Stand: 10.01.2022 15:09 Uhr

"Égalité": Drama von Kida Khodr Ramadan

von Bettina Peulecke

In Kida Khodr Ramadans "Égalité" gerät eine Familie in eine schwere Krise. Nach einer Operation ist die Tochter blind. Ihr Vater will Antworten und glaubt, dass er sie wegen seiner türkischen Wurzeln nicht bekommt.

Attila lebt mit seinen Kindern und seiner Frau in Berlin. Sie sind eine glückliche Familie, wenngleich Aya, Attilas Frau, manchmal von der alten Heimat träumt. "Ich höre Istanbul, meine Augen sind geschlossen." sagt Aya. "Vielleicht ist alles besser, wenn die Augen geschlossen sind, weißt du? Vielleicht wird jedes Gefühl intensiver."

Ein schwerer Schicksalsschlag verändert alles

Die poetisch verträumte Sichtweise der geschlossenen Augen und des "Nicht-Sehens" bekommt jedoch abrupt eine ganz andere Bedeutung: Attilas 14-jährige Tochter Leila muss wegen einer an sich harmlosen Mandeloperation ins Krankenhaus. Als sie aus der Narkose aufwacht hat sie ihr Augenlicht verloren.

Die Ärzte stehen vor einem Rätsel. Es gab keine nennenswerten Komplikationen bei dem Eingriff, aber Leilas Vater ist davon überzeugt, dass die Mediziner die Operation verpfuscht haben und ihm bewusst nicht die Wahrheit sagen. Er nimmt seine Tochter gegen ärztlichen Rat mit nach Hause. Der Vater ist fassungslos, verzweifelt, aufbrausend und unkontrolliert. Er versucht aber trotzdem noch einmal mit dem Chirurgen, der Leila operiert hat, zu reden. Aber bei dem ist in absehbarer Zeit kein Termin frei.

In "Égalité" geht es auch um die Folgen von Diskriminierung

Zuhause zieht sich die Tochter in ihr Zimmer zurück. Der kleine Bruder macht sich teilweise sogar über sie lustig. Die Mutter versucht nach innen und nach außen auszugleichen und der Familienvater gerät in immer größere emotionale Turbulenzen. Denn das eigentliche Problem ist nicht die mutmaßlich missglückte Operation. Das eigentliche Problem ist, dass Attila sich diskriminiert fühlt.

Er fühlt sich nicht ernst genommen, nicht akzeptiert und nicht respektiert, weil er überall nur Abweisung erfährt, und das auf seinen Migrationshintergrund bezieht. "Ich ertrage es nicht mehr, ich ertrage es nicht mehr behandelt zu werden wie der letzte Asi." sagt Attila verzweifelt. "Bin ich ein Mensch zweiter Klasse? Bin ich nichts wert?".

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Attilas Hilflosigkeit und sein Gefühl der Ohnmacht schlägt in Gewalt um. Er will so nicht sein, dennoch sieht er die Entführung des Chirurgen und des Narkosearztes als einzigen Ausweg aus seiner Misere. Er versucht zu beruhigen und bedroht gleichzeitig: "Ich bin kein gewalttätiger Mann, aber weißt du wie es ist blind zu sein? Ich bin kein Verbrecher. Ich bin auch nicht böse, allerdings wenn Sie schreien, dann haue ich dir das Ding in die Augen."

Am Ende hinterfragt er alles, auch die eigenen Traditionen und Familienstrukturen. Dabei spielen die Tochter und der Sohn, im wahren Leben die leiblichen Kinder des Regisseurs Ramadan, eine große Rolle. Das ist ein durchaus interessanter Ansatz, der jedoch ständig durch zu häufige, zu grobe Effekthascherei untergraben wird. Und vielleicht müsste man sich als Regisseur und Produzent auch fragen, ob die eigenen Kinder auch unbedingt die beste Besetzung für die Rollen der Filmkinder sind.

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"Égalité"

Genre:
Drama
Produktionsjahr:
2021
Produktionsland:
Deutschland
Regie:
Kida Khodr Ramadan
Länge:
84 Minuten
FSK:
ab 12 Jahre
Kinostart:
ab 13. Januar

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 12.01.2022 | 06:40 Uhr

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Spielfilm

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