Online-Dschungel bei EU-Förderprogrammen: Ein Praxistest
Mit ein paar Klicks an EU-Förderprogramme kommen? Die Ankündigung klang vielversprechend. Zwei Kulturschaffende aus Hannover haben jetzt den Praxistest gemacht, mit mäßigem Erfolg.
Künstlerinnen, Musiker, Grafikerinnen, Soundtechniker werden bei dieser Nachricht bestimmt hellhörig: "Kulturschaffende sollen nach nur ein paar Klicks einen Überblick über die für sie relevanten EU-Förderprogramme bekommen." So lautete kürzlich das Versprechen der ehemaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Das Wunderwerkzeug ist eine neue Internetseite: Dort solle man einfach die zutreffenden Aussagen auswählen und so durch den Dschungel von 75 verfügbaren Fördermöglichkeiten geleitet werden. Aber ist es tatsächlich so simpel?
Wichtige Hinweise nur auf Englisch verfügbar
Wir sind im Büro von Sina-Mareike Schulte. Sie ist zweite Vorsitzende der LAG Jazz Niedersachsen. Der erste Vorsitzende ist Peter Schwebs - Bassist, Soloselbständiger, Papa. Er sitzt bereits vor seinem Laptop und legt los: "Your progress, sector und dann: What type of sector do you work in? Da würde ich jetzt hier Musik anklicken. What type of organisation?" Peter entscheidet sich für "selbstständig" und trifft auf viele neue Optionen. "Financing for direct cost, das wäre vielleicht interessant. Erstattung von anfallenden Kosten?", meint Sina.
Es sind wenige Klicks, dann kommt tatsächlich eine Seite mit sechs Kacheln. Sechs mögliche EU-Förderprogramme. Die sind mit fetten Summen bestückt: eine Billion, fünf Billionen. Peter entscheidet sich für "Horizon Europe" und klickt auf "view details". Ob dieses Programm für Peter wirklich interessant ist, wird auf den ersten Blick nicht klar. An welche Bedingungen ist es gekoppelt? Was für Nachweise müsste Peter erbringen? Braucht er einen Partner aus dem EU-Raum? Dass dort alles auf Englisch steht, macht es leider auch nicht einfacher. Selbst wenn Peter auf Deutsch umstellt, erscheinen die wichtigsten Infos weiterhin auf Englisch: "Es klingt so ein bisschen wie neue Projekte, die angeschoben werden sollen. Und dafür steht viel Geld zur Verfügung", überlegt Peter.
Einfache Erstattung von Ausfällen wäre nötig
Musiker wie Peter Schwebs sind in der Corona-Pandemie aber in erster Linie auf eine andere Art von Unterstützung angewiesen. Die wichtigste Frage lautet für sie: Wie kann ich meine Ausfälle und laufenden Kosten ausgleichen? Natürlich habe sich da viel getan, vor allem auch auf Bundesebene, weiß Sina-Mareike Schulte, die auch schon vor der Pandemie etliche Fördertöpfe angezapft und vermittelt hat. Sie zählt die wichtigsten Fonds und Förderprogramme auf. "Was ein Problem bleibt, ist, dass häufig Personalkosten nicht zu erstatten sind, dass es häufig darum geht, neue Projekte machen zu müssen und nicht einen Ausgleich zu bekommen für das, was ausgefallen ist", schildert sie.
In die komplizierte EU-Förderstruktur einsteigen
Unkomplizierte Unterstützung wäre wünschenswert. Zum Beispiel ein wöchentliches Ausfallhonorar auf Basis der letzten beiden Steuererklärungen. Und damit sind wir wieder bei den sechs Kacheln, die uns auf der neuen Übersichtsseite mit den EU-Förderprogrammen angezeigt werden. Peter schlussfolgert: "Das klingt jetzt nicht wie eine Hilfe, die man beantragen kann, und die relativ schnell und unkompliziert fließt."
Trotzdem: Sina-Mareike Schulte sieht auch das Positive dieser neuen Website: Sie eröffnet die Chance, endlich mal in die komplizierten EU-Fördergeschichten einzusteigen. Neugierig klickt sie sich durch die einzelnen Kacheln: "Auch wenn das, glaube ich, nicht die akute Corona-Hilfe ist, ist es sicherlich auch perspektivisch gesehen sehr, sehr sinnvoll. Grundsätzlich ist alles Geld, was die Kultur gesteckt wird, ist natürlich immer gut", sagt sie und lacht.
