorgt für Neugierde - auch hinter der Bühne bei den Kolleginnen und Kollegen. Oliver Grafs Resümee nach der Vorstellung jedenfalls lautet: "Es lief, es hat stattgefunden, der Sänger-Kollege war großartig, ich bin ganz zufrieden." Nach einer kleinen Pause fügt er offensichtlich erleichtert hinzu: "Es war ein ziemlicher Ritt!".
Auch, wenn die rund 200 Zuschauer im Saal kräftig applaudieren: Intendant Oliver Graf hofft, dass der eigentliche Hauptdarsteller bei der nächsten Vorstellung wieder gesund ist und er zurück ins Büro darf.