Meron Mendel zu Ruangrupa: "Sie zu verbannen, wäre ein großer Fehler"
Mitglieder des mit Antisemitismus-Vorwürfen konfrontierten Kuratorenkollektivs der documenta, Ruangrupa, bekommen eine Gastprofessur an der Hochschule für bildende Künste (HFBK) in Hamburg. Der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, sieht das als Chance.
Am Mittwoch beginnt das neue Semester an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Mit einem Paukenschlag: Zwei der neuen Professoren sind Mitglieder des Künstlerkollektivs Ruangrupa. Dem indonesischen Künstlerkollektiv wird vorgeworfen, antisemitische Inhalte auf der diesjährigen documenta gefördert oder zumindest geduldet zu haben. Und jetzt: Professorenweihen für die Mitglieder des Kollektivs Reza Afisina und Iswanto Hartono? "Ich finde die Idee der Gastprofessur eine hervorragende Idee, denn das gibt uns die Möglichkeit, viele von den Debatten, die vergangenes Jahr so schiefgelaufen sind, noch aufzufangen", sagt Meron Mendel, der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank. "Vielleicht ist das die Chance, einen produktiven Dialog zu starten!"
Jüdische Gemeinde in Hamburg kritisiert Gastprofessur scharf
Die Jüdische Gemeinde in Hamburg sieht das anders. "Wir als Jüdinnen und Juden erwarten keine leeren Worthülsen, sondern bemessen das ehrliche Bemühen gegen Antisemitismus in Taten", heißt es in einem Statement. "Die Entscheidung der Hochschule für bildende Künste in Hamburg, zwei Gastprofessuren an Antisemiten zu vergeben, ist eine Schande für unsere Heimatstadt Hamburg."
Die Entscheidung für die Gastprofessur fiel laut Martin Köttering, dem Präsidenten der Hochschule für bildende Künste, bereits im Januar - also vor der Kunstausstellung. Hamburgs Antisemitismusbeauftragter Stefan Hensel und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank kritisierten die Entscheidung der Hochschule für bildende Künste, an den Gastprofessuren festzuhalten.
Mendel: Verschiedene Stimmen in der jüdischen Community
Meron Mendel widerspricht. "Ich kann nur bedauern, dass hier so eine Art von Vorverurteilung stattfindet. Wenn wir über die jüdische Community sprechen, da gibt es viele Stimmen, die sind nicht alle einheitlich", sagt der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank. "Ich bin in intensivem Kontakt mit der jüdischen Gemeinde in Kassel, da sind deutlich andere Töne zu hören. Ich finde es verheerend, wenn so eine Art von Berufsverbot ausgesprochen wird."
Das indonesische Künstlerkollektiv als pauschal antisemitisch zu bezeichnen, hält der israelisch-deutsche Professor für falsch. "Sie als Antisemiten zu verbannen - auf der Ranghöhe von großen Antisemiten, die nichts in der deutschen Öffentlichkeit zu suchen haben - das wäre ein großer Fehler."
"Antisemitismus ist überall Antisemitismus"
Auf der Seite von Ruangrupa und anderen beteiligten Künstlern und Künstlerinnen sieht er große Fehler. Als "bestimmte antisemitische Codes" auf der documenta aufgetaucht sind, sei versucht worden, das zu relativieren. "Unter dem Aspekt: In Indonesien ist so ein Bild nicht antisemitisch, nur in Deutschland - was absolut schwachsinnig ist." Mendelt findet es falsch, dass Ruangrupa das Signal aussandte, es gebe keinen Antisemitismus auf der documenta, das sei nur die Befindlichkeit der deutschen Besucherinnen und Besucher. "Wenn Juden mit SS-Runen, mit Schläfenlocken und zugleich mit Reißzähnen und mit langer Nase dargestellt werden, warum sollte das in Indonesien kein Antisemitismus sein?", fragt Mendel. Er stellt klar: "Antisemitismus ist überall Antisemitismus - Judenhass ist überall Judenhass."
Mendel: Gastprofessur ist eine Chance
Mendel plädiert dafür, mit Ruangrupa ins Gespräch zu gehen. Es gebe die Tendenz, Rassismus und Antisemitismus gegeneinander auszuspielen. "Entweder ist man empört über antisemitische Bilder auf der documenta oder man ist empört über rassistische Angriffe gegen die Künstler", schildert Mendel. "Das ist verheerend, das kann doch nicht sein, dass das gegeneinander ausgespielt wird."
Es müssten Wege gefunden werde, wie beide Haltungen, die eigentlich das gleiche seien, zusammengedacht werden. Er glaubt, genau das sei die Chance für die neuen Gastprofessoren an der Hamburger Hochschule für bildende Künste. "Das ist auch eine Herausforderung. Ich finde so eine Gastprofessur ist eine hervorragende Möglichkeit, das zu tun."
