Kunsthandwerk atmet auf - aber sorgt sich um Zukunft
Auch das Kunsthandwerk hat unter den Corona-Maßnahmen gelitten. Nun können Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker ihre Geschäfte wieder öffnen. Wie ist also die Stimmung in der Branche?
Margret Porwoll ist Modistin. In ihrem Atelier mit kleinem Laden blubbert ein Dämpfer. Per Hand formt sie Kopfschmuck vor allem für Damen, aber auch für Herren. Jeder Hut, jede Mütze ist ein Unikat, für das sie mehrere Stunden Arbeit braucht. Ihr kleiner Laden in der Innenstadt von Braunschweig hat nun endlich wieder regelmäßig geöffnet. Während der Pandemie musste sie ihn schließen: "Hauptsächlich habe ich für Veranstaltungen gearbeitet: Das heißt Pferderennen, für Theater, für Shootings, für Galas, für den Theaterball und für Hochzeiten - und das ist halt weggebrochen. Mir war sehr schnell klar, dass das so eine große Umsatzeinbuße ist, dass ich da reagieren muss."
Die alleinerziehende Mutter ist zurück gegangen in ihren vorherigen Beruf. Sie hat wieder als Krankenschwester in einem Pflegeheim angeheuert. Das sei gut so gewesen, um ihren Laden überhaupt halten zu können - und damit die einzige Modistin in Braunschweig, sagt Porwoll: "Ich habe gemerkt, wie mir das gefehlt hat. Jetzt ist es so, dass ich dieses Pflegerische, dieses Soziale auch habe und möchte das auch noch ein bisschen weiterführen. Ich bin jetzt in der Alltagsbegleitung und muss sagen: Diese Kombination finde ich sehr schön für mich."
Kunden sind noch deutlich verhalten
Porwoll begleitet nun neben ihrer Arbeit als Modistin mehrmals pro Woche ältere Menschen im Alltag. Sie habe Glück gehabt, dass sie zwei Berufe gelernt habe. Gelder aus Hilfspaketen habe sie nicht beantragt. Die Kunsthandwerkerin wollte sich während der Pandemie vor allem selbst helfen - wie so viele in der Branche, sagt Sabine Wilp. Sie ist die Präsidentin des Bundesverbands Kunsthandwerk.
Die Stimmung in der Branche sei insgesamt wieder besser: Märkte finden wieder statt, Läden sind geöffnet: "Es kommen auch wieder Menschen, aber sie sind doch noch deutlich verhaltener. Wenn ich das für unsere Galerie sehe, dann würde ich sagen, haben wir vielleicht etwa die Hälfte der Zahlen, die wir früher hatten. Wir arbeiten schon noch daran, dass wir jetzt möglichst wieder die Zahlen von früher erreichen, aber das ist im Moment noch nicht einfach."
Beratung vor Ort beim Kunsthandwerk entscheidend
Kunden vor Ort zu beraten, das sei entscheidend im Kunsthandwerk. Online-Shops hätten zwar viele gegründet, auch Modistin Porwoll, aber: "Online funktioniert für mich nicht in dem Maße, weil ich den Kopf einfach hier haben muss. Ich arbeite einfach so, dass es an den Menschen angepasst wird, damit es dann eben gut aussieht."
Auch Goldschmied Oliver Gudehus arbeitet lieber vor Ort in seinem kleinen Ladengeschäft am Rande der Innenstadt. Dort berät er seine Kundschaft - nach wie vor mit Maske. Gudehus spürt derzeit die Folgen von Krieg und Pandemie aber an anderer Stelle: Die Preise für Gold und andere Metalle wie Silber oder Palladium seien nochmal sehr stark gestiegen: "Ich hatte es jetzt gerade wieder ganz typisch, dass dann gesagt wird: Hm, ich wollte mir eigentlich ein Geburtstagsgeschenk selber machen, das schiebe ich und sammle lieber bis Weihnachten."
Sorge vor neuen Einschränkungen im Herbst und Winter
Viele Kundinnen und Kunden würden von geplanten Projekten abspringen. Um sein Preisniveau einigermaßen halten zu können, müsse Gudehus seine Schmuckstücke auch anders gestalten, dazu kommen noch steigende Energiekosten. Immerhin: Hochzeiten und andere Feste gebe es nun wieder häufiger - aber wie der Herbst wird, das wissen weder Modistin Porwoll noch Goldschmied Gudehus.
Verbandspräsidentin Wilp blickt mit Sorge auf das mögliche Pandemiegeschehen im Herbst und Winter: "Das ist immer eine Zeit, so rund um die Weihnachtstage, wo wirklich die allermeisten Kunsthandwerker ihre Produkte verkaufen und da wirklich auch etwa die Hälfte ihres Umsatzes tätigen. Da wieder geschlossene Galerien oder abgesagte Märkte zu haben, das wäre eine echte Katastrophe. Das hatten wir jetzt zwei Jahre lang, das möchten wir gerne nicht noch ein drittes Jahr haben." Denn auf die Weihnachtsmärkte und Kunsthandwerksmärkte - auf die komme es an.