Kulturgüter schützen - fast unmöglich im Ukraine-Krieg
Das UNESCO-Abkommen zum Schutz der Kultur und des Welterbes feiert 50-jähriges Bestehen. Kulturgüter zu schützen, wird durch den Ukraine-Krieg drängender denn je.
Es hat etwas Rührendes und zugleich Erschreckendes, wenn man sieht, wie die Bewohner von Lwiv oder Kiew ihre Denkmäler mit Holz verkleiden und in Odessas Altstadt Sandsäcke vor säulengerahmte Theater und prachtvolle Kirchenportale stapeln. Der Krieg in der Ukraine ist auch ein Krieg gegen die Kultur, wie alle Kriege dieser Welt nach den Menschen immer auch ihre kulturelle Identität zerstören. Gestern wurde in Schloss Herrenhausen, hochkarätig besetzt genau darüber diskutiert. Anlass ist das 50-jährige Bestehen der "UNESCO Welterbe-Konvention". Dabei hat der Abend, gestern in Hannover, eine gespenstische Aktualität bekommen.
Wollen die Russen die Kultur zerstören?

Um es gleich vorwegzunehmen: mit der Aktualität, mit der Brisanz des Themas tat man sich anfangs schwer auf dem Podium - schwer akademisch. Eine gute Stunde lang diskutierten die Professoren und eine Professorin jahrhundertealte Strategien der Zerstörung von Kulturgütern auf den Schlachtfeldern. Und welch stumpfes Schwert das Völkerrecht dabei ist. Bis das Publikum fragen konnte, und es endlich konkret wurde: "Ist die Zerstörung von Kulturgut wirklich eine Strategie der Russen? Ich würde das in Frage stellen weil die Russen doch eigentlich die Ukraine als ihr eigenes Land ansehen und daher ein Interesse daran haben sollten, dieses zu erhalten." Gefragt war der Archäologe Hermann Parzinger. Der unterhält ausgezeichnete Kontakte zu Russland: Als Sprecher des Deutsch-Russischen Museumsdialogs, als Mitglied der russischen Akadademie der Wissenschaften und des Petersburger Dialogs, lässt er kein gutes Haar an Putins krudem Geschichtsverständnis. Seine Einschätzung an diesem Abend: "Fakt ist, man kann den Russen vieles unterstellen, aber dass sie wirklich gezielt Kultur zerstören, auch wenn es gar nicht nötig wäre, da gibt’s noch keine Anhaltspunkte für."
Digitaldaten der Kulturgüter müssen gerettet werden
Handlungsbedarf ergibt sich für Hermann Parzinger auf einem ganz anderen, eher praktischen Feld: "Wir müssen Speicherkapazitäten anbieten. Dort ist unglaublich viel digitalisiert worden. In Kiew sitzen zwei Humboldt-Stipendiatinnen. Wir sind seit Tagen dabei Terabyte an Daten zu überspielen. Diese Information über Kulturgüter, die bereits digitalisiert sind zu retten, das ist eine zentrale Aufgabe. Wann immer wir Kontakt haben: schafft uns Möglichkeiten, dass wir unsere Daten überspielen können."
Untersuchungskommission des Menschenrechtsrats zu zerstörten Kulturgütern
Auf dem Podium saß auch ein Professor in Uniform: Matthias Rogg, Oberst in der Bundeswehr und Militär-Historiker. Er gewährte launige Einblicke in die Versuche, Soldaten Kultur als schützenswertes Gut nahezubringen. Er betonte die zentrale Rolle von Informationen: "Das beste Bild in solch einem Krieg haben natürlich die Geheimdienste. Das hat die Nato. Da fehlt es meiner Einschätzung nach an Vernetzung und am Austausch." Und Oberst Rogg wies noch auf eine fast bessere, aktuellere Quelle hin. "Es gibt einen Blogger in der Ukraine. Einen Kurator und Journalisten, Konstantin Akinsha, der jeden Tag zusammenfasst was er mitbekommt, was er hört wo Kulturgut bedroht ist, zerstört wird. Er dokumentiert das mit Bildern und Ähnlichem. Da muss man sich kurz schließen."
Seit den beiden Weltkriegen ist die Zerstörung von Kulturgütern eine Sache des Völkerrechts, Forschungsgebiet von Professorin Sabine von Schorlemer. Eher nebenbei verriet sie gestern, dass Annalena Baerbock auch den Schutz der Kultur im Blick hat. Sehr konkret für die Zeit nach dem Krieg. "Ich halte es auch für sehr wichtig dass der UN Menschrechtsrat in Genf, übrigens auch auf Betreiben der deutschen Aussenministerin, eine Untersuchungskommission eingerichtet hat, die Verantwortliche benennen soll. Das geschieht um Strafgerichten die Möglichkeit zu geben, hier Urteile zu fassen."
Deutsche Museen wären nicht auf einen Krieg vorbereitet
Unterm Strich bleibt der Eindruck von viel gutem Willen, so das Resümee des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger. "Ich glaube kaum, dass ein deutsches Museum auf einen Kriegsfall vorbereitet wäre. Das ist etwas, das jenseits unserer Vorstellungskraft liegt, wir müssen einen Plan haben. Interessanterweise nimmt man sich jetzt die Pläne aus dem Zweiten Weltkrieg vor. Was ist wo, wie ausgelagert worden. Die DDR hat sowas für ihre Kultureinrichtungen gemacht, jedenfalls in Berlin. Das ist ein Thema, dem wir uns auch annehmen müssen." Seit 50 Jahren existiert nun das "UNESCO-Abkommen zum Schutz der Kultur und des Welterbes".
