"Promising Young Woman": Rachefeldzug gegen sexuelle Gewalt
Es ist das Regie-Debüt von Emerald Fennell: "Promising Young Woman" wird gern als "#MeToo-Rache-Thriller" beschrieben. Die 35-jährige Britin erhielt für das Drehbuch einen Oscar.
Es dauert ein bisschen, bis man als Zuschauer begreift, dass das Bild, das man sich von der sich sehr freizügig gebenden Protagonistin machen könnte, so gar nicht den Erwartungen entspricht. Und es ist ein kluger Schachzug, dass dieser Film von Anfang an mit der Umkehrung von Rollenklischees spielt.
Könnten Blicke töten, die Bauarbeiter, die gerade der luftig bekleideten Cassandra hinterher gepfiffen haben, würden einer nach dem anderen im Handumdrehen das Zeitliche segnen. So aber wenden sich die Männer nur kleinlaut ab, und die junge Frau, gespielt von Carey Mulligan, zieht ihrer Wege. Tatsächlich hat sie schon Beute gemacht in dieser Nacht, von der sie jetzt am frühen Morgen nach Hause zurückkehrt. Denn Cassandra streift aufgebrezelt durch die Bars der Stadt, gibt vor sturzbetrunken zu sein und lässt sich dann von einem vermeintlich fürsorglichen Kerl abschleppen. Dann bezahlen die Männer einen Preis für ihr übergriffiges Verhalten. Und Cassandra macht einen weiteren Strich auf ihrer Liste in ihrem Tagebuch - so wie früher die Revolverhelden Kerben in ihren Colt.
Rachefeldzug für vergewaltigte Freundin
Tatsächlich befindet sie sich auf einem Rachefeldzug, nachdem sich ihre beste Freundin auf der Uni nach einer Vergewaltigung das Leben genommen hatte. Seither sind alle Männer, die besonders nett tun, potenzielle Täter, die bestraft werden müssen. Die Vergewaltigung hatte bei einer Feier stattgefunden, es gab Zeuginnen und Zeugen.
Kampf gegen das Vergessen

Cassandra kämpft gegen das Vergessen und Verdrängen und für ihre tote Freundin, deren Schicksal viele junge Frauen erleiden könnten. Und sie kämpft dagegen, dass Tätern Unschuldsbekundungen geglaubt und Opfern Mitschuld unterstellt wird. Das tut sie in poppig bunten Bildern, mit einem mitreißenden Soundtrack der 80er-Jahre und in einer feministischen Femme-Fatale-Pose, die streckenweise durchaus von schwarzem Humor und satirischen Ansätzen geprägt ist.
Oscar-Nominierung für Carey Mulligan
Hauptdarstellerin Carey Mulligan erhielt für ihre überzeugende Leistung eine Oscar-Nominierung. Zu Recht, gibt sie doch diesem Racheengel oft mehr Tiefe und Ambivalenz als der Rolle eigentlich zugedacht ist. Besonders wenn sie - fast gegen ihren Willen - eine Beziehung mit einem ehemaligen Mitschüler aus der High School eingeht, obwohl sie eigentlich kaum einem Mann vertrauen kann.
Film lässt Zuschauerinnen ratlos zurück
Das Finale ist furios, und doch: Am Ende ist von Satire oder Unterhaltung nicht mehr viel zu spüren, wenn dieser knallbunte "#MeToo-Rache-Streifen" mit Girlie-Ausstattung wie ein Tischfeuerwerk abbrennt und der Twist eine ziemlich banale Erkenntnis ist. Dann verlässt Frau das Kino weniger mit feministischen Diskussionsansätzen, sondern ziemlich ratlos. Weil nicht klar wird, was dieser Film-Mix eigentlich wirklich will.
Promising Young Woman
- Genre:
- Thriller
- Produktionsjahr:
- 2020
- Produktionsland:
- Großbritannien, USA
- Zusatzinfo:
- Mit Carey Mulligan, Bo Burnham, Alison Brie, Christopher Mintz-Plasse und Adam Brody
- Regie:
- Emerald Fennell
- Länge:
- 114 Minuten
- FSK:
- ab 16 Jahren
- Kinostart:
- 19.08.2021
