Mittelalter-Wandmalerei mit "Wilden Männern" in Kenz restauriert
Wilde Männer, die durch einen Wald wandern: In der Kirche im vorpommerschen Kenz bei Barth sind durch Zufall vor zwei Jahren Mittelalter-Wandmalereien zum Vorschein gekommen. Sie sind fertig restauriert - aber für die Öffentlichkeit unsichtbar.
Sie haben Haare - am ganzen Körper, lange Bärte, einen wilden Blick und oft eine Keule über der Schulter. Sogenannte "Wilde Männer" tauchen in mittelalterlicher Kunst immer mal wieder auf. Sie sollten daran erinnern, wie zivilisiert das Leben sein kann, wenn man sich unter den Schutz der Kirche begibt. In Kenz bei Barth haben sich gleich drei - im wahrsten Sinne des Wortes - versteckt. Im 19. Jahrhundert wurde eine Orgel samt Empore davor gesetzt. Vor zwei Jahren entdeckt, sind diese besonderen Malereien jetzt fertig restauriert.
"Wilde Männer" in Marienkirche in Kenz bei Barth in MV
Wer im Mittelalter die Marienkirche in Kenz bei Barth durch das Hauptportal betrat, konnte sie nicht übersehen: drei wilde Männer in jeweils einem Medallion von etwa einem Meter Durchmesser. Farbig und sehr detailreich. Das haarige männliche Wesen in der Mitte trägt einen lockigen Bart, guckt grimmig, ist barfuß und offensichtlich recht zügig unterwegs und hat eine Keule über der Schulter.
Sein Kollege links von ihm dagegen ist sorgfältig frisiert, macht einen deutlich zivilisierteren Eindruck und guckt sogar ein bisschen freundlich, wenngleich auch er bewaffnet ist. Ganz und gar nicht freundlich und mit der größten Keule in den Händen - der dritte "wilde Mann" auf der rechten Seite des Portals. Die Augen aufgerissen taumelt er mit wirrem Haar scheinbar aus der Kirche.
Mann mit zottigen Haaren: Ein religionspädagogischer Cartoon?
Pastor Kai Steffen Völker versucht eine Interpretation: "Man ist in die Kirche gekommen und hat über sich diesen Bogen mit diesen Männern in unterschiedlichen Situationen gesehen." Für ihn hätten sie etwas Pädagogisches, "dass jeder, der diese Kirche betritt dazu aufgerufen wird, nachzudenken: Will er nun unter Gottes Fürsorge stehen oder will er nicht?" so der Pastor. "Es ist so, dass zwei von diesen Männern Richtung Altar gehen und der dritte aus der Kirche herausrennt - der mit diesen zottigen Haaren."
Ein religionspädagogischer Cartoon? Auf jeden Fall wohl plakativer Teil der Missionskampagne im wilden Nordosten. Der christliche Glaube war im 14. Jahrhundert ein noch zartes Pflänzchen in der rauhen Welt der Heiden.
"Wilde Männer" sind Teil der Christianisierung in Region von Barth
Die "Wilden Männer" entstanden in der Zeit, in der die Region um Barth christianisiert wurde. Der Ort Kenz selbst bekam schnell eine besondere Rolle, nicht nur wegen seiner angeblich heilenden Quelle. Barnim der VI., einer der ersten christlichen Pommernherzöge, ließ sich hier begraben. Kenz wurde beliebter Wallfahrtsort.

Das änderte sich jedoch genauso schnell wieder, als das Haus Pommern im 17. Jahrhundert ausstarb. Heute ist das etwa 100 Einwohner zählende Dorf fast in Vergessenheit geraten - wie auch die "Wilden Männer". Im Rahmen einer Gewölbesanierung kamen sie sprichwörtlich ans Tageslicht, wie der Rostocker Restaurator Marcus Mannewitz berichtet: "Das war eine große Überraschung. Wir waren damals mit der Sanierung der Gewölbe beschäftigt." Hinter einer Bretterwand habe er vom Gerüst aus ins dunke Gewölbe geleuchtet. "Dann habe ich da diese Malereien entdeckt", so Restaurator Mannewitz.
Die "Wilden Männer" waren lange hinter der Orgel und ihrer Empore, erbaut im 19. Jahrhundert, verschwunden. Wer also nicht wirklich mal durch das Instrument geklettert ist, um Orgelpfeifen auszutauschen oder vielleicht als Konfirmand hinter der Orgel den Blasebalg zu bedienen, hatte keine Ahnung, was für ein Schatz sich da versteckt.
Diese Wandmalerei im Urzustand bedeutet ein großes Glück für den Restaurator. "Das ist eine große Besonderheit, dass wir hier so eine Malerei vorliegen haben aus der Bauzeit, also von 1398, die eben nicht bearbeitet wurde. Die ist nicht übermalt worden, ist also im Originalzustand." Sie habe sich im Laufe der Zeit verändert, sei gealtert. "Aber sie ist zu Recht unberührt."
Restaurator Mannewitz hat eher konserviert, als restauriert
Deshalb hat Mannewitz hier eher konserviert als restauriert. Ein bisschen Putz musste angeböscht - also erneuert - werden. Schimmelpilze und Bakterien wurden abgetötet. Das Ganze hat eineinhalb Jahre gedauert und etwa 25.000 Euro gekostet - aus Stiftungsgeldern und Denkmalmitteln des Landes. Doch wann die Öffentlichkeit endlich die "Wilden Männer" zu Gesicht bekommt, ist völlig offen. Noch immer steht die Orgel davor und noch immer hat der Turm kein Panoramafenster.
Pastor Kai Steffen Völker steht mit seiner Gemeinde vor einer großen Herausforderung: "Der Stand ist einfach der, dass wir mit dem Denkmalschutz in Abstimmung sind. Zumal das hier auch auf der Empore ist und man hier nicht so einfach raufgehen kann. Also: Das ist eine schwere Aufgabe." Deshalb werden die "Wilden Männer" wohl noch eine Weile unsichtbar bleiben. Die Gemeinde hat einen Schatz, aber auch ein Problem mehr. Schon jetzt fragen viele Besucher nach den Malereien.
