Die Welt liegt in Schutt und Asche in Roland Emmerichs Katastrophenfilm "Moonfall" © Leonine Filmdistribution

Roland Emmerichs Art des Katastrophen-Erzählens ist ausgereizt

Stand: 09.02.2022 16:40 Uhr

Der Schwabe Roland Emmerich hat seine Filmkarriere auf Trümmern aufgebaut. Spätestens seit "Independence Day" ist er in Hollywood für Zerstörungs-Orgien zuständig. Seine neueste Filmkatastrophe heißt "Moonfall".

von Walli Müller

Ob Aliens, schmelzende Polkappen oder eine Sonneneruption der Menschheit einheizen, es bleibt ganz sicher kein Stein auf dem anderen! Und das darf man dem 10. Februar im Kino auch von "Moonfall" erwarten.

Da es zuletzt in Filmen auffällig häufig Kometeneinschläge gab, hat Walli Müller sich gefragt: Was will uns nun Roland Emmerich damit erzählen? Ein Blick auf "Moonfall" - im Vergleich zu anderen Katastrophenfilmen.

Wie man ein Katastrophenfilm-Szenario intelligent einsetzen kann, hat gerade Regisseur Adam McKay mit "Don't look up" gezeigt. Da entdeckt eine Astronomin einen riesigen Kometen im Sinkflug und keiner nimmt die Gefahr ernst. Eine von Jennifer Lawrence gespielte Astronomin warnt: "Es besteht eine hundertprozentige Chance, dass wir alle sterben werden!"

Weil McKay mit dem Kometen eigentlich den Klima-Kollaps meint, hat sein Film weltweit eine gesellschaftliche Debatte ausgelöst. Ob Roland Emmerich mit "Moonfall" Ähnliches vorschwebt?

"Moonfall"-Prämisse: Der Mond kommt der Erde gefährlich nahe

Zumindest beginnt sein Film ganz ähnlich: Ein Hobby-Astronom registriert, dass der Mond seine Umlaufbahn verlässt und der Erde gefährlich nahekommt. Nur wird die Message hier durchaus gehört und die Bevölkerung vor drohenden Flutwellen gewarnt. "Der Gouverneur hat soeben die Evakuierung der gesamten Westküste angeordnet." so ein Nachrichtensprecher in "Moonfall". "Eine Überlebenschance besteht nur in höhergelegenem Gelände."

Katastrophenfilm nach Emmerich-Strickmuster

Es läuft dann, wie's immer läuft bei Emmerich: Panik, Plünderungen, schließlich ein großes "Rette sich, wer kann", bei dem kleine Lichter großen Heldenmut entwickeln. Halle Berry startet hier als Astronautin noch eine tollkühne Mond-Mission in schrottreifer Rakete.

Aber welchem Narrativ dient das? Man kann wie in der Serie "8 Tage" die Flucht vor dem kommenden Meteoriten-Einschlag zum zentralen Thema machen. Skrupellose Schlepper, denen die fliehende Familie ausgeliefert ist, sind in einem existenziellen Überlebenskampf.

Oder man kann wie im Thriller "Greenland" das menschliche Drama in den Mittelpunkt stellen. Hier geht es um eine Familie, deren Diabetes-kranker Sohn nicht ins Flugzeug zum rettenden Bunker gelassen wird.

Schwarze Logik-Löcher im Drehbuch von "Moonfall"

"Moonfall" entwickelt weder die zwingende Spannung noch die beklemmende Aktualität der genannten Beispiele. Denn das typische Emmerich-Bild sieht ja so aus: Eine gigantische Flut- oder Mond-Magnetwelle bricht herein und reißt alles mit sich, außer Familienmitglieder der Hauptprotagonisten, die es schaffen, schnell noch mit dem Auto davonzufahren.

Das könnte immerhin einen gewissen Unterhaltungswert haben wie damals die Apokalypse in "2012", gäbe es nicht derartige Schwarze Logik-Löcher im Drehbuch. Es sind nämlich nicht entfesselte Naturkräfte am Werk in "Moonfall", sondern: "Wir haben es mit einer intelligenten Entität zu tun. Wir planen eine Mission, um das Ding auszuschalten.", so Halle Berry als NASA-Astronautin.

Alien-Technologie, die den Mond Richtung Erde trudeln lässt. Ernsthaft? Gerade hatten wir uns daran gewöhnt, dass Katastrophenfilme echt was zu erzählen haben über die menschliche Natur oder unser Augenverschließen vor der Klimakatastrophe.

Emmerichs Art des Katastrophen-Erzählens ist ausgereizt

Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen erkannte in "Don't look up" die "Verdrängungslust einer Wohlstandsgesellschaft, die ihre Selbstgefährdung längst ahnt, aber offiziell nichts von ihr wissen will". Und da kommt Roland Emmerich mit Aliens daher? Und mit einem grenzdebilen Himmelfahrtskommando?

"Sind wir tot?"
"Nein, wir sind nur im Inneren des Mondes." Astronauten in "Moonfall"

"Moonfall" beweist vor allem eins: Emmerichs Art des Katastrophen-Erzählens ist ausgereizt. Das Immer-Noch-Spektakulärere kippt nun vollends ins Lächerliche. Weder kann, noch möchte man den abstrusen Mond-Entstehungs-Theorien dieses Films folgen. Und wenn planetare Verwüstungsbilder nur noch langweilen, dann ist der Katastrophenfilm wohl eher eine Film-Katastrophe.

Weitere Informationen
Roland Emmerich © picture alliance / dpa Foto: TT NYHETSBYRÅN

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"Moonfall"

Genre:
Action | Science-Fiction
Produktionsjahr:
2020, 2021
Produktionsland:
Vereinigte Staaten, Kanada, China
Regie:
Roland Emmerich
Länge:
126 Minuten
FSK:
ab 12 Jahre
Kinostart:
ab 10. Februar

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 07.02.2022 | 06:55 Uhr

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